Eine Allianz als Innovationsmotor für die Forschung
Es ist der Startschuss für einen Forschungsverbund in Heidelberg und Mannheim.

Von Alexander Albrecht
Heidelberg/Mannheim. Das Geld aus Stuttgart – immerhin 40 Millionen Euro für drei Pilotprojekte – ist schon auf dem Konto, doch Winfried Kretschmann lässt auf sich warten. Der Ministerpräsident führt nach dem Spatenstich für das neue Kindertumorzentrum der Heidelberger Uniklinik noch ein vertrauliches Gespräch mit Mäzen Dietmar Hopp. Weit hat es der Grünen-Politiker von der Baustelle zum Marsilius-Kolleg im Neuenheimer Feld nicht, weshalb die Verzögerung moderat ausfällt.
Der große Saal verwandelt sich in der Zwischenzeit in eine Art Lounge, ein Trio spielt Kaffeehausmusik, es werden Gläser mit Wasser gereicht. Unirektor Professor Bernhard Eitel preist das Kolleg als Ort für "crazy ideas" – Ideen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen, die am Ende gar nicht mehr so verrückt sein müssen, sondern in die Zukunft weisen.
Fast so visionär, aber vielmehr vom Gedanken getragen, gemeinsam stärker zu sein: Das ist die "Health und Life Science Alliance Heidelberg Mannheim", zu dessen Kickoff-Veranstaltung am Donnerstag reichlich regionale Prominenz gekommen ist. Grob gesprochen funktioniert das Bündnis in drei Schritten. Experten der sieben Partner – die Universität Heidelberg, die Unikliniken Heidelberg und Mannheim, das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung (alle Heidelberg) und das Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) – forschen in einem "Innovationscampus" zu medizinischen Themen.
Das können zum Beispiel Herz-Kreislauf-Leiden, Krebs oder psychische Erkrankungen sein. Diese Erkenntnisse werden am Patienten getestet und im Idealfall den mehr als 950 Pharma-, Biotechnologie und Medizintechnik-Unternehmen in der Rhein-Neckar-Region zur Verfügung gestellt. Etablierte Firmen wie Roche oder neue Start-ups, die sich an Rhein und Neckar ansiedeln, investieren und Arbeitsplätze schaffen. Ihren Ursprung hatte die Allianz vor zwei Jahren in der finanziellen Not der Uniklinik Mannheim und dem Wunsch Kretschmanns nach mehr Zusammenarbeit.
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"Was dann passiert ist, habe ich noch nie erlebt", erinnert sich Eitel. "Innerhalb von nur acht Wochen hatten wir uns neu gefunden und ein Konzeptpapier erstellt." Was damals freilich noch Ausgangspunkt einer Fusion der beiden Unikliniken sein sollte. Statt eines Zusammenschlusses forciert das Land einen engen Verbund. Und von dessen Erfolg dürfte auch jener der Forscherallianz zusammenhängen.
Kretschmann ist da optimistisch und nennt zu Beginn seiner Rede gleich zwei Errungenschaften aus Mannheim und Heidelberg: die Impfung gegen ein mutiertes Protein bei Hirntumor-Patienten oder der Einsatz von Robotern bei Biopsien. Laut nachgedacht wird auch über neue medizintechnische Entwicklungen wie die Produktion einer künstlichen Netzhaut oder im 3-D-Verfahren entwickelte künstliche Organe.
"Ohne Kooperationen geht es nicht", ruft Kretschmann den nickenden Teilnehmern zu, ob bei der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens oder der Erforschung des menschlichen Genoms. Mit Blick auf die für Innovationen notwendigen Fallzahlen wünscht sich der Ministerpräsident, dass der Datenschutz in ein vernünftiges Maß gebracht wird. Es könne ja schlicht nicht sein, wenn medizinische Studien in Peru durchgeführt würden, weil dort die rechtlichen Regelungen lax sind oder es sie überhaupt nicht gibt.
Die Landesregierung unternimmt auch deshalb große Anstrengungen, weil das Gesundheitswesen die Automobilwirtschaft als Leitindustrie überholt hat. Und es geht darum, die klügsten Köpfe in die Region zu holen, wie die beiden Sprecher der Allianz, die Professoren Wolfgang Wick von der Uniklinik Heidelberg und Michael Boutros vom DKFZ in ihrem Einführungsreferat ausführen. Manches ist schon am Laufen, wie etwa der Heidelberger Inkubator für Start-ups in den Lebenswissenschaften, der bis Ende des Jahres fertig sein soll und laut Wick bereits zu 75 Prozent belegt ist. Die Zeiten, in denen sich junge aufstrebende Unternehmen in der Kurpfalz ansiedelten und dann den Standort wechselten, sollen vorbei sein. Den strukturellen Aufbau der Allianz unterstützt das Land mit weiteren 10,7 Millionen Euro.
Geführt werden soll sie von den Vorständen der sieben Partner. Ein Beirat aus externen Vertretern von Politik oder Industrie soll dafür sorgen, dass die Ziele auch eingehalten werden. Zudem ist eine Geschäftsstelle geplant, in der sämtliche Fäden zusammenlaufen.




