In Mannheim wird eine Katzenverordnung "seit Jahren totgeprüft"
Der Ruf nach einer Schutzverordnung für frei laufende Katzen wird immer lauter. Die Stadtverwaltung ist besorgt wegen möglicher Klagewelle.

Von Wolf H. Goldschmitt
Es wiederholt sich Jahr für Jahr: Im Frühsommer und Herbst kommen Hunderte frei lebende Kätzchen zur Welt. Für alle beginnt ein Überlebenskampf. Der ungewollte Nachwuchs verwildert, sofern er überhaupt durchkommt. Zudem entläuft so manch unkastrierte Hauskatze auf der Suche nach einem Geschlechtspartner und wird dann zum Streuner. Beide Gruppen tragen zur ständig wachsenden Vermehrungspyramide bei.
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Etwa 70 ehrenamtlichen Tierschützern füttern die frei lebenden Katzen. Sie schätzen ihre Zahl auf um die 700. Eine vollständige Erfassung ist nicht möglich, da sich gerade im Bereich von Industrieanlagen wilde Katzen zwar gern verstecken, hier aber der Zugang meist verwehrt wird. Nach statistischen Hochrechnungen der Tierrechtsorganisation "Politik für die Katz’" leben in Mannheim rund 7500 Katzen in Freiheit. Die Initiative aus Hessen setzt sich für die Einführung von Katzenschutzverordnungen in deutschen Kommunen ein und unterstützt seit einiger Zeit die Mannheimer Katzenfreunde.
Denn die fordern von der Stadtverwaltung schon seit Jahren die Einführung einer Katzenschutzverordnung. Diese Vorschrift würde Katzenhalter, die ihren Tieren unkontrollierten Ausgang gewähren, zur Kastration, Kennzeichnung und Registrierung der Katzen verpflichten. Das Gesetz hilft den Tierschützern bei der Kontrolle der Streuner und gibt dem Veterinäramt eine Handlungsbasis für uneinsichtige Katzenhalter. Die Stadtverwaltung könnte sofort handeln, denn eine Landesverordnung schafft nach Paragraf 13 im Tierschutzgesetz die Grundlagen. Dass die Tierschützer auf eigene Rechnung einzelne Tiere einfangen und kastriert lassen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
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Gerade in Gartenanlagen und Firmengeländen werden frei lebende Katzen oft gefüttert. In Bereichen, in denen sie von Tierliebhabern mit Futter versorgt werden, treten sie naturgemäß vermehrt auf. Sie tragen zu einer Eindämmung des Aufkommens an Mäusen und Ratten bei. Solche Katzengruppen verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet, ohne dass daraus Schwerpunkte eindeutig erkennbar werden. Häufungen treten punktuell auch auf Privatgelände auf.
Aber warum wird das große Problem der wachsenden Katzenpopulation seit Jahren von der Kommune ignoriert, obwohl alle zehn von der RNZ befragten Tierärzte unisono für die Einführung dieser Verordnung stimmen? "Die Verwaltung hat das Problem mit den frei lebenden Katzen immer noch nicht erkannt oder will es nicht sehen. Statt die nahe liegende Lösung umzusetzen, wird das Thema seit Jahren totgeprüft. Damit nimmt die Verwaltung tagtäglich schweres Katzenleid in Kauf", positionieren sich Kristina Stumpf und Anke Feil von "Politik für die Katz’".
Zwar sei ein kommunaler Fonds aufgelegt worden, aus dem Kastrationen von Streunerkatzen erstattet werden sollen, doch gebe es einen Haken. Die Stadtverwaltung lehnt gesunde Streuner als förderfähig ab, nur kranke Tiere profitieren bisher. Dabei, so ist die Allianz aus Katzenfreunden und Tierrechtsorganisation überzeugt, sei doch offensichtlich, dass gerade die – zumindest augenscheinlich – gesunden Tiere immer weiter für Nachwuchs sorgen. "Solange es Halter gibt, die ihre Tiere unkastriert ins Freie lassen, nützen die Initiativen des Tierschutzes dauerhaft nichts", bilanziert Stumpf.
Ein Antrag der Gemeinderatsfraktion Lipartie (Die Linke, Die Partei, Tierschutzpartei) auf Erlass einer Verordnung ruht ebenfalls seit drei Jahren auf einem Schreibtisch im Rathaus. "In Mannheim tummeln sich viel zu viele Straßenkatzen im Stadtgebiet – ein Nährboden für Seuchen und Krankheiten, die auch dem Menschen gefährlich werden können", erläutert Lipartie-Stadtrat Andreas Parmentier. "Das Tierheim auf der Friesenheimer Insel hat bei der Aufnahme halterloser Katzen längst seine Kapazitätsgrenze erreicht. Die Tierschützer werden von der öffentlichen Hand im Stich gelassen."
Andere Städte in der Region wie Ludwigshafen, Worms, Lampertheim und Viernheim seien fortschrittlicher und hätten längst Kastrationspflicht erlassen, so Parmentier. In Kommunen wie Weinheim und Heidelberg ist sie "in absehbarer Zeit" vorgesehen.
Auf Anfrage teilte das Ordnungsdezernat in Mannheim mit, dass das Rechtsamt der Stadt aufgrund von möglichen Regressansprüchen Bedenken habe. Katzenhalter, die ihre Freigänger nicht pflichtkastrieren lassen wollen, könnten klagen. Denn eine Zwangskastration stellt einen Eingriff ins Eigentumsrecht dar. Das Thema steht deshalb weiterhin nicht auf der Agenda des Stadtparlaments.
Allerdings wundert sich nicht nur Kristina Stumpf: "Es gibt allein in Deutschland fast 1100 Städte und Gemeinden mit Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen. Diese Kommunen haben alle keine Bedenken", merkt sie an. "Auch einen Rechtsstreit mit Tierhaltern hat es bisher nirgendwo gegeben".