Über "dabbische" Einstiege und technische Mängel
Wechsel von DB Regio zu Abellio mit großen Startschwierigkeiten - Ein Erfahrungsbericht

Von Vanessa Dietz
Heidelberg. Auf der Strecke Stuttgart-Mannheim sind sie erst seit wenigen Tagen im Einsatz, haben aber schon jetzt für ratlose und verärgerte Gesichter an den Bahnhöfen gesorgt – die gelb-weiß-schwarzen Züge der Abellio GmbH, die seit 15. Dezember den Regional-Express durch das Neckartal bedienen und täglich Tausende Pendler von A nach B bringen.
Das Verkehrsministerium hatte bereits 2017 Bahnfahrenden "moderne und barrierefreie Neufahrzeuge" mit Verbesserungen und "attraktiven Angeboten" in Aussicht gestellt und von einem "Meilenstein in der Entwicklung" gesprochen.
Einige RNZ-Leser berichten das Gegenteil. Sie beschrieben Ausfälle, Verspätungen und technische Mängel. Eine Pendlerin macht auf völlig überfüllte Züge zwischen Heilbronn und Stuttgart aufmerksam, bei denen einem "die Luft zum Atmen" wegbleibe. Die RNZ nahm dies zum Anlass, mit dem neuen gelben Flitzer zu fahren. Ein Erfahrungsbericht.
Hintergrund
> Neue Züge, neue Strecken: Abellio hat zum 15. Dezember die Linien RE 10 a/b und RB 18 von Stuttgart über Heilbronn und Heidelberg nach Mannheim beziehungsweise Osterburken übernommen. Aufgrund eines Lieferverzugs des Fahrzeugherstellers Bombardier sind auf den Strecken
> Neue Züge, neue Strecken: Abellio hat zum 15. Dezember die Linien RE 10 a/b und RB 18 von Stuttgart über Heilbronn und Heidelberg nach Mannheim beziehungsweise Osterburken übernommen. Aufgrund eines Lieferverzugs des Fahrzeugherstellers Bombardier sind auf den Strecken in den ersten Wochen und Monaten nicht nur neue, sondern auch geliehene Züge unterwegs.
Preisunterschiede zwischen den Tickets von Abellio und der Deutschen Bahn gibt es nicht. Es gilt jeweils der bekannte Bahntarif mit all seinen Angeboten. Das ist auch beim weiteren privaten Anbieter Go Ahead so, der seit einer Woche die Frankenbahn von Stuttgart in Richtung Würzburg bedient. Abellio-Pendler berichten von zu kurzen oder unpünktlichen Zügen.
Besser läuft es offenbar bei der S-Bahn Rhein-Neckar. Dort sind auf einzelnen Verbindungen zwischen Heidelberg und Karlsruhe mit vielen Pendlern seit Mitte Dezember zum Teil deutlich mehr Sitzplätze vorhanden. alb
Feierabend! Am Heidelberger Hauptbahnhof herrscht reges Treiben. Tausende Reisende, Pendler, Arbeiter und Sicherheitsbeamte wuseln durch den Bahnhof. Ich sehe mich um. An Gleis 4 treffe ich auf einen Service-Mitarbeiter der Deutschen Bahn, der – wie er erzählt – nur zufällig hier stehe. Eigentlich dürfe er hier nicht sein, denn in nur wenigen Minuten fahre an diesem Gleis eine Abellio-Regionalbahn in Richtung Stuttgart ein. Dann hieße es Abstand halten und ja nicht eingreifen – nicht mal dann, wenn ein Rollstuhlfahrer beim Einsteigen um Hilfe bittet.
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Der Mann berichtet, ihm sei untersagt worden, jegliche Knöpfe zu drücken, um Hilfspersonal zu holen, das laut dem Betreiber Abellio in jedem Zug mitfahren soll. "Anweisung von oben", sagt der Mann. Auch wenn ihm es schwerfallen würde, sie einzuhalten. "Wenn ich einem Rollstuhlfahrer beim Einsteigen helfen würde und kein Personal im Zug ist, kommt die Person vielleicht nicht mehr von alleine wieder aus dem Zug." Daher laute die Devise: "Lieber nichts machen."
Abellio wirbt auf seiner Homepage mit Service-Personal, das körperlich eingeschränkten Menschen beim Ein- und Aussteigen helfen soll. Nur davon ist weit und breit niemand zu sehen, als die Regionalbahn in Richtung Stuttgart zum Stehen kommt. Auf Nachfrage beim Lokführer bestätigt sich die Beobachtung: Zumindest in diesem Zug nach Stuttgart fehlt der versprochene "Mobilitätsservice". Der Mitarbeiter der Deutschen Bahn erklärt: "Wenn einer von Abellio krank wird, können die so schnell keinen Ersatz auftreiben." Es fehle insgesamt an Personal.
Die zur niederländischen Abellio-Gruppe gehörende Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH verweist auf Nachfrage der RNZ auf ihre "nahezu hundertprozentige Begleitquote", bestätigt aber gleichzeitig die Aussage des DB-Mitarbeiters: Wenn Mitarbeiter kurzfristig ausfielen, gäbe es keinen Ersatz. Dann müsse der Triebfahrzeugführer zur Hilfe eilen.

Zurück nach Heidelberg. Wenig später komme ich mit einem Pendler ins Gespräch, der nahezu täglich mit dem Regional-Express um 6.29 Uhr von Meckesheim nach Heidelberg und nachmittags wieder zurückfährt. Mit dem neuen Fahrplan und den Abellio-Zügen habe er bisher keine guten Erfahrungen gemacht. "An vier Tagen kam meine Verbindung einmal pünktlich", berichtet er. Schlimmer sei aber der tiefe Einstieg in den Zug. "Absolut dabbisch!", sagt der Mann, schnappt sein Fahrrad und steigt hinab in den gelben Koloss.
Auch ich sitze mittlerweile im Zug mit Kurs auf Heilbronn. Abellio präsentiert sich modern. Die Abteile sind hell beleuchtet, die Sitze neu und sauber. Überhaupt fühle ich mich hier sehr wohl und sicher. An den Seiten sind Steckdosen angebracht, an denen bereits Geschäftsleute und Smombies mit ihren Laptops, Telefonen und Ladekabeln breitgemacht haben. Begehrte Plätze, um die sich viele reißen.

Als ich den Kontrolleur im Gang sehe, frage ich mich, ob mein Jobticket und das Anschlussticket, das für die Strecke ab Bad Friedrichshall benötigt wird, auch nach dem Wechsel von DB Regio zu Abellio gültig ist. Ja, ist es. Abellio erkennt alle bestehenden Tarife ohne Einschränkungen an. Der Betreiberwechsel hat also keine Auswirkungen auf die Tickets.
Meine Aufmerksamkeit gilt weiterhin dem Service-Personal, das nun einer Reisenden erklären muss, warum die Toiletten in allen Abteilen verschlossen sind. "Soll ich jetzt auf den Boden pinkeln oder was?", sagt sie. Der Grund: "Noch nicht geprüfte Wasserproben in den Kabinen." Die Frau scheint sichtlich verärgert. Auf meine Frage, wer für die Wasserproben zuständig sei, lautet die Antwort des Abellio-Mitarbeiters: "Fragen Sie doch mal Frau Merkel."
Abellio gibt auf Nachfrage technische Mängel zu, gibt aber Ursachen wie "unsachgemäße Benutzung der Toiletten und mutwillige Verstopfungen und Beschädigungen" von Bahnreisenden an. Insgesamt seien derzeit nur sechs Fahrzeuge des Herstellers Bombardier im Einsatz. Die restlichen bestellten Züge ließen nach wie vor auf sich warten. Wenn defekte Fahrzeuge zur Instandhaltung weggeschickt werden müssten, fehle der Ersatz.

Auf meiner Fahrt nach Heilbronn lerne ich Natalie Leis aus Bad Rappenau und Thomas Laubner aus Heppenheim kennen. Leis sitzt im Rollstuhl. Sie erzählt mir, dass spontanes Reisen ohne die Hilfe ihres Partners oder des Service-Personals nicht möglich sei. Vor allem an den Bahnhöfen in Mannheim und Heidelberg komme sie ohne Rampe nicht in den Zug. Ich erinnere mich an das Gespräch mit dem auskunftsfreudigen Deutsche Bahn-Mitarbeiters. "Vor dem Betreiberwechsel waren die Bahnsteige in Heidelberg ebenerdig, in Mühlacker dafür nicht. Jetzt ist es genau andersrum", sagte er. Wie Abellio mitteilt, seien die eingesetzten Neufahrzeuge für eine Steighöhe von rund 55 Zentimeter ausgelegt. Insgesamt gäbe es aber im Netz bis zu vier verschiedene Höhen.
Mein Blick schweift nach draußen. Die Bahn hat gerade den Halt Sinsheim-Steinsfurt passiert. Ungefähr an der Stelle, als am Tag zuvor meine Verbindung einen außerplanmäßigen Halt eingelegt hatte. Mitten im Nirgendwo – irgendwo zwischen Sinsheim und Bad Rappenau. Die Durchsage des Bahnfahrers war leider kaum zu verstehen. Man konnte die Hiobs-Botschaft nur erahnen. Verspätung. Mal wieder.
An diesem Tag kommt die Bahn aber pünktlich. Ich bin positiv überrascht. Vor allem aber über die Freundlichkeit und Geduld des Abellio-Personals. Beim Halt in Bad Rappenau beobachte ich, wie der Rollstuhlfahrerin Natalie Leis gleich zwei Mitarbeiter beim Aussteigen helfen. Und das, obwohl der Bahnsteig hier ebenerdig ist. Auch wenn Abellio mit großen Startschwierigkeiten zu kämpfen hat, habe ich das Gefühl, man ist gewillt, die Probleme in den Griff zu bekommen und allen Reisenden die Fahrt so angenehm wie möglich zu machen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.