Erfolgsgeschichte mit drei Schönheitsfehlern
Die Organisatoren der Bundesgartenschau ziehen ein fast durchweg positives Halbzeitfazit. Fast 75 Prozent der Besucher wollen wiederkommen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. An der Unterwasserwelt im Luisenpark wird immer noch gearbeitet, das Ufer am renaturierten Neckar ist längst nicht grün und der Wasserstand im künstlichen See in der Feudenheimer zu niedrig – drei Schönheitsfehler bei der Bundesgartenschau. Das kann die Freude der Macher zur Halbzeit des Großevents aber nicht trüben. Die Zahlen sind nicht nur gut, sondern haben in manchen Bereichen die Erwartungen sogar deutlich übertroffen. Bei einer Pressekonferenz nach den ersten 89 Tagen hat Geschäftsführer Michael Schnellbach eine positive Zwischenbilanz gezogen.
> Die Gäste: Knapp 1,21 Millionen Menschen sind seit dem Start der Buga in den Luisen- und den Spinelli-Park geströmt. Das Ziel sind 2,1 Millionen Gäste. Was Schnellbach besonders freut: Knapp ein Drittel der Besucherinnen und Besucher waren das erste Mal überhaupt bei einer Bundesgartenschau. Die über 80.000 Dauerkartenbesitzer kamen im Schnitt schon vier bis fünf Mal auf die Gelände.
Schnellbach und sein Team hatten sich vorgenommen, den Altersschnitt im Vergleich zu anderen Bugas zu senken. Das scheint bislang gelungen: 20 Prozent der Besucher sind bis 25 Jahre alt, 30 Prozent 60 Jahre und älter. Die meisten Gäste stammen aus Mannheim, insgesamt 37 Prozent. Ein Viertel reiste aus Baden-Württemberg an und 35 Prozent aus anderen Bundesländern.

> Die Anreise: Ganz im Sinne des Nachhaltigkeitsanspruchs der Buga nahm nur 34 Prozent der Besucher – überwiegend aus einem Radius von zwei Stunden – das Auto, knapp die Hälfte dagegen den öffentlichen Nahverkehr. "Darauf können wir richtig stolz sein", so Schnellbach. "Wir bieten viele Angebote, um ohne Auto anzureisen, zum Beispiel die kostenlose Fahrt im VRN-Gebiet mit unseren Tageskarten oder das Baden-Württemberg-Ticket, in dem der Eintritt für die Buga eingepreist ist." Immerhin fast jeder Fünfte radelte zum Luisen- oder Spinelli-Park.
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> Die Besucherinteressen: Die Gäste kommen aus unterschiedlichen Motiven. Sie gaben bei einer Befragung das Erleben von Pflanzen und Landschaftsgestaltung, Interesse an Öko- und Klimaschutzthemen oder Neugierde auf die Entwicklung des ehemaligen US-Militär-Areals Spinelli an. Publikumsliebling Nummer eins ist erwartungsgemäß die Seilbahn, die Schnellbach als "technisches Maskottchen" der Buga bezeichnet.
Insgesamt 1,4 Millionen Fahrten haben die Gondeln bisher von Spinelli zum Luisenpark und in umgekehrte Richtung hinter sich gebracht. "Großes Lob", so der Geschäftsführer, haben auch die ansprechenden Garten- und Blumenschauen eingeheimst. Die Neue Parkmitte im Luisenpark mit begehbarer Vogelvoliere und einladender Außenterrasse sowie die Spielplätze an der Parkschale Käfertal auf Spinelli kommen bei den Gästen ebenfalls gut an.
> Die Resonanz: Rund fünf bis sechs Stunden verbringen die Besucher durchschnittlich auf der Buga, davon zwei bis drei Stunden im Luisen- und knapp vier Stunden im Spinelli-Park. Aber nicht nur das Sommerfest, sondern auch die Gastgeberstadt Mannheim wird von den Befragten als sehr positiv eingestuft. Der Großteil der Besucher nimmt die Kurpfalzmetropole als gastfreundlich und grün wahr.
Drei Viertel der Gäste von auswärts wollen in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder nach Mannheim kommen, fast alle empfehlen ihren Freunden und Bekannten die Buga weiter. Am Wochenende wird der 2023. Reisebus erwartet. Über die Tourismus-Gesellschaft sind 2300 Buga- und 800 Stadtführungen (über das ganze Jahr 2022 waren es 564) gebucht worden. Gute Nachrichten auch für die Gastronomie: Eine Mehrheit der Gäste findet das Preisleistungsverhältnis gut oder "in Ordnung".

> Die Übernachtungszahlen: Für Wirbel sorgte kurz vor der Pressekonferenz am Mittwochmittag eine Meldung der Deutschen Presse Agentur (dpa). Darin wurde der Heidelberger Hotelier und Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Rhein-Neckar, Maik Neuhaus, mit dem Satz zitiert: "Wir merken schon die eine oder andere Belegung im Zusammenhang mit der Buga, aber von einer Explosion der Gästezahlen kann man nicht sprechen."
Schnellbach ärgert sich: Im Mai hätten die Hotels in Mannheim 174.400 Übernachtungen gezählt – über 20 Prozent mehr im Vergleich zum "Rekordjahr" 2019. Der Buga-Chef verweist zudem auf den Schwetzinger Oberbürgermeister René Pöltl: Danach gebe es in der Spargelstadt ein Hotel, das 10.000 Übernachtungen in Zusammenhang mit der Bundesgartenschau registrierte.
> Die Finanzen: Laut der kaufmännischen Leiterin, Miriam van Hazebrouck, sollen die Kosten für die Schau in Höhe von rund 60 Millionen Euro unter anderem durch Eintrittsgelder, Spenden und einen städtischen Zuschuss hereingeholt werden. Bislang wurden 33 Millionen Euro eingenommen. Ziel ist am Ende eine "schwarze Null". Ausstellungschef Hans- peter Fass macht sich etwas Sorgen wegen der Hitze im heißen Mannheim, die Menschen von einem Besuch, vor allem auf dem weitläufigen Spinelli-Areal, abhalten könnte.
> Die Probleme: Die Renaturierung des Neckars ist zwar kein Projekt der Buga, wird aber von deren Trägergesellschaft verantwortet. Statt auf viel Grün am Ufer, blicken die Besucher auf die Spuren der Baggerarbeiten. Eine braune Landschaft. Christian Lerch, Leiter für Parkanlagen und Infrastruktur bei der Buga GmbH, erklärt die Verzögerungen mit überraschend hohen Pegeln im Fluss und, in der Folge, notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen, die aktuell noch laufen. Die eingestreute Wiesenmischung brauche Zeit. Irgendwann im nächsten Jahr soll das Ufer grün sein.
Der künstliche See in der Feudenheimer Au gegenüber des Spinelli-Geländes leidet dagegen unter "Niedrigwasser". Die im Landschaftsschutzgebiet vorkommenden Tone sind sehr sandig, und insbesondere im Süden sei das Fließgewässer an einigen Stellen nicht dicht, erläutert Lerch. Das ins Fließgewässer eingeleitete Wasser versickere daher wieder im Grundwasser. Das "Drama" um die Unterwasserwelt geht indes weiter.
Erst sollte sie pünktlich zum Beginn der Buga eröffnet werden, dann im Mai, später im Juni, und jetzt ist es auch schon wieder Mitte Juli. Grund waren zunächst Lieferschwierigkeiten, dann Mängel bei der Beschichtung der 18 Aquarien, schließlich für Fische toxische Salze im Wasser. Die Becken werden im Moment ausgespült, anschließend die Pflanzen eingesetzt. Und dann kommen die Fische. Neuer geplanter Starttermin: Mitte bis Ende August.
Buga in Zahlen
> 2944 Veranstaltungen haben an den ersten 89 Tagen schon stattgefunden.
> Fast 81.000 Dauerkarten sind bisher verkauft worden, insgesamt über 765.000 Tickets.
> Über 600 Beschäftigte arbeiten täglich auf beiden Geländen.
> 10 Blumenhallenschauen fanden bereits in der U-Halle im Spinelli-Park statt, neun weitere folgen bis Anfang Oktober.
> 13 Rosenneuheiten wurden auf der Buga vorgestellt, eine erhielt den Namen "Spinelli".
> 181 Ausstellerinnen und Aussteller haben sich an den bislang stattgefundenen Wettbewerben beteiligt.
Bunte Blumenschauen auf beiden Geländen
Zu den gärtnerischen Höhepunkten der Buga zählte der Frühjahrsflor im Spinelli-Park und sorgte für ein farbenfrohes Eldorado. Mittlerweile steht der Sommerflor in der Blüte und wird täglich schöner. Über fünf Wochen haben rund 50 Gärtnerinnen und Gärtner 110.000 Pflanzen eingesetzt. Daneben liegt der Fokus aktuell auf Schnitt und Pflege der 4400 Rosen. Durch den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel ist hier viel Handarbeit nötig.
Auch die Arbeiten am nächsten floralen Glanzlicht laufen gerade an: Die Dahlien werden "gestäbt", um sie vor Wind und Wetter zu schützen. Zu Beginn des Augusts erwarten die Verantwortlichen, dass die Blumen in voller Blüte stehen. Anfang September ist dann noch die Herbstbepflanzung der Friedhofsgärtner geplant. Im Luisenpark entwickeln sich die Staudenbeete nahe dem Haupteingang prächtig, und neben den Seerosen, die allesamt schon blühen, stehen aktuell die Hortensien in voller Blüte. Der neu angelegte Hortensiengarten ist am Fuß des Fernmeldeturms gelegen und bietet einige schattige Sitzplätze.
Was in den kommenden Monaten bei der Buga geboten wird
"Kultur zieht", sagt Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach. Inzwischen sind mehr als 10.000 Sitzplatzreservierungen für Veranstaltungen auf der Hauptbühne eingegangen. In den kommenden Wochen stehen dort die Auftritte von Hochkarätern wie Bülent Ceylan – der Ende Juli gleich zwei Mal bei der Bundesgartenschau gastiert –, Schlagersängerin Beatrice Egli, Lokalmatador Laith Al-Deen, Rapper GreeeN und DJ Dominik Eulenberg an.
Anfang September findet in Kooperation mit dem Projekt #17Ziele von Engagement Global das "Green Talents Festival" auf der Seebühne im Luisenpark statt. Es bietet 48 Bands aus ganz Deutschland ein Umfeld, bei dem sich alles um ökologische Standards im Pop-Business dreht. Auch gibt es weitere Auftritte im "Jazz-Club" des Luisenparks.
Ein Friedens- und Bergfest im Zeichen der deutsch-ukrainischen Freundschaft wird am Dienstag, 18. Juli, gefeiert. Dann ist eine Delegation aus Mannheims Partnerstadt Czernowitz im Spinelli-Park zu Gast. In diesem Rahmen wird auch das Theaterstudio Gerdan auftreten, das für seine außergewöhnlichen Interpretationen von Riten, Bräuchen und Traditionen der Ukraine bekannt ist.




