Asylnetzwerk hält Bürgerbegehren für Erpressung
Das Vorgehen der Stadtverwaltung wird von der Bürgerinitiative kritisiert - Der Bürgerdialog geht in die heiße Phase

Das Hockenheimer Rathaus. Foto: Reinhard Lask
Hockenheim. (hab/sbl) So langsam spitzt sich die Angelegenheit zu. Nach zwei Bürgerdialogen zum Thema "Sozialer Wohnraum" in der Hockenheimer Stadthalle, einer Online-Befragung und dem einstimmigen Beschluss des Gemeinderats, die neun Kriterien für die Bewertung der Standorte anzuwenden, die für eine Bebauung in Frage kommen, wird am Mittwoch, 21. November, 19 Uhr, in der Stadthalle der dritte und abschließende Bürgerdialog stattfinden.
Dort soll eine ausgewogene Beurteilung der Standorte erfolgen. Das Ergebnis der Veranstaltung wird dann dem Gemeinderat zum endgültigen Beschluss vorgelegt. Das Gremium behält also trotz allem das letzte Wort. In der Bürgerschaft prallen vor allem die Interessen der Bürgerinitiative BIT Hockenheim und die des örtlichen Asylnetzwerks aufeinander. Als Dachorganisation der einzelnen Bürgerinitiativen, die sich Anfang des Jahres an den vier ursprünglich angedachten Standorten Birkenallee, Eichendorffplatz, Hubäckerring und Zähringer Straße gebildet hatten, stellt sich die BIT vehement gegen eine Bebauung. "In der Initiative sind viele ältere Leute, die ihr Leben lang in Hockenheim an den besagten Standorten gewohnt haben. Die wollen keinen Kulturkonflikt", sagte Wolfram Ritter, Sprecher der BIT, gegenüber der RNZ. Die BIT befürchtet, dass sich hinter dem Begriff "Sozialer Wohnraum" vor allem die Anschlussunterbringung von Geflüchteten verbirgt. Man gehe davon aus, so Ritter, dass kaum Flüchtlingsfamilien, sondern überwiegend einzelne Männer aus anderen Kulturkreisen die geplanten Gebäude in Anspruch nehmen werden.
In ihrer offiziellen Stellungnahme hält die Stadt dagegen, dass über die Geflüchteten, die möglicherweise untergebracht werden sollen, keine seriöse Aussage getroffen werden könne, weil die Personen noch gar nicht bekannt seien. Außerdem betont Oberbürgermeister Gummer immer wieder, dass der Wohnraum auch den rund 123 Obdachlosen, die sich - Stand 1. September - in Hockenheim befinden und weiterhin den finanziell schwachen Bürgern zur Verfügung stünde. Für Ritter sind das "fadenscheinige Mitargumente".
Auch deshalb gebe es keine Bedingungen, unter denen die BIT einer Bebauung der vier Standorte zustimmen könnte, sagte er weiter. Zwar wolle man weiterhin mit Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Gummer "im Gespräch" bleiben, warte allerdings die Ergebnisse des dritten Bürgerdialogs ab. "Wenn von oben herab etwas bestimmt wird, sind wir für ein Bürgerbegehren bereit." Die BIT hat seit Beginn einen Fachanwalt für den Prozess hinzugezogen und sei "nun so weit, mit der Unterschriftensammlung zu beginnen".
Die Vorbereitungen für ein Bürgerbegehren kritisierte das Asylnetzwerk in einer Mitteilung scharf als "plumpen Erpressungsversuch der BIT gegenüber der Stadtverwaltung" und als "pseudo-juristisches Schaulaufen". Ein Bürgerbegehren sei eines der wichtigsten direktdemokratischen Verfahren und aus diesem Grund vor Missbrauch geschützt. Das Netzwerk wirft dem BIT vor, "zum Schutz privater Interessen einiger Immobilienbesitzer" mit einem Bürgerbegehren zu drohen und bezichtigte das Vorgehen als Missbrauch. Außerdem würde durch dieses Vorgehen eine Bebauung allenfalls verzögert, aber nicht verhindert.
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Das Thema "Sozialer Wohnraum" wird in Hockenheim in diesem Jahr heiß diskutiert. Zum ersten Bürgerdialog im Juni hatten sich rund 300 Hockenheimer aufgemacht. Insgesamt 117 Bürger hatten sich danach an einer anonymen Online-Befragung mit über 1000 Einwendungen und Vorschlägen beteiligt.
Zum zweiten Bürgerdialog kamen noch einmal rund 150 Hockenheimer in die Stadthalle. "Wir freuen uns, dass so viele Menschen und Vertreter der Bürgerinitiativen am Bürgerdialog teilnehmen. Die Einschätzung der Standorte ist Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft", sagt Christian Stalf von der Stadtverwaltung. "Es wird niemand bevorzugt. Vielmehr entwickeln alle gemeinsam eine tragfähige Lösung für die Zukunft." Im dritten Bürgerdialog wird sich zeigen, ob man alle Interessen unter einen Hut bekommt.



