Mannheimer Busse und Bahnen sind voller geworden
Ob sich der Bund nach 2020 weiter engagiert, ist nach wie vor offen

Straßenbahnen und Busse, wie hier am Hauptbahnhof, sind zu rund sechs Prozent mehr ausgelastet. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Seit 1. Januar gehört Mannheim zu den bundesweit fünf Modellstädten, in denen getestet wird, wie sich die Stickoxid-Belastung in der Luft senken lässt. Am Dienstag hat die Stadt eine weitere Zwischenbilanz gezogen, die zwar noch Unschärfen habe, so Erster Bürgermeister Christian Specht. "Aber eine Tendenz ist erkennbar."
Damit möglichst viele Menschen in Mannheim und auch Ludwigshafen auf den umweltfreundlichen Nahverkehr umsteigen, sind die Ticketpreise um rund 30 Prozent gesenkt worden. Das hat zu dem wenig überraschenden Ergebnis geführt, dass Busse und Straßenbahnen im ersten Halbjahr voller geworden sind. Specht nannte für Mannheim 38 Millionen Fahrten, das sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2,1 Millionen oder knapp sechs Prozent mehr. Ludwigshafen habe nur ein Plus von 2,7 Prozent verbucht. Der Teufel steckt allerdings im Detail. "Wir haben noch nicht ausgewertet, wer genau die günstigeren Green-City-Tickets nutzt", sagte Specht.
Möglicherweise gebe es mehr Umsteiger, also Autofahrer, die das Nahverkehrsangebot bislang kaum oder gar nicht genutzt haben. Es könne aber ebenso sein, dass Bus- und Bahnfahrer noch häufiger die öffentlichen Verkehrsmittel genommen haben. "Auch Baustellen oder das Wetter haben vielleicht eine Rolle gespielt", mutmaßte der Bürgermeister.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Nachfrage bei regulären Tages- und Wochenkarten ohne Öko-Vergünstigung zurückgegangen ist. Wobei aus Sicht von Specht die Ticketpreise nicht das entscheidende Kriterium ist. "Wenn die Menschen nur darauf achten würden, dann müsste ja jeder Fahrer eines Mittelklassewagens sein Auto stehen lassen, weil der Nahverkehr wesentlich günstiger ist", sagte der Bürgermeister. "Nein, wir müssen das Angebot verbessern." Tarifanpassungen brächten immer auch starke Mitmacheffekte.
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Potenzielle Kunden wollten verlässliche, gut getaktete Verbindungen auf der einen, saubere, nicht zu volle und moderne Fahrzeuge auf der anderen Seite. Bestätigt wird Specht durch den Erfolg einer sogenannten Verdichtungslinie zwischen der S-Bahn-Station an der SAP Arena und dem Bahnhof Waldhof. Seitdem dort die Busse im Zehn- statt im 20-Minuten-Takt verkehren, ist die Zahl der Passagiere von täglich 7000 auf 9000 gestiegen.
Eine neue Buslinie zwischen Popakademie und Hochschule mit Haltestellen an der Universität und dem neuen Wohn- und Gewerbegebiet Glücksteinquartier ist bereits in Planung, wie Martin in der Beek, Geschäftsführer der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV), ankündigte.
Die Verkehrswende und der Abschied von lieb gewordenen Gewohnheiten bräuchten Zeit, sagte Specht. Er freute sich über 100 Mannheimer Unternehmen, die im Rahmen der "Modellstadt" das Job-Ticket neu anbieten. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, die das Angebot nutze, liege mit 25 Prozent aber unter derer bei Firmen, die schon länger dabei sind. Specht wünscht sich, dass noch mehr Arbeitgeber mitmachen. Angesichts von 110.000 Einpendlern in Mannheim sieht er deutlich Luft nach oben.
Volkhard Malik, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN), kündigte indes ein weiteres Jobticket-Modell an. Bislang ist es so: Ein Arbeitnehmer, dessen Unternehmen keine Vereinbarung mit der VRN getroffen hat, zahlt rund 80 Euro für seine Rhein-Neckar-Monatsfahrkarte. Entscheidet sich nun ein Unternehmen dafür, das Jobticket anzubieten, dann kann der Mitarbeiter dieses für rund die Hälfte erstehen.
Künftig sollen die Arbeitgeber dann aber die Differenz zwischen Rhein-Neckar- und Job-Ticket zahlen. Aber eben auch nur für die tatsächlichen Nutzer und nicht mehr in Form eines Pauschalbetrags für die gesamte Belegschaft. "Wir können auf dieses Geld nicht verzichten", sagte Malik. Zumal die "Modellstadt" Ende nächsten Jahres ausläuft. Und, wie Spechts Team im Rathaus errechnet hat, steigende Fahrgastzahlen ohne die Bundesmittel die Mindereinnahmen nicht ausgleichen können.
Fraglich ist, wie es dann weitergeht. "Das wird sehr interessant. Entscheidend wird die Antwort auf die Frage sein, wer für die ab 2021 wegfallenden Bundeszuschüsse aufkommt. Wir haben ja nichts zu verschenken", betont Malik. Indes konnte Specht keine Angaben dazu machen, wie sich der Modellversuch bislang auf die Stickstoffbilanz in Mannheim ausgewirkt hat. "Das will der Bund bekannt geben", sagte der Bürgermeister.
Wer noch ein Green-City-Jahresticket für Mannheim und Ludwigshafen erstehen will, muss sich ranhalten. Das Angebot für 2020 gilt nur noch bis Ende Dezember.