Nabu kritisiert "Falschinformationen"
Bauern würden nicht zum Biolandbau gezwungen

Seit Ende September sammeln Umweltschützer - wie hier der Nabu in Mosbach - Unterschriften für das Volksbegehren. Foto: zg
Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar.
Das Öko-Volksbegehren polarisiert und erhitzt die Gemüter. Während viele Landwirte die Initiative ablehnen, sieht Christiane Kranz, Geschäftsführerin des Naturschutzbunds (Nabu) Rhein-Neckar-Odenwald, darin "eine einmalige Chance, endlich einen großen Schritt für den Artenschutz im Land zu machen".
Schon seit 24. September sammeln Umweltschützer Unterschriften. Unterschreiben kann jeder, der mindestens 18 Jahre alt und Deutscher ist sowie seinen Hauptwohnsitz seit drei Monaten in Baden-Württemberg hat. Von kommenden Freitag bis 17. Januar nächsten Jahres liegen Unterschriftenlisten auch in Rathäusern und Bürgerämtern aus. Das Volksbegehren braucht insgesamt mindestens 770 000 Unterstützer, um erfolgreich zu sein.
Die bisher von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen sind aus Nabu-Sicht ein erster Impuls – um den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, müsse landesweit aber "sehr viel mehr passieren", sagt Kranz. Den alternativen Gesetzesvorschlag, auf dessen Eckpunkte sich das grün-schwarze Kabinett am gestrigen Dienstag einigte, will sie sorgfältig mit ihren Mitstreitern prüfen. Bis dahin ändere sich nichts an der Haltung des Nabu. Scharf kritisiert Kranz die Bauernverbände, die "Falschinformationen" verbreiteten und "den Teufel an die Wand malten".
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Bereits heute seien in Baden-Württemberg rund 40 Prozent der heimischen Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. "Durch das Volksbegehren erhalten dringend benötigte Maßnahmen einen Gesetzescharakter und werden dadurch verbindlich", erklärt Kranz.
Weg mit den Pestiziden
Sie ärgert sich über "viele unwahre Behauptungen", die in Bezug auf das Instrument der direkten Demokratie kursierten, und zählt vier "Mythen" auf. Falsch sei, dass das Volksbegehren auch für Biobauern jeglichen Pflanzenschutz verbiete. Vielmehr soll die Landesregierung außerhalb von Schutzgebieten dazu verpflichtet werden, über Förderprogramme und positive Anreize die Landwirte dabei zu unterstützen, freiwillig auf Pestizide zu verzichten. "So sollen bis 2025 nur noch halb so viele Flächen wie heute im Land – auch die kommunalen und industriellen – mit den Schadstoffen belastet sein und ökologisch bewirtschaftet werden", sagt Kranz. In Schutzgebieten sollen hingegen schärfere Bestimmungen gelten. Und keine für Tiere und Pflanzen gefährlichen Pestizide mehr ausgebracht werden. Viele harmlose Mittel des Öko-Landbaus sollen weiter eingesetzt werden dürfen, bekräftigt die Nabu-Geschäftsführerin. Sie könnten von den Behörden auf sogenannten Positiv-Listen veröffentlicht werden. "Dann bräuchte kein Landwirt extra Anträge zu stellen", so Kranz.
Ebenfalls ein Mythos sei, dass das Volksbegehren die Bauern zur Öko-Landwirtschaft zwinge. "Die Landesregierung muss aber eine bessere Förderstrategie für den Biolandbau verfolgen und soll ihn so attraktiv machen, damit möglichst viele Landwirte freiwillig umsteigen", sagt Kranz. Auch sollen Bio-Produkte aus Baden-Württemberg besser vermarktet und in Kantinen und Mensen eingesetzt werden. Dass das Volksbegehren einen Gegensatz zwischen dem Wohl der Bienen und den Interessen der Bauern konstruiere, ist für Kranz der dritte Mythos. Seit Jahrzehnten kooperiere der Nabu bei Projekten im ganzen Land mit Landwirten, um den Artenreichtum auf Äckern und Flächen zu erhalten.
Zugleich zwinge die bisherige Förderpolitik den Bauern eine ungesunde Intensivierung – sprich: möglichst viel Ertrag – auf, unter der die Biodiversität zugrunde gehe. Und nicht nur das: Seit dem Ende der 90er-Jahre habe sich die Zahl der kleinen und mittleren Landwirtschaftsbetriebe in Baden-Württemberg halbiert. "Ohne die stirbt aber auch die Artenvielfalt", befürchtet die Nabu-Geschäftsführerin. Dagegen müssten Bauern und Naturschützer etwas tun. "Und zwar gemeinsam", so Kranz.
Schließlich Mythos Nummer vier: Das Volksbegehren richte sich einseitig nur gegen die Landwirte. Dies ist laut Kranz ebenso falsch. Vielmehr fordere das Begehren eine flächendeckende, planerische Sicherung der Biotopverbundflächen. "Dadurch wird verhindert, dass wichtige Vernetzungskorridore für Tier- und Pflanzenarten mit Wohn- und Gewerbegebieten überplant werden", sagt Kranz und nennt den geplanten Flächennutzungsplan im Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim als Negativbeispiel.
Zudem sollen durch das Volksbegehren die Streuobstwiesen vor einem weiteren Flächenverbrauch bewahrt werden. "Sie sind wichtige Biotope, Grüngürtel und Naherholungsflächen für unsere Städte und Gemeinden", erklärt Kranz. Die staatliche Förderung zur Bewirtschaftung dieser Wiese werde – anders als manche Bauern behaupteten – sogar höher ausfallen als bisher, da geschützte Biotope unter eine andere Förderrichtlinie fielen.