OB-Wahl Heidelberg - Portrait

SPD-Kandidat Sören Michelsburg ist der hoffende Dritte (plus Video)

Athlet, Hobbykoch, Christ: Michelsburg hat bei der OB-Wahl wohl nur eine Außenseiterchance. Die will er aber nutzen.

27.08.2022 UPDATE: 27.08.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 38 Sekunden
Ende der Odyssee durch Handschuhsheim: Statt Mittagessen im Restaurant gab es ein Eis im Grahampark. Foto: Philipp Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Plötzlich ist der Weg von einer Wasserfontäne versperrt. Mitten im Handschuhsheimer Feld "regnet" es auf den Weg. Ein Gärtner bewässert sein Gemüse – und die Umgebung. Sören Michelsburg überlegt kurz. Dann geht er in seinem weißen Hemd einfach durch. "Tut gut", sagt er, "und bis der Fotograf kommt, ist das wieder trocken."

Es ist heiß, als sich die RNZ an einem Donnerstagmittag mit Michelsburg zum Spaziergang trifft. Der Oberbürgermeisterkandidat der Sozialdemokraten hat sich das Feld als Ort ausgesucht, seine Joggingstrecke. Mehrmals in der Woche sei er hier abends oder früh morgens unterwegs – wenn die Sonne nicht so brennt und er für den nächsten Triathlon trainiert.

Auf dem rund zweistündigen Spaziergang begegnet er dennoch niemandem, den er kennt. Das dürfte vor allem an der Hitze liegen. Kaum jemand ist unterwegs. Dass auch die wenigen Passanten ihn nicht grüßen, hat aber wohl einen anderen Grund: Michelsburg ist zwar Kreisvorsitzender der SPD, Vizefraktionssprecher im Gemeinderat und OB-Kandidat – eigentlich ein lokalpolitisches Schwergewicht. Doch im Vergleich zu seinen wichtigsten Konkurrenten, OB Eckart Würzner und Ministerin Theresia Bauer, ist er kaum bekannt.

Der gebürtige Reutlinger steht irgendwo in der Mitte: Als Bewerber der SPD, die in Heidelberg jahrzehntelang den OB stellte, ist er kein "kleiner" Kandidat. Im Vergleich zu den Politprofis Bauer und Würzner aber auch kein "großer". Das weiß auch der 33-Jährige, wie er beim Spazieren zwischen Tomaten, Gewächshäusern und Eseln zugibt. Von einer Kandidatur hielt ihn das nicht ab: "Ich bin noch zu keiner Wahl angetreten, weil ich dachte, dass das ausgemachte Sache ist."

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So sei es auch gewesen, als er 2019 für den Gemeinderat kandidierte. Nachdem er fünf Jahre im Handschuhsheimer Bezirksbeirat gesessen und sich vor allem in den Masterplan für das Neuenheimer Feld eingearbeitet hatte, wollte er in das Gremium wechseln, das darüber entscheidet. Er kam auf Platz fünf der SPD-Liste. "Dass man den als junger Bewerber hält, ist vorher auch nicht klar." Michelsburg schaffte es.

Nun hofft er auf den nächsten Sprung in seiner noch jungen politischen Karriere. Erst als er 2010 für sein Studium in Politik, Theologie und Wirtschaft nach Heidelberg gezogen war, fing er an, sich politisch zu engagieren – bei der SPD: "Für mich war klar, dass sonst keine Partei infrage kommt – weil der soziale Zusammenhalt für mich an erster Stelle steht." Da spiele auch sein evangelischer Glaube eine wichtige Rolle. "Ich glaube, dass wir Verantwortung übernehmen müssen für die Menschen, die Natur und die Gemeinschaft."

Und obwohl seine Chancen nicht groß sind, hält er es für möglich, das bald als OB zu tun. Er höre oft, dass Menschen Würzner nicht wählen wollten, aber Bauer auch keine Alternative sei. Deshalb überlegt er nach der Frage, mit wie viel Prozent der Stimmen er zufrieden sei, zwar kurz, sagt dann aber: "Ich sehe Chancen, zu gewinnen."

Dann zählt er Städte auf, in denen junge Kandidaten in letzter Zeit gegen Amtsinhaber triumphiert haben: "Mosbach, Heidenheim, Freiburg." Das gibt ihm Hoffnung. "Ich glaube, ich kann der lachende Dritte sein."

Vor allem aber, sagt er dann, habe er nichts zu verlieren. Niemand erwarte, dass er gewinnt. "Deshalb kann ich einfach einen ehrlichen Wahlkampf machen und versuchen, die Menschen zu überzeugen."

Hintergrund

Sören Michelsburg

> Alter: 33 Jahre

> Parteizugehörigkeit: SPD

> Beruf: Lehrer an einer Gemeinschaftsschule in Bad Rappenau

> Wohnort: Handschuhsheim

> Aufgewachsen in: Reutlingen

> In

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Sören Michelsburg

> Alter: 33 Jahre

> Parteizugehörigkeit: SPD

> Beruf: Lehrer an einer Gemeinschaftsschule in Bad Rappenau

> Wohnort: Handschuhsheim

> Aufgewachsen in: Reutlingen

> In Heidelberg seit: 2010

> Familienstand: Seit 2014 verheiratet mit Martina Michelsburg, keine Kinder

> Ausbildung: Studium an der Uni Heidelberg: Politikwissenschaft, Evangelischer Theologie und Wirtschaftswissenschaft auf Lehramt

> Bisherige Ämter: Bezirksbeirat Handschuhsheim (2014-19), Stadtrat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender (seit 2019), SPD-Kreisvorsitzender (seit 2019, Doppelspitze mit Nina Gray) dns

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Michelsburg trägt sein Herz ohnehin auf der Zunge. Das zeigt sich nicht nur im Wahlkampf, sondern schon lange im Gemeinderat. Hat er eine Idee, trägt er sie vor. Oft hat das Hand und Fuß.

Manchmal bringt es dem 33-Jährigen Spott ein – etwa, wenn er eine Bundesgartenschau auf dem Airfield vorschlägt. Und gelegentlich ist es eine Mischung aus beidem. Als er zum Beispiel vor Jahren die Idee einer Seilbahn ins Neuenheimer Feld vorbrachte, wurde er verlacht. Heute wird darüber ernsthafter diskutiert.

Spazieren, wo er sonst joggen geht: Sören Michelsburg (r.) mit RNZ-Redakteur Denis Schnur. Foto: Philipp Rothe

Als er vor dem Bürgerentscheid eine Skizze entwarf, wie ein Ankunftszentrum am Rande von Patrick-Henry-Village aussehen könnte, hieß es: unrealistisch! Nun wird zwar nicht seine Idee umgesetzt, aber dieses Randgebiet ist wichtiger Teil der Planungen.

Während er sich bei manchen Themen solche Schnellschüsse erlaubt, gilt er bei anderen längst als Experte. Neben dem Neuenheimer Feld ist es vor allem der Bereich Wohnen – eines der größten Problemfelder in Heidelberg und Michelsburgs wichtigstes Wahlkampfthema. Der Sozialdemokrat redet sich in Rage, findet es "skandalös", wenn sich der Preis für unbebaute Grundstücke binnen weniger Jahre verdoppele, "weil jemand spekuliert". Seine Antwort? "Erbpacht! In PHV darf keine einzige Fläche verkauft werden." Klar müsse die Stadt dafür investieren. "Aber danach erhält sie ja durch den regelmäßigen Pachtzins auch Einnahmen."

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Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.

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Mittlerweile ist das erste Shooting mit dem RNZ-Fotografen geschafft und Michelsburg im Herzen Handschuhsheims angelangt. Dort zeigt er auf eine Baulücke: "Da wäre Platz für Wohnraum, aber nichts geschieht." Und solche Stellen gebe es viele in Heidelberg. Fülle man alle Lücken in der Stadt, entstehe Platz für 5000 bis 7000 Menschen. "Das Baugesetzbuch lässt bei öffentlichem Interesse eine Baupflicht zu. Aber ich glaube, Würzner möchte nicht so stark in das Privateigentum eingreifen. Dabei wäre es zwingend nötig."

Michelsburg und seine Frau hatten selbst Glück mit ihrer Wohnung. 2017 zogen sie in eine Drei-Zimmer-Wohnung am Hans-Thoma-Platz. 82 Quadratmeter, Altbau, nicht saniert – aber relativ bezahlbar. Michelsburg will eigentlich ganz in der Nähe mit der RNZ einkehren. Nicht in einem Café oder Restaurant, sondern in der Dönerbude am Hans-Thoma-Platz. "Dort fühle ich mich wohl, da bin ich einmal die Woche", erklärt er.

Dabei ist Michelsburg selbst passionierter Koch. Regelmäßig decke er sich in den Hofläden oder auf dem Markt mit Gemüse vom Handschuhsheimer Feld ein. Und er weiß, was er damit anstellt. In seinem Freiwilligen Sozialen Jahr war er Betreuer und Koch bei einer Kindergrippe in Straßburg. Im Anschluss hat er eine Kochausbildung angefangen.

Und noch immer kocht er leidenschaftlich gerne. "Am liebsten frisch und schnell und meistens vegetarisch." Ganz Schwabe mache er gerne Kässpätzle. Oder eben Nudeln mit Soße aus Handschuhsheimer Tomaten.

An diesem Donnerstag muss er auch sein Mittagessen wider Erwarten selbst kochen. Einen Tag vorher hat die Dönerbude die Ferien vorgezogen – wegen der Baustelle am Hans-Thoma-Platz. Die zweite und dritte Wahl – "Alt Hendesse" und "La Locanda" – öffnen erst am Abend. So bleibt am Ende einer kurzen Odyssee die Eisdiele "Gelato go". Mit zwei Kugeln im Becher geht es in den Grahampark.

 

In der kleinen grünen Oase ist Michelsburg öfter – etwa mit seiner Frau Martina. Seit 2014 sind sie verheiratet. Beide hatten im Studium im Wohnheim "Alcatraz" im Pfaffengrund gewohnt. Martina suchte den Internetbeauftragten, irrte sich in der Tür, landete bei Michelsburg. Dreieinhalb Jahre später standen sie vor dem Altar.

Michelsburgs Kandidatur stört seine Frau nicht. Im Gegenteil: "Sie managt meinen Wahlkampf." Da sie ebenfalls Lehrerin ist, habe sie gerade Zeit. Er selbst reduzierte seine Arbeitszeit bereits auf 70 Prozent, als er in den Stadtrat einzog.

In seinem Kollegium gilt Michelsburg als engagiert. Passend zu seinem Wahlkampfmotto, Heidelberg müsse "smarter" werden, kümmert er sich an der Bad Rappenauer Gemeinschaftsschule um alles, was mit Digitalen Medien zu tun hat. Seine Schüler seien fasziniert davon, dass er kandidiere, berichtet ein Kollege der RNZ. "Die haben sich sogar Fan-Shirts gemacht mit seinem Gesicht."

In Bad Rappenau wäre die Freude groß, wenn Michelsburg nicht nur der hoffende, sondern tatsächlich der lachende Dritte wäre. "Aber weil die Schülerinnen und Schüler ihn mögen – nicht weil sie wollen, dass er den Job wechselt", betont der Kollege.

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