Letzte Premiere vor der Zwangspause ist "wunderschönes Plädoyer für die Musik"
"Orpheus. Ohne Angst" vereint Oper, Schauspiel und Tanz - Novum fürs Junge Theater

Von Anica Edinger
Heidelberg. Es ist die letzte Premiere am Theater und Orchester Heidelberg vor der coronabedingten Zwangspause ab Montag – und es wird in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere: "Orpheus. Ohne Angst" heißt das Stück, das das Junge Theater gemeinsam mit den Sparten Musiktheater und Tanz auf die Bühne bringt. Diese Kooperation ist ein Novum – "das gab es noch nie am Jungen Theater in Heidelberg", sagt Natascha Kalmbach, die "Orpheus" inszeniert und Leiterin des Jungen Theaters ist.
Als die Nachricht vom erneuten Lockdown am Montagnachmittag kam, da war Kalmbach gerade noch mitten in den Proben. "Da hat mich das überhaupt nicht interessiert", sagt sie. Später dann habe sie "triumphiert", scherzt Kalmbach. Denn immerhin: Vor der vierwöchigen Zwangspause können sie noch drei Mal spielen: am Freitag sowie am Samstag jeweils um 16 und um 20 Uhr. Man habe sich am Theater dieser Tage angewöhnt, die Dinge positiv zu sehen. "Wir freuen uns über alles, was seit der Wiedereröffnung im Juni stattgefunden hat und auf das, was hoffentlich ab Dezember wieder stattfinden kann", so Kalmbach.
Was "Orpheus. Ohne Angst" betrifft, wäre es ein besonders schwerer Schlag gewesen, wäre die Premiere erneut in die Schließungsphase gefallen. Denn dieses Schicksal ereilte die Oper mit Musik von Christoph Willibald Gluck und Claudio Monteverdi für alle ab zwölf Jahren bereits in der ersten Corona-Welle: Die Inszenierung war ursprünglich für die Spielzeit 2019/20 geplant, wurde jedoch aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus auf die Spielzeit 2020/21 verschoben.
In die jetzige Zeit passt sie allemal. Denn es geht auch um Angst, genauer: um die Bekämpfung von Angst. Denn Orpheus, der Held, der in Heidelberg – wie auch Amor und Eurydike – von einer Heldin verkörpert wird, begibt sich auf eine existenzielle Reise in die Unterwelt, um seine geliebte Eurydike dem Totenreich zu entreißen. Ängste, Einsamkeit, Selbstzweifel: All dem muss sich Orpheus dort stellen. Was ihm dabei hilft, ist seine Musik. "Es ist die Geschichte eines Sängers, der so viel Kraft durch seine Musik gewinnt, dass er seine Geliebte zurück bekommt", erklärt Kalmbach. Und das sei doch, findet sie, "wunderschönes Plädoyer für die Musik".
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Eine Oper zu machen: Das war für Kalmbach, die eigentlich aus dem Schauspiel kommt, gänzlich neu. Ebenso das Zusammentreffen der Sparten Schauspiel, Musik und Tanz. "Das ist eine seltene Gelegenheit, spartenübergreifende Perspektiven einzunehmen", sagt auch Judith Raspe, Musiktheaterpädagogin am Theater und Orchester. "In der Arbeit sei das für alle speziell gewesen, unterstreicht Kalmbach, "aber die unterschiedlichen Künste können voneinander lernen und Erfahrungen sammeln", sagt sie. So profitierten letztlich alle – "und die gemeinsame Arbeit hat uns so viel Freude gemacht".
Raspe hat den Prozess von Anfang an begleitet. Sie findet: "Das Stück hat von der klassischen Oper etwas, aber auch von modernem Musiktheater." Was zur klassischen Oper fehle, sei das große Orchester. Dafür wird "Orpheus" in kleiner Besetzung begleitet von Klavier, Cello, Klarinette und Saxofon. Gerade für ein junges Publikum erleichtere das auch den Zugang. Raspe: "Das Stück bietet Anknüpfungspunkte für junge Menschen, die noch nie in der Oper waren."
Zudem breche es auch mit Klischees: "Es muss nicht immer ein übergewichtiger Mensch die Arie singen", so Raspe. Im Gegenteil: In "Orpheus. Ohne Angst" singt Sopranistin Merit Eiermann, eine junge Frau. Überhaupt stehen nur Frauen auf der Bühne – eine bewusste Entscheidung, wie Kalmbach erklärt. "Es ist eine moderne Interpretation des Stückes", sagt sie, "nicht der Mann ist der Held." Denn, so viel sollte klar sein: "Auch Frauen können heldenhaft sein."
Info: "Orpheus ohne Angst", Premiere Freitag, 30. Oktober (ausverkauft). Weitere Vorstellungen am Samstag, 31. Oktober, 16 und 20 Uhr, Alter Saal, Theaterstraße 10. Restkarten im Internet unter www.theaterheidelberg.de, direkt an der Theaterkasse oder unter Telefon 06221 / 5820.000.



