"Das ist ein Schlag ins Gesicht"
Der Heidelberger Intendant Holger Schultze beschreibt die Folgen des Shutdowns für das Theater.

Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Der Shutdown ab 2. November bringt fürs Publikum und die Kultureinrichtungen harte Einschnitte mit sich. Die Theater haben sich bundesweit an die Sicherheitsrichtlinien gehalten. Vorstellungen wurden verkürzt, Pausen gestrichen – und in den Zuschauersälen wurde darauf geachtet, dass ein möglichst großer Abstand zwischen den Besuchern besteht. Dadurch wurde das Ansteckungsrisiko minimiert, trotzdem müssen die Häuser im November schließen. Was das für das Heidelberger Theater bedeutet, erläutert dessen Intendant Holger Schultze im RNZ-Gespräch.

Herr Schultze, welche Auswirkungen hat der Shutdown für die Kulturszene?
Wir haben wie viele andere Kultureinrichtungen mit akribischem Aufwand dafür gesorgt, dass wir Orte der größtmöglichen Sicherheit schaffen. Der undifferenzierte Shutdown ist kulturpolitisch für uns alle ein Schlag ins Gesicht: Wir werden als verzichtbare Unterhaltung abgestempelt statt als Bildungs- und Diskursorte begriffen, die wir in der Krise mehr denn je brauchen. Deutschlandweit ist kein einziger Ansteckungsfall mit Corona im Theater bekannt. Wo bleibt hier die Verhältnismäßigkeit? Und am allermeisten leiden wieder mal die freischaffenden Künstler, die finanziell sowieso schon am Abgrund stehen – und mit ihnen die gesamte Veranstaltungsbranche als sechstgrößter Wirtschaftszweig Deutschlands mit 1,5 Millionen Beschäftigten.
Und die Situation in Heidelberg?
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Markus Söder hat in der Pressekonferenz am Mittwoch gesagt, es wäre ja nicht so, als ob die Theater gerade überrannt würden. Aber genau das ist in Heidelberg der Fall! Nahezu alle Vorstellungen im November waren ausverkauft, unsere Zuschauer zeigen uns gerade in diesen schwierigen Zeiten mehr denn je, wie wichtig ihnen Kultur und "ihr" Theater ist. Und abgesehen von den ausverkauften Vorstellungen, hätten wir alleine in den nächsten vier Wochen sechs Premieren gehabt.
Im Frühjahr waren viele Theatermitarbeiter in Kurzarbeit, wird das wieder so sein?
Eine derartig kurzfristige Einstellung des Vorstellungsbetriebs bedeutet für sehr viele Mitarbeiter des Theaters leider nicht weniger, sondern ungleich viel mehr Arbeit für die Kassenmitarbeiter, das Künstlerische Betriebsbüro, die Öffentlichkeitsarbeit und viele andere Bereiche. Trotzdem prüfen wir, an welchen Stellen Kurzarbeit möglich ist, ohne den Betrieb zu gefährden.
Sie stecken mitten in den Proben für Becketts "Endspiel", auch andere Kolleginnen und Kollegen bereiten neue Inszenierungen vor.
Nach derzeitigem Stand gehen wir davon aus, dass wir weiterhin proben dürfen. Wir werden alle Produktionen bis zur Generalprobe vorbereiten und die Premieren auf Dezember verschieben. Wir müssen nach vorne schauen, um dann mit einem umso kraftvolleren Premierenreigen wieder da zu sein.
Sie sind künstlerischer Vorstand im Deutschen Bühnenverein, wird es eine gemeinsame Reaktion aller deutschen Theater und Orchester geben?
Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins hat Ulrich Khuon sich bereits am 28. Oktober mit einem eindringlichen Appell an die Regierung gewandt, die Theater nicht zu schließen. Darin ist glasklar benannt, wie hart der Shutdown die Theater und Orchester trifft. Selbstverständlich sehen wir die Gefahr des Virus, sind uns unserer solidarischen Verantwortung bewusst und tragen die politischen Maßnahmen mit. Die Diskussion über die Langzeitfolgen für die Kulturbranche fängt gerade erst an.



