Warum Studierende den "Integrierten Bachelor" für Jura fordern
Studierende sollen für jahrelange Arbeit auch mit einem akademischen Grad belohnt werden, sollten sie das Staatsexamen nicht bestehen, oder aus Furcht gar nicht erst antreten.

Von Hannes Huß
Heidelberg. Wer die Zulassungsvoraussetzungen für das Erste juristische Staatsexamen erfüllt hat, der sollte dafür, ohne weitere Prüfungen abzulegen, eine Bachelorurkunde erhalten. Das ist der Kern des "Integrierten Bachelors", den Jura-Studierende in Heidelberg, Tübingen und Freiburg bereits seit Jahren fordern. So sollen Studierende für jahrelange Arbeit auch mit einem akademischen Grad belohnt werden, sollten sie etwa das Staatsexamen nicht bestehen, oder aus Furcht gar nicht erst antreten.
Lena Popp von der juristischen Fachschaft in Heidelberg berichtet von psychischen Problemen, die bei ihren Kommilitonen entstehen, "bis zur klinischen Depression". Denn das Erste Staatsexamen, es ist für die Juristinnen und Juristen eine "Alles oder Nichts"-Situation. Entweder sie bestehen und erhalten das Staatsexamen, oder sie fallen zwei Mal durch und haben keinen akademischen Grad, trotz mehrerer Jahre Studium. Ihre bis dato absolvierten Prüfungsleistungen werden ihnen nicht angerechnet.
Hintergrund
> In 14 von 16 Bundesländern gibt es bereits den "Integrierten Bachelor" im Jurastudium – oder ein Verfahren dafür ist eingeleitet. Nur in Bayern und Baden-Württemberg besteht diese Möglichkeit bisher nicht. Dort bleibt der erste Abschluss, den Jura-Studierende erwerben
> In 14 von 16 Bundesländern gibt es bereits den "Integrierten Bachelor" im Jurastudium – oder ein Verfahren dafür ist eingeleitet. Nur in Bayern und Baden-Württemberg besteht diese Möglichkeit bisher nicht. Dort bleibt der erste Abschluss, den Jura-Studierende erwerben können, weiterhin das Erste Staatsexamen.
> Seit November 2024 können Universitäten in Modellversuchen einen "auf den Staatsexamensstudiengang studienorganisatorisch abgestimmten, integrativ verknüpften Bachelorstudiengang anbieten". Die Uni Konstanz nutzt diese Möglichkeit bereits, seit dem Wintersemester 2025/26 wird dort ein solcher angeboten.
> An der Uni Mannheim wird bereits seit 2008 der Studiengang "Unternehmensjurist" angeboten, in dem Studierende einen Bachelor sowie das Erste Staatsexamen erwerben. Dieser ist allerdings grundlegend anders aufgebaut: In den ersten drei Jahren werden nur Zivilrecht sowie BWL-/VWL-Module unterrichtet, dann der Bachelor darin absolviert. Anschließend lernen die Studierenden Straf- und Öffentliches Recht und legen dann das Staatsexamen ab. han
Das führt auch dazu, dass nur ein Viertel derjenigen, die den Erstversuch nicht bestanden haben, sich auch für den Zweitversuch anmelden. "Man hat so viel Panik, dass man es einfach nicht noch einmal macht." Und bei internationalen Studierenden, berichtet sie, sei die Durchfallquote noch einmal höher, da sie häufiger Probleme mit der komplizierten juristischen Sprache haben.
An der Uni Konstanz wird seit diesem Wintersemester ein "Integrierter Bachelor" im Jura-Studium angeboten. Allerdings mit einem anderen System in einem "Modellversuch", der im Landeshochschulgesetz so vorgesehen wurde. Für einen solchen Modellversuch müsste in Heidelberg allerdings der Studienverlaufsplan deutlich abgeändert werden. Ein gigantischer bürokratischer Aufwand. "Die Ressourcen an den Fakultäten sind sowieso schon knapp", so Popp.
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Der Konstanzer Modellversuch hilft bisherigen Studierenden nicht: Nur wer sich in den neuen Jura-Studiengang einschreibt, kann auch den Bachelor dort erwerben. Was den Heidelberger, Tübinger und Freiburger Juristen vorschwebt, ist deutlich simpler: Alle Studierenden, die im bisherigen Studienablauf die Zugangsvoraussetzungen für das Erste Staatsexamen erfüllt haben, erhalten eine Bachelorurkunde.
"Alles, was wir bis zum Erstexamen machen, reicht absolut für ein inhaltsvolles Bachelorstudium", betont Popp. Zugespitzt könne man sagen, so die Studentin: "Nach sechs Jahren Studium ist man kein Abiturient mit Führerschein." Es gehe schlichtweg darum, Menschen für die erbrachten Leistungen zu belohnen. Rund 300 "Karteileichen" gibt es in Heidelberg, Studierende, die alle Voraussetzungen für das Staatsexamen erfüllt haben, sich aber nie für dieses angemeldet haben, aus den "unterschiedlichsten Gründen", wie Popp sagt. Auch diese könnten so einen Abschluss erhalten und in juristischen Berufen arbeiten, die kein Staatsexamen erfordern. Denn dieses ist streng genommen nur für Anwälte und Richter Voraussetzung.
Erstes Staatsexamen, das bedeutet für die allermeisten Jurastudierenden vor allem eines: Stress. Ein bis anderthalb Jahre bereiten sie sich darauf vor, teilweise mit teuren privaten Repetitorien, in denen sie den bisherigen Studienstoff wiederholen. "In der Zeit sind die Leute froh, wenn sie nach Weihnachten mal einen Tag länger bei ihren Familien bleiben können", so Popp. Denn das Erste Staatsexamen und dessen Note bleiben das gesamte juristische Berufsleben über relevant: "Selbst mit 20 Jahren Berufserfahrung zählt diese Note noch." Davon, dass mit einem Bachelor in der Tasche keine "Alles oder Nichts"-Situation entstünde und weniger Druck herrsche, könnten auch die Noten der Studierenden profitieren, meint Popp.
Die Unterstützung für die Forderung der Jura-Studierenden ist groß. Die Landesfachschaft steht dahinter, die Heidelberger, Tübinger und Freiburger Fachschaften gehen gemeinsam vor, auch die jeweiligen Fakultäten unterstützen das Vorhaben. In einer Befragung von 11.842 Personen des Bündnisses zur Reform der juristischen Ausbildung befürworteten im Jahr 2022 71,3 Prozent der Teilnehmer die Einführung des "Integrierten Bachelors". Auch Landesjustizministerin Marion Gentges hat sich für das Vorhaben ausgesprochen. Nur das Wissenschaftsministerium stellt sich aktuell quer. Für Popp unverständlich: "Es könnte doch so einfach sein."