Universitäten

In Heidelberg wird es keinen Jura-Bachelor geben

Die Landesregierung macht den Weg zu einer Alternative zum Staatsexamen frei. Aber in Heidelberg sieht man darin einen "wahnsinnigen bürokratischen Aufwand".

29.11.2024 UPDATE: 29.11.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden
Das Juristische Seminar der Universität Heidelberg in der Friedrich-Ebert-Anlage. Archivfoto: Henschel

Von Laura Kress

Heidelberg. Fünf Jahre studieren und am Ende kein Abschluss. Das ist die Angst vieler Jura-Studierender. Ihnen hat die baden-württembergische Landesregierung nun mit einem neuen Gesetz Hoffnung gemacht. Damit sollen Universitäten einen integrierten Bachelor einführen können, den die Studierenden auch dann erwerben, wenn sie das erste Staatsexamen nicht bestehen. Für einen klassischen juristischen Beruf wie Richter reicht dieser Bachelor zwar nicht – aber zumindest hätten die Studierenden dann überhaupt einen Abschluss nach ihrem Studium.

Den Heidelberger Jura-Studenten allerdings wird dieser Vorstoß wohl nichts bringen. Denn problemlos umsetzbar ist dieses Gesetz nur in Konstanz. Das liegt an dem Aufbau des Jurastudiums, der sich von Uni zu Uni unterscheidet. Denn der Jura-Bachelor, der mit dem neuen Gesetz eingeführt werden könnte, beruht auf dem Bologna-Modell. Heißt: Studierende müssen verschiedene Module belegen und zahlreiche Prüfungen absolvieren. "Konstanz hat dieses sehr verschulte Modell bereits", erklärt der Dekan der Juristischen Fakultät Heidelberg, Andreas Piekenbrock. Der Staatsexamen- und der Bachelor-Studiengang sind sich dort also bereits ähnlich.

In Heidelberg, Freiburg und Tübingen verhält es sich anders. "Bei uns ist das Studium in sogenannte Übungen gegliedert", sagt Piekenbrock. Sechs Übungen müssen die Studierenden für die Zulassung zum ersten Staatsexamen absolvieren; jede davon setzt sich aus zwei Klausuren sowie einer Hausarbeit zusammen. "Mit dem Bologna-Modell bliebe für die Hausarbeiten aber zum Beispiel keine Zeit mehr", so der Dekan.

Um den von der Landesregierung ermöglichten Bachelor einzuführen, müsste Heidelberg also das gesamte Jura-Studium umstrukturieren. "Das wäre ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand", meint Piekenbrock. Ein Aufwand, den die Universität alleine stemmen müsste, denn der Gesetzesbeschluss sieht eine "kapazitätsneutrale" Einführung des Bachelors vor: "Wir müssten also mehr Prüfungen für die gleiche Zahl von Studierenden organisieren – gleichzeitig darf es aber nicht mehr kosten", erklärt Piekenbrock.

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Dazu kommt: Das Heidelberger Übungs-Modell hat sich bewährt. "Heidelberg erzielt in Baden-Württemberg mit die besten Examensergebnisse", so der Dekan. "Im letzten Jahr sind von 422 Studierenden nur zwölf endgültig durch das Examen gefallen." Kein Grund also aus Sicht der Uni, das Studium auf den Kopf zu stellen. Auch die Landesregierung sieht den Jura-Bachelor erst einmal als Modell-Versuch vor, dessen Erfolg sie nach fünf Jahren überprüfen will. "Auch wir warten deshalb erst einmal die Erfahrungen von Konstanz ab", sagt Piekenbrock.

Bei den Studierenden jedoch bleibt das Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Davon erzählt etwa Rebecca, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Ein Jahr lang lernte die 26-Jährige für ihr Staatsexamen – am Ende reichte es trotzdem nicht zum Bestehen. Nun versucht sie es noch einmal im Zweitversuch. Rebecca glaubt, dass sie mit der Sicherheit eines Bachelors entspannter in die Prüfungen gegangen wäre. "Das hätte den Druck rausgenommen." Möglicherweise wäre die Jura-Studentin dann auch gar nicht erst zum Examen angetreten. "Ich hätte mich mehr informiert, welche Master ich stattdessen machen könnte."

Dabei gibt es durchaus Alternativen, wie andere Bundesländer beweisen: In Nordrhein-Westfalen bekommen Jura-Studierende ihren Bachelor automatisch, sobald sie alle Übungen bestanden haben. Ein Bachelor-Abschluss per Gesetz also, ganz ohne Bologna-Modell. Diese Lösung bevorzugt auch die Heidelberger Jura-Fachschaft. "Das wäre für alle Universitäten, unabhängig vom jeweiligen Studienmodell, einfacher umzusetzen", meint Jacob Schupp, Sprecher der Fachschaft.

Er zeigt sich enttäuscht, dass die Landesregierung die Fachschaften in den Gesetzgebungsprozess nicht eingebunden hat: "Die Änderung kam völlig überraschend. Wir wurden vor der Entscheidungsfindung nicht einmal angehört." Trotzdem hofft er, dass es auch in Heidelberg irgendwann einen integrierten Bachelor nach dem NRW-Vorbild geben wird. Das wird aber noch dauern. "Auf jeden Fall bis 2026, bis zur nächsten Landtagswahl", meint Piekenbrock.

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