Früher fuhr die Bergbahn mit Wasserballast
Technische Raffinessen und spannende Historie: Bei der RNZ-Sommertour ging es bis zum Königstuhl. Über Kameras hat man alles im Blick.

Von Anica Edinger
Heidelberg. Hoch über Heidelberg, auf 550 Metern über dem Meeresspiegel, geht das Herz eines jeden Mechanikers auf. Nicht beim Blick auf die Stadt, sondern im Maschinenraum der oberen Bergbahn. "Was Sie hier sehen, ist schon über 100 Jahre alt", sagt Robert Golebiowski, Maschinist bei der Bergbahn, zu 15 RNZ-Sommertouristen. Ehrfürchtig blickt Golebiowski auf die Räder, die das Seil für die Bergbahn bewegen. Er sagt: "Es ist eine Ehre, hier zu arbeiten."
Gut drei Stunden lang ging die RNZ-Sommertour zu Geschichte und Technik der Bergbahn. Die Leserinnen und Leser wurden dabei von den Heidelberger Stadtwerken, die die Bahn betreiben, nicht nur zur Fahrt bis auf den Königstuhl eingeladen. Sie bekamen von Martin Wenger, seit 25 Jahren Bergbahnführer in Heidelberg, auch faszinierende Einblicke in die bewegte Historie der gut 100 Jahre alten Bahn. Golebiowski und Thaddäus Kotzar, gelernter Elektriker und stellvertretender Betriebsleiter bei der Bergbahn, erklärten technische Raffinessen und berichteten von Kuriositäten über die Bahn und ihre Arbeit, die man so nicht alle Tage hört.
> Der Bau dauerte weniger als zwei Jahre: Der Bau der unteren Bergbahn begann im Jahre 1888 – "und schon im März 1890 ging die Bahn in Betrieb", berichtet Wenger. Das sei doch recht flott gewesen für die damalige Zeit, meint der Bergbahnführer. Die Vorplanungen allerdings hätten schon lange vor dem Bau begonnen. Die Gebrüder Philipp und Johannes Leferenz hatten die Konzession zum Bau 1888 bekommen. Die obere Bergbahn bis zum Königstuhl kam 1907 dazu.
> Die Bergbahn wird von einem Seil gezogen: Bei der Bergbahn handelt es sich um eine Standseilbahn. Das heißt: Die Bahnen werden von einem Seil gezogen. Auf der oberen und der unteren Bergbahn werden je zwei Wagen von einem Seil bewegt. Die Bahnen treffen sich je in der Mitte der Strecke, wo eine Ausweichstelle angelegt ist. Das heißt auch: "Die Bahn kann immer nur losfahren, wenn auch der Wagen oben fährt", erklärt Wenger. Lange Wartezeiten gebe es meistens nicht.
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> Früher fuhr die Bahn mit Wasserballast: Bis ins Jahr 1907 fuhr die untere Bergbahn noch mit Wasserballast von der Station Molkenkur abwärts ins Tal, wie Martin Wenger den Sommertouristen erklärte. 8000 Liter fassten die Wasserkasten – je einer davon war in den Wagen zu finden. Der Kasten des oberen Wagens wurde mit Wasser gefüllt, sodass er wegen seines Übergewichts den am unteren Ende hängenden Wagen hochzog. Das Wasser wurde durch eine Pumpanlage zur Bergstation gepumpt, die mit einer Dampfmaschine angetrieben wurde. Und weil bei der Talfahrt die Schwerkraft ihr Übriges tue, war sie früher günstiger als die Bergfahrt, wie Wenger berichtete.
> Die Bergbahn fährt auf einem Ölfilm: "Achtung, es wird ölig", sagt Kotzar auf dem Weg in den Maschinenraum der unteren Bergbahn. Denn die Schienen, auf denen die Bergbahn bewegt wird, werden geölt – und zwar durchgehend. Das Öl hilft dabei, die Abnutzung von Schiene und Rad so gering wie möglich zu halten. Die Ölung funktioniert vollautomatisch: An jeder Bahn ist ein fünf Liter Kanister mit Öl angebracht, der immer mal wieder einen Tropfen auf die Schienen "spuckt", wie Kotzar erklärt. Wie ölig es wirklich ist, davon konnten sich die Sommertouristen live ein Bild machen: Sie durften bei der Station Molkenkur auch einen Blick unter die Bahn werfen.
> Es springt auch mal ein Reh auf die Strecke: Achtung Wildwechsel! Erst vergangene Woche sei es wieder mal vorgekommen, dass die Bergbahn kurz anhalten musste – weil Wild auf der Strecke gesichtet wurde. Laut Golebiowski ist das häufiger der Fall, vor allem Rehe sieht man häufiger auf der Strecke. Ist ein Kitz dabei, ist besondere Vorsicht gefragt. Denn wenn das auf der Strecke stehen bleibt, ist häufig auch die Mutter nicht weit, um ihr Kitz zurückzuführen. Golebiowski läuft die Strecke der unteren Bergbahn übrigens jeden Morgen zu Fuß ab – um zu überprüfen, ob auch alles in Ordnung ist, bevor die Touristenmassen anrücken.
> Wann die Bahn losfährt, entscheidet der Maschinist vom Leitstand aus: Wenn Golebiowski im Leitstand an der Station Molkenkur ein Knöpfchen drückt, dann kann die Fahrt losgehen. Der Maschinist, der dort Dienst hat, hat über Kameras alles im Blick: Wie viele Menschen unten am Kornmarkt durchs Drehkreuz gehen, wie viele in die Bahn eingestiegen sind, und ob noch Menschen an der Schiene stehen, wenn es losgehen soll. "Ein bisschen Kopfrechnen ist hier nicht schlecht", lacht er. Per Knopfdruck setzt sich die Bahn in Bewegung. Zur Not kann der Mensch im Leitstand die Bahn auch manuell fahren, sollte der Elektromotor, der die Seile in Bewegung bringt, einmal ausfallen. In der oberen Bergbahn funktioniert das anders: Dort entscheiden die Wagenführer, wann es losgeht. Einen Leitstand gibt es auf dem Königstuhl nicht.
Stimmen zur Sommertour
> Ralf Zeller, Bad Rappenau: "Ich freue mich, dass meine Frau sich für die Sommertour angemeldet und mich mitgenommen hat. Es war heute mein letzter Urlaubstag. Wir kommen aus Bad Rappenau, waren frühstücken in Heidelberg und dann bei der RNZ-Sommertour. Mich als gelernter Schlosser hat die ganze Technik sehr interessiert. Es war toll, mit den Mechanikern zu sprechen, sie haben sich so viel Zeit genommen. Und mal unter die Bahn gucken zu dürfen, das war sehr besonders."
> Brigitte Moskovz, Heidelberg: "Am meisten imponiert hat mich die Leitzentrale. Das war wirklich spitze. Ich konnte mir gar nicht so richtig etwas vorstellen unter der Tour. Aber die ganzen Bergbahn-Mitarbeiter haben das richtig toll vorgebracht und alles erklärt. Eine wirklich tolle Tour."
> Klaus Schäfer, Buchen: "Heute hat man viel erfahren über die Bergbahn. Technisch war es sehr spannend. Und das Wetter hat auch super gepasst. Wir sind zum ersten Mal bei der Sommertour dabei."
> Theodor Muth, Mauer: "Diese Sommeraktion der RNZ ist eine tolle Sache. Wir sind schon zum vierten Mal dabei! Die Tour hat mir sehr gut gefallen. Die alte Technik hat mich als Maschinenbauer in Rente beeindruckt. Und den Königstuhl auf diese Art und Weise zu erklimmen, ohne sich körperlich anstrengen zu müssen, das war super." ani


























