Gemeindevollzugsdienst

Unterwegs mit dem Rad verteilen sie in Heidelberg die Strafzettel

Der Gemeindevollzugsdienst belässt es oft bei einer Ermahnung. Wenn nicht, wird es auch mal richtig teuer. Wir haben sie begleitet.

18.08.2024 UPDATE: 18.08.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 41 Sekunden
Jacqueline Bollian und Aram Kader unterwegs in der Steubenstraße in Handschuhsheim. Seit einem guten Jahr ist der Gemeindevollzugsdienst auch mit E-Bikes ausgestattet und nicht mehr nur zu Fuß unterwegs. Fotos: Philipp Rothe

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Bis zu 50 Kilometer am Tag sind sie mit E-Bikes in der ganzen Stadt unterwegs – und machen sich dabei oft nicht gerade beliebt. Jacqueline Bollian, 31 Jahre alt, und Aram Kader, 34, sind Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdiensts (GVD) der Stadt. Im Rahmen seiner Sommertour begleitete Mobilitätsbürgermeister Raul Schmidt-Lamontain die beiden einen Vormittag lang auf Streife – und auch die RNZ war mit dabei.

Um 8.30 Uhr geht es los in der Gaisbergstraße, denn hier hat das Amt für Mobilität seinen Sitz. Seit über einem Jahr sind die GVD-Mitarbeiter nicht mehr ausschließlich zu Fuß, sondern auch per E-Bike unterwegs – jedenfalls sechs von ihnen. Jacqueline Bollian findet das super, denn "wir sind in vielen Lagen viel flexibler." Kaum sitzt sie auf dem Sattel, kommt schon der erste Stopp. Ein Mann hat sein Auto in der Sofienstraße direkt auf einer Sperrfläche abgestellt. Bollian hat noch kaum ihr Handy gezückt, da eilt der Fahrzeugbesitzer heran. "Nur kurz etwas abgegeben", entschuldigt er sich. Das GVD-Team lässt den Fall auf sich beruhen.

Hintergrund

> Den Gemeindevollzugsdienst der Stadt Heidelberg gibt es seit 50 Jahren. Er wurde damals mit acht Mitarbeitern gestartet, heute sind über 40 Menschen dort beschäftigt. Der Dienst überwacht in erster Linie den ruhenden Verkehr, verteilt Knöllchen und lässt Fahrzeuge

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> Den Gemeindevollzugsdienst der Stadt Heidelberg gibt es seit 50 Jahren. Er wurde damals mit acht Mitarbeitern gestartet, heute sind über 40 Menschen dort beschäftigt. Der Dienst überwacht in erster Linie den ruhenden Verkehr, verteilt Knöllchen und lässt Fahrzeuge abschleppen, wenn diese den Verkehr behindern, er tut Letzteres aber nur im äußersten Notfall. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Sicherheit gelegt, etwa ob Fahrzeuge Radwege, Gehwege oder Sichtbeziehungen behindern.

> Zentrumsnahe Stadtteile haben die Mitarbeiter besonders im Blick, da diese durch das hohe Verkehrsaufkommen als besonders gefahrenträchtig gelten. Der Gemeindevollzugsdienst ist aber jede Woche in sämtlichen Stadtteilen unterwegs oder kommt auch auf Zuruf. Außerdem ist der er verstärkt an Schulen und Kindertagesstätten aktiv, um die Verkehrssicherheit für Kinder zu verbessern.

> In den vergangenen Jahren haben sich die Aufgaben erweitert, die Digitalisierung hat auch einiges erleichtert. Früher waren die Mitarbeiter mit Notizbuch, Fotoapparat und Funkgerät unterwegs, heute reicht das Handy, denn Strafzettel werden längst nicht mehr klassisch per Hand geschrieben, sondern per App erfasst. shy

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Solche Szenen werden sich im Laufe des Vormittags wiederholen. Oft belassen es die beiden bei einer Ermahnung, so wie gut zwei Stunden später bei einem Paketboten in Bergheim, der den Radweg vollständig blockiert. Aram Kader erklärt ihm geduldig, dass er das nicht darf und sein Auto künftig auf einer der beiden Autospuren abstellen soll. Ganz angekommen ist die Botschaft bei dem Mann offenbar nicht, wenige Minuten und nur einige Hundert Meter später hat er das Paketauto zwar nicht mehr auf dem Radweg geparkt, dafür blockiert er jetzt den gesamten Gehweg. "Dem hätte ich jetzt einen Strafzettel verpasst", sagt Schmidt-Lamontain kopfschüttelnd.

Es geht zurück in die Altstadt: Hier in der Plöck drücken die beiden GVD-ler kein Auge zu. Jemand hat ein Carsharing-Auto direkt auf der Sperrfläche am Kaufhof-Hinterausgang abgestellt. Das gibt ein Knöllchen.

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In Handschuhsheim an der Tiefburg dann stehen zwei Autos im Parkverbot. In beiden sitzen allerdings Fahrer, und beide geben beim Anblick der Uniformierten umgehend Gas. An der Ecke Kriegsstraße sieht es anders aus. Hier hat jemand sein Auto im absoluten Halteverbot geparkt. "Das kostet 25 Euro, und wenn es bis heute Mittag nicht weggefahren ist, erhöht sich das Ordnungsgeld auf 40 Euro", erklärt Aram Kader. Parallel dazu macht der 34-Jährige Fotos von dem Auto. Unter dem Scheibenwischer landet eine Benachrichtigung. Den eigentlichen Strafzettel bekommt der Halter später.

Nummernschild, Vergehen, Fotos – all das erfassen die GVD-Mitarbeiter mit einer Handy-App. Selbst die Position der Ventile wird festgehalten, denn würde das Auto bewegt, bis die nächste Streife kommt, dann wären erneut 25 Euro fällig. Noch während Kader fleißig tippt, kommt eine Fußgängerin vorbei – mit sichtlich schlechter Laune. "Wie wäre es, wenn Sie statt Strafzettel zu verteilen mal Parkraum schaffen würden", fährt sie die beiden Bediensteten an. Dabei ist es gar nicht ihr Auto, das gerade ein Knöllchen kassiert. Ihr geht es ums Prinzip, schließlich zahle sie ja für das Anwohnerparken. Am Ende wünscht sie sich noch eine Steuer für Fahrräder.

Jacqueline Bollian und Aram Kader bleiben gelassen. "Manche Diskussionen sind nicht zielführend", sagt Bollian und winkt ab. Ihr Kollege nickt. Immerhin wird es die einzige Situation an diesem Vormittag sein, in der die beiden angefeindet werden. Schmidt-Lamontain berichtet: "Ich habe das auch schon anders erlebt." Dabei ist der Mobilitätsbürgermeister überzeugt davon, dass sich die Leute eigentlich vor allem über sich selber ärgern. "Aber die Mitarbeiter kriegen es ab." Jacqueline Bollian macht ihren Job trotzdem richtig gerne. "Ich find’s herrlich. Ich bin den ganzen Tag draußen an der frischen Luft und fühle mich abends gut ausgelastet." Selbst die Kälte im Winter macht ihr nichts. "Wir sind ja gut ausgestattet."

Weiter geht es durch die Burgstraße nach Norden und dann westlich der B 3 auf der Umleitungsstrecke wegen der Baustelle Dossenheimer Landstraße wieder zurück. Im Weiher scheuchen die beiden einen Handwerker vom Gehweg. An der Kreuzung Angelweg ist es ein Telekom-Mitarbeiter, der mit seinem Kastenwagen so unglücklich auf der Ecke steht, dass es regelrecht gefährlich wird, weil die Sicht aller Beteiligten gleich null ist. Auch er muss umparken, auch er bekommt aber keinen Strafzettel. Anders sieht es bei dem Fahrzeughalter mit französischem Kennzeichen am Hans-Thoma-Platz aus. Er lädt den Wagen gerade an einer E-Zapfsäule, hat aber vergessen, eine Parkscheibe hinter die Windschutzscheibe zu legen: 20 Euro. Auch die Besitzer von zwei Rollerfahrern, die dort ihre Gefährte abgestellt haben, bekommen ein Knöllchen, denn auch für die braucht es einen Anwohnerparkausweis. Das GVD-Team kann über das Kennzeichen herausfinden, ob der jeweilige Halter einen hat. Beide Male Fehlanzeige, sie zahlen jetzt ebenfalls 20 Euro.

In der Bahnstadt gibt es noch gar keine Parkraumbewirtschaftung, aber auch hier gibt es Regeln. Wer außerhalb der gekennzeichneten Flächen parkt, zahlt zehn Euro, so wie der Halter mit dem Mannheimer Kennzeichen in der Simferopolstraße. Jochen Adler vom Amt für Mobilität berichtet, dass hier die Beschilderung verbessert werden soll, damit noch deutlicher wird, wo geparkt werden darf und wo nicht.

Den wohl dreistesten Parksünder des Vormittags entdeckt das GVD-Team in der Grünen Meile. Hier hat jemand seinen Kleinwagen nicht nur auf dem Gehweg geparkt, sondern auch auf dem Blindenleitsystem direkt vor einer Fußgängerampel und noch dazu auf einem Schachtdeckel, unter dem sich die Ampelsteuerung verbirgt. Der Wagen muss da weg. Hinter der Windschutzscheibe liegt ein Firmenausweis. Aram Kader fährt jetzt zweigleisig: Er stellt eine Halteranfrage an sein Amt. Parallel dazu versucht er es telefonisch bei der Firma. Einen Abschleppwagen zu rufen, ist für den GVD das allerletzte Mittel – aus mehreren Gründen. Zum einen kostet das den Parksünder 368 Euro. Zum anderen dauert es auch, bis der Wagen kommt – mindestens eine Stunde. In dieser Zeit müssen die städtischen Mitarbeiter vor Ort bleiben, sie geht ihnen also auf dem Rest ihrer Tour verloren. Und dann hat es auch ganz praktische Gründe: "Wenn ich erfahre, dass die Leute in der Nähe wohnen, dann klingle ich die schon mal raus, das geht im Zweifelsfall schneller." In diesem Fall verspricht die Firma, bei der der Fahrzeughalter beschäftigt ist, sich zu kümmern. Das Bußgeld von 50 Euro gibt es freilich trotzdem. Weiter geht es in Richtung Weststadt, wo es an diesem Vormittag nur wenig zu beanstanden gibt. Der Fahrlehrer, der im Halteverbot steht, wird lediglich verwarnt, auch wenn er für seine Schülerin nicht gerade ein gutes Vorbild abgibt.

Aber auf dem Weg dorthin gehen Jacqueline Bollian und Aram Kader noch zwei dicke Parksünder ins Netz. In der Carl-Benz-Straße steht ein großer Linienbus direkt am Straßenrand. Ausgerechnet auf der Umleitungsstrecke, die wegen der gesperrten Montpellierbrücke viel befahren wird. Und der Bus steht da bereits seit dem Vortag. Die GVDler vermuten, dass er zu einer Werkstatt in der Hebelstraße soll, und genau so ist es auch. Und während Jacqueline Bollian das mit dem Bus in der Werkstatt klärt, wird einem Lastwagenfahrer die Mittagspause an einem Kiosk gegenüber zum Verhängnis. Er hat seinen Lkw direkt auf dem Radweg an der stark frequentierten Straße abgestellt. Hier kommt kein Radfahrer mehr durch. Da belässt es Kader auch nicht mit einer Verwarnung, das gibt 70 Euro und einen Punkt. Der Fahrer sieht so aus, als sei ihm der Appetit vergangen. In Sachen Bus geben die beiden GVD-ler den Verantwortlichen noch etwas Zeit, das Fahrzeug wegzufahren. Wenn das aber nicht in Kürze passiert, wird der Abschleppdienst aus Mannheim gerufen und das wird richtig teuer – mit rund 3000 Euro ist dann zu rechnen.

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