Pflegekräftestreik in Heidelberg

"Der Job macht uns krank - und darunter leiden auch die Patienten"

Dritte Tarifverhandlungsrunde an Unikliniken gescheitert - Gewerkschaft fordert mehr Personal

23.01.2018 UPDATE: 24.01.2018 09:50 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Sie wollen bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege (v.l.): Monika Neuner, Regina Albrecht, ein Uniklinik-Pfleger (der nicht genannt werden möchte), Julia Stemmler, Jürgen Rippl und Silke Hansen. Foto: Rothe

Von Maria Stumpf

Heidelberg. Wer am morgigen Donnerstag einen OP-Termin im Universitätsklinikum hat, der verschoben werden kann, wird wohl wieder nach Hause geschickt: Denn am Donnerstag wird gestreikt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat unter dem Motto "Mehr von uns ist besser für alle" zu einem Warnstreik des Pflegepersonals aufgerufen. Vom Beginn der Früh- bis zum Ende der Spätschicht soll nicht gearbeitet werden, ab 14.30 Uhr gibt es vor der Chirurgischen Klinik eine Demo.

Der Streikaufruf betrifft rund 4000 Beschäftigte. Verdi ist mit den Arbeitgebern seit Mitte 2017 schon in der dritten Verhandlungsrunde ohne Ergebnisse über die Entlastung in der Pflege und fordert mehr Personal. Zum Warnstreik vor der Chirurgie erwartet die Gewerkschaft an die 1000 Teilnehmer. Laut Verdi ist die Notfallversorgung für Patienten sichergestellt. Es gibt nur Teilschließungen von Stationen.

Personal wird eingespart und abgebaut, Überstunden werden zur Selbstverständlichkeit, Pausen können nicht genommen werden, der Arbeitsdruck steigt: So sieht der Arbeitsalltag für immer mehr Beschäftigte nach Ansicht der Gewerkschaft aus. Auch an den anderen drei Universitätskliniken in Baden-Württemberg, in Ulm, Tübingen und Freiburg, wird deshalb morgen gestreikt. Für alle vier gilt ein gemeinsamer Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband Uniklinika (AGU) für rund 27.000 Beschäftigte.

"Grund für den Warnstreik ist der Stillstand der Verhandlungen", erklärte gestern Gewerkschaftssekretärin Monika Neuner in einem Pressegespräch. Die Arbeitgeber seien bislang lediglich bereit, mindestens 120 Stellen für alle Kliniken, insbesondere für Springerpools, zu schaffen. "Das ist unterirdisch", heißt es bei den Gewerkschaftern.

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Wie in vielen Krankenhäusern sei die Arbeitssituation sehr angespannt, erklärte Verdi-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Lippl. Mit dem Tarifvertrag wolle die Gewerkschaft zusammen mit dem Arbeitgeber eine Mindestbesetzung für alle Pflegestationen festlegen - und auch Absicherungen, was passiert, wenn diese Untergrenzen nicht eingehalten werden. "Wir nennen das Konsequenzmanagement", so Lippl. Damit würde die Gewerkschaft in das "Sakrileg des Personalbedarfsplans" eingreifen. "Und das wollen die Arbeitgeber nicht", so Lippl. Bereits jetzt haben die Beschäftigten ein Hilfsmittel: "Gefährdungsanzeigen" an den Arbeitgeber. Damit könnten sie auf Gefahren als Folge der Arbeitsorganisation hinweisen. "An den vier Kliniken waren das vergangenes Jahr 1800 Anzeigen", berichtet Lippl.

Gewerkschaftssekretärin Silke Hansen vom Fachbereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen in Baden-Württemberg sieht es genauso. "Die Personaldecke ist zu kurz, egal, an welcher Ecke man zieht." In Deutschland sei die Arbeit in der Pflege "maximal verdichtet". In den normalen Tagschichten sei eine Pflegekraft durchschnittlich für bis zu zwölf Patienten zuständig, in Großbritannien oder Frankreich für bis zu acht Patienten und in der Schweiz seien es nur um die fünf.

"Es geht dabei nicht nur um uns als Personal", fügte Julia Stemmler hinzu. Sie ist Pflegekraft und berichtete über ihren Arbeitsalltag. "Der macht uns auf Dauer krank, wir sind überlastet. Und darunter leiden dann auch die Patienten." Viele Kollegen würden nach der Ausbildung kündigen. Und Martina Weyrauch, Mitglied der Tarifkommission, nennt eine weitere Konsequenz: "Früher war es möglich, kritischer aus den Bewerbern für diesen Job auszuwählen."

Klar ist für die Gewerkschaft: Mehr Personal auf der einen Station darf nicht zu weniger Personal auf der anderen Station führen. "Wir sind aber zuversichtlich, dass sich die Arbeitgeber inzwischen etwas überlegt haben", meinte Silke Hansen. "Der Streik wird schon schmerzhaft für sie werden", ergänzte Lippl. Man könne aber auch durchaus "noch mehr Druck erzeugen" als mit dem morgigen Warnstreik. Der nächste Verhandlungstermin steht jedenfalls: Schon diesen Freitag geht es in Stuttgart weiter.

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