Wurde "unnötig viel Porzellan zerschlagen"?
Der Gemeinderat muss sich jetzt zusammenraufen. Was Eckart Würzners Sieg bedeutet und was nun die wichtigsten Aufgaben sind.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Wahl ist vorbei, doch der alte und neue Oberbürgermeister Eckart Würzner hat keine Zeit, um zu verschnaufen. Bereits im März wird er seinen nächsten Doppelhaushalt in den Gemeinderat einbringen und damit wichtige Weichen für die Zukunft stellen.
Welche Auswirkungen aber hat der deutliche Sieg des Amtsinhabers für die Arbeit im Gemeinderat? Und was sind die dringlichsten Aufgaben, die nun angegangen werden müssen? Dazu haben die Vorsitzenden der Fraktionen unterschiedliche Meinungen. Eine Umfrage zeigt, dass sich in einem Punkt alle einig sind: Würzner kann gestärkt und selbstbewusst in seine dritte Amtszeit starten und muss trotzdem auf die rechnerische Mehrheit der Mitte-Links-Gruppierungen achten.
Im aktuellen Gemeinderat gibt es folgende Sitzverteilung: Grüne (16), CDU (7), SPD (7), "Heidelberger" (3), FDP (3), Die Linke (3), GAL (2), AfD (2), Bunte Linke (2), Freie Wähler (1), Heidelberg in Bewegung (1), "Die Partei" (1). Damit haben CDU, "Heidelberger", FDP und Freie Wähler, die Würzners Kandidatur unterstützt haben, nur 14 von 48 Sitzen.
> Die Grünen gehen auf Eckart Würzner zu. Die Fraktion stellt immerhin ein Drittel der 48 Gemeinderatsmitglieder. Als Grünen-Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo Würzner zur Wiederwahl gratuliert hatte, habe dieser ihm direkt ein Gespräch und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angeboten. "Wir wollen themenbezogen und konstruktiv im Gemeinderat zusammenarbeiten", so Cofie-Nunoo. Schwerpunkte im Doppelhaushalt sollten nach Ansicht der Grünen die Großthemen Klimaschutz, Verkehr und Wohnen sein. Positiv bewertet Cofie-Nunoo, dass man mit anderen politischen Gruppen wie der GAL im Bündnis der "Wechselbürger:innen" die Zusammenarbeit intensiviert habe. "Es gab eine gewisse Polarisierung im Wahlkampf. Aber unser Job ist es nun, das zu überwinden."
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> Die CDU fordert: "Ein ,Weiter So’ darf es nicht geben!" Die bürgerliche Mitte sei dank der Teamleistung von CDU, FDP, "Heidelberger" und den Jugendorganisationen gestärkt worden, so Fraktionschef Jan Gradel. "Jetzt müssen wir von den unterlegenen Fraktionen erwarten, dass sie das respektieren", so Gradel. Von der Gegenseite sei im Wahlkampf "unnötig viel Porzellan" zerschlagen worden. Es sei nun an den Grünen und den Fraktionen der "Wechselbürger", den Wahlkampf hinter sich zu lassen. Denn die dringlichen Aufgaben, die Bewältigung der Energiekrise und der wirtschaftlichen Situation, könnten nicht warten. Gradel prognostiziert, dass die Kosten zur Erreichung der Klimaneutralität sogar noch höher liegen als der bisherige Schuldenstand der Stadt. Die Aufgabe sei nur zu bewältigen, wenn man die Wirtschaft unterstütze.
> Die SPD hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit. "Für uns ist wichtig, dass der Wahlkampf beendet ist", sagt Fraktionschefin Anke Schuster. Alle Fraktionen sollten bei den Beratungen zum Doppelhaushalt an ihre gemeinsame Verantwortung denken. Die SPD wird dabei Würzner an sein Wahlversprechen erinnern, dass er die Idee von SPD-Kandidat Sören Michelsburg übernommen habe, ein Referat für bezahlbares Wohnen einzuführen. Zudem will die SPD bei der Schulmodernisierung aufs Tempo drücken. "Und ich erwarte, dass der OB jetzt die Leitung der Haushaltsstrukturkommission des Gemeinderats übernimmt", fordert Schuster. "Nur so kann er zeigen, dass er unsere Anliegen ernst nimmt." Einig seien sich alle, dass die Verwaltung mehr Personal benötige, aber an der richtigen Stelle.
> Die "Heidelberger" fordern eine Abkehr vom "grünen Egotrip". Fraktionschefin Larissa Winter-Horn kritisiert den aggressiven Wahlkampf der Grünen. Seit dem Erfolg bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2019 seien sie auf einem "Egotrip": "Ich hoffe, dass sie jetzt zugänglicher werden." Die "Heidelberger" wünschen sich eine Priorisierung der Projekte. Wichtigste Aufgaben seien die Schaffung von Wohnraum, die Schulsanierung und die Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur.
> Die FDP sieht Gemeinsamkeiten mit der SPD. Auch weil sich die Sozialdemokraten nicht geschlossen hinter die OB-Kandidatin Theresia Bauer gestellt haben, sieht FDP-Fraktionschef Karl Breer die Genossen in einer neuen Rolle. Während die SPD häufig bei entscheidenden Abstimmungen mit dem "linken" Lager gestimmt habe, sieht er sie nun eher in einer Vermittlerrolle. Beim Thema Doppelhaushalt hätten die beiden Fraktionen, was die Sparsamkeit angehe, viel gemeinsam. Von Würzner erwartet Breer nun aber auch mehr Durchsetzungsvermögen. Er sollte jetzt versuchen, den letzten acht Jahren seiner Amtszeit seinen Stempel aufzudrücken. Breer wünscht sich, dass die Stadt für mehr Fachkräfte im Handwerk sorgt, indem sie Bürokratie bei der Integration von Ausländern im Arbeitsmarkt abbaut.
"> Die Linke" will Eckart Würzner beim Wort nehmen. Fraktionschefin Sahra Mirow denkt dabei insbesondere an eine beim Oberbürgermeister angesiedelte Stelle zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. "Es hätte in vielen Bereichen einen Wechsel gebraucht. Aber wir haben immer noch eine Mitte-Links-Mehrheit im Gemeinderat", so Mirow. Damit ließe sich einiges erreichen.
> Judith Marggraf (GAL) sieht keine dauerhafte Annäherung an die Grünen. Namhafte Vertreter der Grün-Alternativen Liste engagierten sich im Bauer-Bündnis der "Wechselwähler:innen". "Es gab aber keine Gespräche zwischen GAL und Grünen, dass man ein neues Kapitel aufschlagen möchte", so GAL-Stadträtin Judith Marggraf. Mit der Trennung von der GAL hätten sich die Grünen vor 16 Jahren gegen den kommunalpolitischen Sachverstand der Wählervereinigung entschieden. Das merke man teilweise bis heute. Die Wiederwahl Würzners sei nicht mit seiner Stärke zu erklären, sondern mit der Schwäche der Grünen. "Wir selbst wollen keine ideologischen Pfosten einschlagen", so Marggraf. Auch mit Stadtrat Frank Beisel arbeite man in der Arbeitsgemeinschaft gut zusammen, obwohl dessen "Freie Wähler" im zweiten Wahlgang Würzner unterstützten.
> "Bunte Linke"-Stadtrat Arnulf Weiler Lorentz kritisiert die "mangelnde taktische Disziplin" der Mitte-Links-Parteien im Wahlkampf. Dabei nimmt er auch seine eigene Wählervereinigung nicht aus, die sich nicht eindeutig für Theresia Bauer ausgesprochen hatte. Besonders aber die SPD habe sich nicht klar für das Bündnis positioniert. Die "Bunte Linke" werde zwar weiter Anstöße geben für mehr Ökologie und Solidarität. Ohne die Grünen und die SPD sei aber nichts zu erreichen. "Besonders hoffnungsvoll bin ich nicht."
> Einzelstadtrat Waseem Butt ("Heidelberg in Bewegung", HIB) braucht keine Parteien und will weiter sachorientiert mit allen Fraktionen zusammenarbeiten. "Ich glaube nicht, dass es wirkliche, dauerhafte Konflikte geben wird." HIB habe sich zwar für einen Wechsel eingesetzt. Butt habe aber auch großen Respekt vor Eckart Würzner.