Traditionsclubs suchen Wege aus der Krise
Wegen der neuen Sperrzeiten müssen sich die Tangente, der Club 1900 und das Cave 54 neu erfinden - Erhebliche Umsatzeinbußen

Die drei Clubs in der Altstadt gehen unterschiedlich mit der Krise um: Am Rande eines Konzerts im Cave 54 genießen die Gäste die Atmosphäre im Gewölbekeller (links), Georgios Messas von der Tangente bietet inzwischen Themenabende an (oben rechts), während die Bar im Club 1900 am Wochenende bis 5 Uhr in Betrieb ist. Fotos: Alex/Rothe/privat
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Jahrzehntelang hatten die drei Clubs Cave 54, Club 1900 und Tangente ein Alleinstellungsmerkmal. Das lag an den besonderen Sperrzeiten für die Altstadt: Während die anderen Kneipen in diesem Stadtteil bis 2014 am Wochenende um 3 Uhr schließen mussten, hatten die drei Traditionsdiscos eine Sondergenehmigung. Dort konnten die Nachtschwärmer noch zwei Stunden weiterfeiern. Schon die Liberalisierung 2015, vor allem aber die Einführung neuer Sperrzeiten Ende vergangenen Jahres bedrohte die drei Betreiber in ihrer Existenz. Die Clubs, deren Geschichte bis in die 1950er Jahre zurückreicht, gehen ganz unterschiedlich mit der Krise um.
"Ich habe einen Umsatzrückgang bis zu 50 Prozent", klagt Tangente-Betreiber Georgios Messas. Das liegt vor allem an den neuen Sperrzeiten, aber auch an den Spätfolgen eines Brandes im Juli 2014: Danach war die Disco in der Kettengasse elf Monate geschlossen, Messas verlor viele Stammgäste. Gerade hatte er sich davon erholt, da führte der Gemeinderat Ende 2016 die neuen Sperrzeiten ein. In den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag dürfen die Kneipen nur noch bis 4 Uhr morgens öffnen, an den restlichen Tagen ist um 2 Uhr Schluss. Die Regelung, so die Entscheidung der Stadträte, sollte auch für die Tangente, das Cave 54 und den Club 1900 gelten. Wenn sie eine Sondergenehmigung wollten, müssten sie diese neu beantragen.
Messas ist nun dazu übergegangen, je nach Wochentag und Art der Veranstaltung zwischen drei und fünf Euro Eintritt zu verlangen. Er setzt auf Live-DJs und zielgruppenorientierte Musik: Donnerstags Elektro, freitags Hip Hop, möglicherweise kommt bald ein Sonntagabend für Lesben, Schwule und Freunde hinzu. Ab Januar, so hofft Messas, wird das Konzept endgültig stehen. Einen Antrag auf Sondergenehmigung für längere Öffnungszeiten stellte der Tangente-Wirt nicht - weil die Stadt Heidelberg hierfür ein Lärmgutachten verlangt.
Der Club 1900 in der Hauptstraße ist der Einzige, der im Geltungsbereich der Sperrzeiten eine solche Sondergenehmigung beantragt und erhalten hat. Laut Betreiber Werner Schäfer kostete ihn das Lärmgutachten rund 3000 Euro, hinzu kamen die Anwaltskosten. "Wenn ich nicht bis 5 Uhr öffnen dürfte, hätte ich wahrscheinlich dieses Jahr den Club dichtgemacht", sagt Schäfer. Er hat nur freitags und samstags geöffnet. Meistens kommen die ersten Gäste gegen 1 Uhr morgens.
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Damit er keinen Ärger mit den Anwohnern bekommt, bemühe er sich um eine "strenge Tür", betont Schäfer. Betrunkene werden weggeschickt, er wolle keine Leute bei sich haben, die später an Hauswände urinierten. Wie Messas regt sich Schäfer darüber auf, dass viele Wirte in der Altstadt den Alkohol viel zu günstig ausschenken. Es gebe viel zu viele "Saufkneipen", so Messas. Und das sorge für Lärmprobleme.
Das Cave 54 in der Krämergasse hatte das Glück, dass die Sperrzeitdiskussion mit einem Betreiberwechsel einherging. Werner Lorenz und Rico Riedmüller versuchen nun, mit Live-Musik Publikum anzuziehen: Jazz Session am Dienstag, wechselnde Bands, Stand Up Comedy. Das Konzept scheint aufzugehen.
Unterdessen rechnet die Stadt Heidelberg nicht damit, dass die Lärmbeschwerden in der Altstadt in diesem Jahr zugenommen haben. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wird voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres über eine Anwohnerklage entscheiden, die strengere Sperrzeiten durchsetzen will.