Mobilität, Klimaschutz, Bildung

Was die Heidelberger Fraktionsvorsitzenden wollen

Zum Schlagabtausch zu den großen Fragen vor der Kommunalwahl lud die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar in die "Wahlarena".

12.04.2024 UPDATE: 12.04.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 39 Sekunden
Ralph Kühnl (Rhein-Neckar Fernsehen) und Andreas Kempff (IHK Rhein-Neckar) befragten (v.r.): Nicole Marmé (CDU), Larissa Winter-Horn (Heidelberger), Anke Schuster (SPD), Florian Kollmann (Grüne), Tim Nusser (FDP) und Sahra Mirow (Die Linke). Foto: Philipp Rothe

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. In gut acht Wochen wählen die Heidelberger einen neuen Gemeinderat, und dabei geht es um viel. Das betonte Manfred Schnabel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, bei seiner Begrüßung der rund 80 Gäste am Dienstagabend im Rohrbacher Breitspiel. Die deutsche Wirtschaft habe in den letzten Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren, sagte Schnabel. Zu leiden hätten darunter besonders die Kommunen. "In der Kommunalpolitik werden die Dinge konkret, hier müssen wir sie lösen." Und das in einer Zeit, in der der finanzielle Spielraum angesichts des großen Investitionsbedarfs enger wird. Man werde sich daran gewöhnen müssen, Prioritäten zu setzen, sagte Schnabel. Und man werde auch die folgende Frage beantworten müssen: Wie entwickelt sich Heidelberg als Unternehmensstandort?

Die IHK Rhein-Neckar lud sechs Fraktionsvorsitzende von Heidelberger Parteien zur "Wahlarena" ein – und zwar nur der Parteien, die es bei der Wahl 2019 aus eigener Kraft zum Fraktionsstatus schafften. Mit dabei waren Florian Kollmann (Grüne), Anke Schuster (SPD), Nicole Marmé (CDU), Tim Nusser (FDP), Sahra Mirow (Die Linke) und Larissa Winter-Horn (Die Heidelberger). Sie stellten sich in mehreren Themenblöcken jeweils den Fragen von Ralph Kühnl, Geschäftsführer des Rhein-Neckar Fernsehens, und Andreas Kempff, Geschäftsführer Industrie, Dienstleistungsgewerbe und Unternehmensförderung bei der IHK Rhein-Neckar. Ausgewählte Positionen der Kandidaten zusammengefasst:

Gewerbe und Wohnen

Fläche ist in Heidelberg ein knappes und hart umkämpftes Gut. Geht es nach Nusser (FDP), müssen diejenigen Flächen, die planerisch von der Stadt als Gewerbeflächen ausgewiesen worden sind, auch als solche genutzt werden. Auch Winter-Horn (Heidelberger) und Marmé (CDU) wollen Flächen für die Wirtschaft ausdrücklich vorhalten, während Kollmann (Grüne) vorschlägt, unter anderem auf Mischnutzung zu setzen, also Gewerbe und Wohnen vermehrt zusammenzudenken. Schuster (SPD) zufolge muss man sich aber keine allzu großen Sorgen um die Heidelberger Wirtschaft machen: Mit über 158 Millionen Euro an Gewerbesteuer nehme die Stadt heute doppelt so viel ein wie noch vor 25 Jahren.

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An Wohnraum wollen die Fraktionsvorsitzenden nicht sparen – im Gegenteil: Alle sind sie der Meinung, es brauche mehr davon. Nur wie? Während es für Nusser (FDP) ein "Problem von Angebot und Nachfrage" ist, zeigt der Ist-Zustand für Mirow (Linke), dass der Markt "es eben nicht" regele. Nusser setzt auf "Bauen, bauen, bauen", Mirow will die städtische Wohnungsbaugesellschaft GGH so stärken, dass sie mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen kann. Winter-Horn (Heidelberger) und Kollmann (Grüne) wünschen sich auch mehr Ausbildungshäuser, um jungen Menschen günstige Unterkünfte anzubieten. Marmé (CDU) hingegen will unter anderem Druck auf das Land ausüben, um die Auflagen und Vorgaben im Bausektor zu verringern. Große Chancen sehen alle in der Entwicklung von Patrick-Henry-Village (PHV). Hier könnte man laut Schuster (SPD) eigene Wohnungen für Mitarbeiter von Firmen bereitstellen, so wie es die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mache.

Mobilität

Verkehr steht auf der Heidelberger Problem-Liste seit langem ganz oben, insbesondere im und rund um das Neuenheimer Feld. Winter-Horn (Heidelberger) wünscht sich daher weiter eine direkte Verkehrsverbindung ins Neuenheimer Feld. Auch Marmé (CDU) will eine fünfte Neckarquerung – aber nicht in Form einer Seilbahn. Denn die vielen Rettungswagen kämen so nicht über den Fluss, sagt Marmé. "Die Seilbahn kann sehr wohl ein Verkehrskonzept sein", findet dagegen Schuster (SPD): Wenn man genügend Menschen mit der Seilbahn ins Neuenheimer Feld bringe, seien die Straßen für die Rettungswagen frei. Bei der Frage, wie die Heidelberger Innenstadt künftig erreichbar sein sollte, setzen "Heidelberger" und CDU vor allem auf Park-and-Ride-Parkplätze an den Ortseingängen. Für SPD, Grüne und Linke steht an erster Stelle, das Bus- und Bahnnetz weiter auszubauen, auch in die umliegenden Kommunen. Das Auto wollen sie aber nicht vollends verbannen. "Wir werden ohne das Auto nicht auskommen", sagt Grünen-Vorsitzender Kollmann. Wie aber soll mehr ÖPNV in Zukunft finanziert werden? Linken-Vorsitzende Mirow setzt hierfür in Heidelberg selbst an. Sie schlägt eine Nahverkehrsabgabe nach französischem Vorbild vor. Das heißt: Heidelberger Unternehmen beteiligten sich an der Finanzierung des ÖPNV analog zu ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Alle anderen Fraktionsvorsitzenden sind gegen weitere Abgaben in Heidelberg. FDP-Chef Nusser betont: Die Heidelberger dürften nicht noch weiter belastet werden. Stattdessen müsse man an anderer Stelle im Haushalt streichen – auch wenn es wehtue. Anke Schuster (SPD) nimmt bei der Finanzierung vor allem das Land in die Pflicht. Die Stadt Heidelberg zahle aktuell 18 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt, um den ÖPNV gegenzufinanzieren. "Warum muss ÖPNV immer rein kommunal gedacht werden, wenn es doch eigentlich eine Versorgungsleistung ist?", fragt Schuster.

Klimaschutz und Energie

Heidelberg will bis 2030 klimaneutral werden. Auch für den Grünen-Vorsitzenden Kollmann ein ambitioniertes Ziel. "Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass wir das schaffen." Stattdessen müsse sich die Stadt auf das konzentrieren, was man schaffen könne: Energie aus dem Neckar beziehen, mehr Photovoltaik – und auch Windenergie. "Ich glaube, auch wir in Heidelberg sollten einen Beitrag zur Windenergie leisten", so Kollmann. "Der Klimawandel ist da. Wir brauchen deshalb eine Klimaanpassung, die konsequent durchgeplant ist", sagt Nusser. Und das heißt auch für den FDP-Mann: vor Ort Standorte für Windräder finden. Die "Nicht-in-meinem-Garten"-Mentalität beim Klimaschutz müsse aufhören, fordert Nusser. Anders die CDU: Die Partei will keine Windräder in einem FFH-Schutzgebiet. "Da gibt es bessere Flächen", sagt Marmé – auch in der Ebene gebe es genügend Wind. Winter-Horn (Heidelberger) wünscht sich beim Klimaschutz mehr "Konzentration auf effektive Maßnahmen": Die vielen Sonnenstunden vor Ort müsse man besser nutzen, etwa indem alle Sportgebäude mit Photovoltaik versehen werden. Und für Mirow (Linke) spielt die energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden eine wichtige Rolle.

Bildung und Arbeit

An hoch qualifizierten Menschen fehlt es Heidelberg nicht. Die Gymnasien haben die landesweit höchste Übergangsquote, weit mehr als 30.000 Studierende leben hier, hinzu kommen Tausende Akademiker. Doch wie gelingt es, auch genügend Fachkräfte für Tätigkeiten etwa im Handwerk oder der Verwaltung zu finden? Mehr Menschen in Ausbildung bringen wollen Winter-Horn (Heidelberger) und Marmé (CDU). Marmé wünscht sich in diesem Zusammenhang, dass das Land die Bildungspläne vermehrt in Richtung Handwerk verändert. Kollmann (Grüne) will berufliche Schulen in Heidelberg mehr in die Fachkräfte-Frage einbinden – und setzt, wie auch Nusser (FDP), zusätzlich auf Zuwanderung. Dafür brauche es aber auch entsprechende Bleibeperspektiven und Anerkennung von Abschlüssen, betont Mirow (Linke). Und Schuster (SPD) will, dass Unternehmen auch Menschen mit weniger geradlinigen Lebensläufen eine Chance geben.

Finanzen und Steuern

Heidelbergs Schuldenstand liegt auf Rekordniveau. Wer soll all das, was auf der To-do-Liste steht, also bezahlen? Eigentümer und Unternehmer sind es für Nusser (FDP) jedenfalls nicht: "Die Steuern dürfen nicht erhöht werden", sagt er. Er fordert vielmehr den Gemeinderat auf, zu prüfen, wo man im Haushalt streichen könne. Auch Marmé (CDU) verspricht: "Mit uns wird es keine weiteren Steuererhöhungen geben." Sie will ebenso den Rotstift ansetzen und "jedes weitere Projekt auf den Prüfstand stellen". Mirow (Linke) möchte vor allem auf "Prestigeprojekte" verzichten und schlägt eine Wirtschaftsteuer als Weiterentwicklung zur Gewerbesteuer vor – so könnten auch Freiberufler zur Kasse gebeten werden. Kollmann (Grüne) sperrt sich zumindest gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer. Und Winter-Horn (Heidelberger) wünscht sich vor allem Investitionen in die Zukunft: in Digitalisierung, Verkehr, Verwaltung und Schulen. Das begrüßt auch Schuster (SPD). Die Bewerbung um die "Europäische Kulturhauptstadt" hat für sie keine Priorität: Das könne sich die Stadt schlicht nicht leisten angesichts von 140 Millionen Euro, die man für die Sanierung von Schulen brauche.

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