Was Herzgesundheit mit dem Essen zu tun hat
Die Erforschung der mediterranen Ernährung begann in den 1950er-Jahren. Die Effekte der Mittelmeerkost sind gut belegt. Dennoch gibt es neue Ansätze.

Von Rolf Kienle
Heidelberg. Wann folgen Menschen Ernährungsempfehlungen? Wenn es schmeckt und die Zubereitung zeitlich und finanziell nicht zu aufwendig ist, sagt Stephan Bischoff, Mediziner und Professor für Ernährungsmedizin und Prävention an der Universität Hohenheim. Er legt den Menschen die mediterrane Kost ans Herz.
Zusammen mit den Ernährungswissenschaftlern Bettina Snowdon und Benjamin Seethaler hat er sich auf den Weg gemacht, zu erklären, warum die Kost gesund ist und Krankheiten vorbeugt.
Der Kombination von Lebensmitteln und Lebensstil messen die Ernährungswissenschaftler für den Erhalt und das Wiedererlangen von Gesundheit einige Bedeutung bei, wie aus ihrem Buch "Mediterrane Ernährung" hervorgeht. Eine Umstellung könne vor Volkskrankheiten wie Herzinfarkt und vielen weiteren Leiden schützen.
Die mediterrane Ernährung wurde zwar 2010 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen, doch eigentlich viel zu spät. Denn schon in den 1950er-Jahren forschte der amerikanische Arzt und Wissenschaftler Ancel Keys dazu. Ein italienischer Kollege hatte ihm erzählt, dass in Süditalien Herz-Kreislauf-Krankheiten nur selten vorkämen. Keys, der im Norden der USA als Kardiologe arbeitete, nahm ein Sabbatjahr und zog mit seiner Familie nach Europa, um regionale Unterschiede in der Häufigkeit von chronischen Krankheiten zu untersuchen. Schwerpunkt waren die Zusammenhänge mit der Ernährung. Die pure Annahme eines Zusammenhangs war damals noch umstritten.
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In seiner Studie erforschte Keys mit seinem Team die Ernährungsgewohnheiten und die Rate der Herzerkrankungen bei Erwachsenen in sieben Ländern. Mehr als 12.000 Männer untersuchten sie auf ihr Ernährungsverhalten und ihren Gesundheitszustand, ermittelten deren Körpergewicht, Rauchgewohnheiten, körperliche Aktivität, Ruhepuls, Blutdruck, Cholesterinspiegel und Lungenkapazität. Die Studienergebnisse bestätigten die Beobachtungen des italienischen Kollegen: In den USA waren Herzkrankheiten für fast die Hälfte und in Nordeuropa für 40 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. In Südeuropa nur für 17 Prozent.
Verantwortlich war nach den Erkenntnissen des Forschungsteams ein Ernährungsprinzip überwiegend auf der Basis von pflanzlichen Produkten und Vollkornerzeugnissen und wenigen tierischen Lebensmitteln. Was heute nahezu alle Fachleute bestätigen, war seinerzeit ein Meilenstein in der Geschichte der Ernährungsmedizin.
Und dennoch sollte die Popularität der mediterranen Ernährung in der Bevölkerung erst Jahrzehnte später zunehmen. Keys beschrieb die mediterrane Ernährung als reich an Obst, Gemüse und Olivenöl. Mitte der 1990er-Jahre bestätigte ein französischer Arzt die gesundheitsfördernden Effekte. Die mediterrane Kost wirke Übergewicht und Herz-Kreislauf-Krankheiten entgegen.
Diese Erkenntnisse regten schließlich zahlreiche klinische und epidemiologische Studien an. In einer spanischen Studie wurden über fünf Jahre die gesundheitlichen Effekte an 7500 Männern und Frauen untersucht, und zwar in drei Gruppen: mediterrane Ernährung mit Fokus auf extra nativem Olivenöl, mediterrane Ernährung mit Fokus auf Nüssen und eine Kontrolldiät mit einer fettarmen Ernährung.
Das Ergebnis: In den beiden Gruppen mit mediterraner Ernährung traten deutlich weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall auf, außerdem sank das Risiko für Brustkrebs und Typ-2-Diabetes.
Relativ jung sind Untersuchungen zur "grünen mediterranen Ernährung", die auf pflanzliche Nahrungskomponenten setzt. Dabei werden etwa 800 Milligramm Polyphenole mehr aufgenommen als in der normalen mediterranen Ernährung. "Polyphenole kommen in pflanzlichen Lebensmitteln vor.
Sie haben gesundheitsfördernde Eigenschaften, die man sich in der überarbeiteten Ernährungsform zunutze macht", schreiben die Autoren. Sie raten zu verringertem Verzehr von rotem und verarbeiteten Fleisch, was Fettleber-Erkrankungen verringere und noch besser vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schütze.
Bei den Menschen im Mittelmeerraum standen frisches Obst, Gemüse, Salate, Olivenöl, Nüsse, Samen, Kräuter und Fisch auf dem Speiseplan. Fleisch, Eier und Milchprodukte wurden zwar ebenfalls konsumiert, aber in kleinen Mengen. Ein Glas Rotwein gehörte im Übrigen traditionell zu den Hauptmahlzeiten. Damit die Integration all dieser Lebensmittel in die Küche leichter gelingt, stellen die Autoren in ihrem Buch eine Vielzahl von Gerichten vor, die relativ einfach nachzukochen sind.
Die Ernährung hat neben all den genannten gesundheitlichen Vorteilen auch Einfluss "auf eine ganze Reihe von neurologischen Erkrankungen", schreiben die Autoren und meinen damit vor allem Demenz und Schlaganfälle. Es gebe inzwischen zahlreiche Belege dafür.
Die mediterrane Ernährung ist nebenbei auch nachhaltig, weil sie stark pflanzenbasiert ist. Die Erzeugung tierischer Lebensmittel sei mit einem wesentlich höheren Wasser- und Energieaufwand verbunden und benötige mehr landwirtschaftliche Fläche als die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel, schreiben die Autoren.
Info: Stefan Bischoff, Benjamin Seethaler, Bettina Snowdon: "Mediterrane Ernährung", Trias-Verlag, 184 Seiten, 24,99 Euro.