Die Anwohner leiden, der Bürgermeister findet alles nicht so schlimm
Bürgermeister Wolfgang Erichson sieht keinen hohen Leidensdruck - "Das Problem wird sich nicht lösen"

Bei den Abschlussfeiern auf der Neckarwiese haben die Rettungskräfte viel zu tun. Doch den Anwohnern der Uferstraße geht es um mehr. Foto: Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. Glaubt man einigen Anwohnern, geht es auf der Neckarwiese in den Sommermonaten - von April bis Oktober - zu wie in Sodom und Gomorra: Lärm von Donnerstag bis Sonntag bis in die frühen Morgenstunden, Gewaltexzesse, eine offene Drogenszene, urinierende Jugendliche, bei den Abifeiern in diesem Jahr berichtete die Polizei sogar von öffentlichem Geschlechtsverkehr.
Ganz anders sieht es Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson. Im Haupt- und Finanzausschuss am Mittwochabend, wo es um die Verwaltungsvorlage "Situation auf der Neckarwiese" ging, ließ er die Stadträte wissen: "Im ganzen Jahr hat es nur 32 Lärmbeschwerden von Anwohnern gegeben. Und der Kommunale Ordnungsdienst bestätigt, dass die Jugendlichen die Musik auch leiser drehen, wenn man sie bittet." Überhaupt handle es sich lediglich um drei Beschwerdeführer, mit denen Erichson im Kontakt stehe und die außerdem zugezogen seien - und demnach gewusst hätten, "wo sie hinziehen". Auch der Stadtteilverein Neuenheim sei in der Neckarwiesen-Frage gespalten - die einen hielten die Situation für untragbar, die anderen nicht. Was Erichson nicht sagt: Im Bezirksbeirat Neuenheim vor gut zwei Wochen, als die gleiche Verwaltungsvorlage diskutiert wurde, waren es nicht drei Beschwerdeführer, die anwesend waren und das Wort ergriffen, sondern immerhin sieben. Außerdem äußerte sich auch Stadtteilvereinsvorsitzende Ilona Appel. Sie berichtete, dass der Leidensdruck der Anwohner so hoch sei, dass einige sich schon nach Wochenendhäusern im Odenwald umschauten. Daher müsse etwas geschehen, wie Appel meinte.
Doch Erichson ist der Überzeugung: "Das Problem wird sich nicht lösen lassen." Das sei auch nach der Besprechung der Vorlage im Jugendgemeinderat - eine der qualitativ hochwertigsten Diskussionen, die er in diesem Gremium je gehört habe - deutlich geworden. "So lange wir den Jugendlichen keine Alternative zur Neckarwiese bieten, werden sie dort feiern." Nach zehn Jahren im Amt könne er mittlerweile beurteilen, wo es wirklichen Leidensdruck gebe - und wo nur einige Stimmung machten. Vor drei Jahren habe man ein ganz anderes Problem auf der Wiese gehabt: das Grillen. Vor zwei Jahren seien es dann die Gänse gewesen, die alles verschmutzen, im vergangenen Jahr "die Flüchtlinge, die die Bänke blockierten" - und nun eben der Lärm. Im nächsten Jahr werde es wohl ein neues Problem geben.
Nach Erichsons Redebeitrag blieb die Diskussion der Stadträte im Haupt- und Finanzausschuss aus. Lediglich Mathias Kutsch (CDU) äußerte seine Zustimmung für Erichsons Sichtweise - und war sich sicher: "Wir werden gemeinsam eine Lösung mit den Jugendlichen finden." Schließlich nähmen diese nun auch am "Runden Tisch Neckarwiese" teil, der am kommenden Dienstag, 14. November, stattfindet - und extra um eine Stunde nach hinten verlegt wurde, damit Vertreter des Jugendgemeinderats nach ihrer Sitzung im Rathaus teilnehmen können.



