Heidelberg

Ist die Neckarwiese ein rechtsfreier Raum?

Anwohner beklagen schreckliche Sommernächte und eine offene Drogenszene - "Uferstraße unbewohnbar" - Polizei soll durchgreifen

27.10.2017 UPDATE: 28.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Archivfoto: dpa-Archiv

Von Anica Edinger

Heidelberg. "Ungeheuerlich", "Schlimm", "Erschreckend", "Nicht mehr tragbar": Einige Anwohner der Uferstraße finden drastische Worte für das, was sich den Sommer über ihrer Meinung nach auf der Neckarwiese abgespielt hat. Ihren gesamten Zorn konnten sie am Donnerstagabend in der Sitzung des Bezirksbeirates Neuenheim entladen - wo über die Verwaltungsvorlage "Situation Neckarwiese" beraten wurde - und die Anwohner ein Forum bekamen. Nicht nur die Bezirksbeiräte hörten sich dabei die Anliegen an, auch Bernd Köster, Leiter des Bürgeramts, und damit auch für die Ordnung auf der Neckarwiese zuständig, zeigte ein offenes Ohr - und machte sich fleißig Notizen.

Köster sagte: "Für uns sind die Beschwerden in dieser Intensität neu." Schließlich ging die Verwaltung davon aus, dass die Neuenheimer sich hauptsächlich an den Schulabschlussfeiern störten, die in diesem Jahr erneut eskalierten. Doch dem ist gar nicht so. "Ich möchte den jungen Leuten nicht absprechen, zu feiern", sagte ein Neuenheimer, der direkt an der Uferstraße wohnt. Er brachte die Problematik so auf den Punkt: "Das Neckarvorland wird zur akustischen Nahkampfzone - und das von März bis Oktober." Cabrios parkten unerlaubterweise mit aufgedrehten Musikanlagen an der Straße, Karawanen von Jugendlichen zögen vom Rewe in der Ladenburger Straße grölend auf die Wiese - natürlich volltrunken -, und verschiedene Gruppen feierten bis in die frühen Morgenstunden lautstark am Neckarufer. Zu allem Übel habe sich - insbesondere rund um die Theodor-Heuss-Brücke - eine offene Drogenszene etabliert.

Für die Anwohner ist die Neckarwiese mittlerweile ein rechtsfreier Raum. An Schlaf in den warmen Monaten überhaupt nicht mehr zu denken. "Die Uferstraße ist dann unbewohnbar", sagt der Anwohner - und erntet viel Zustimmung. Er sagt auch: "Wir haben es mit einer Generation von jungen Leuten zu tun, die keinen Respekt haben und keine Rücksicht zeigen."

Der Leidensdruck der Anwohner ist hoch - so hoch, dass sich einige schon nach Wochenendhäusern im Odenwald umschauen, wie Ilona Appel, Stadtteilvereinsvorsitzende und CDU-Bezirksbeirätin berichtete. Dazu kommt: Viele fühlen sich im Stich gelassen. Etwa Harald Hauser, einer der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft "Beruhigung des Neckarvorlandes": "Es ist am Wochenende immer Polizei da. Aber ich habe noch nie gesehen, dass Strafzettel verteilt wurden." Seit über 30 Jahren wohnt Hauser dort - und er ist überzeugt: "Es ist in den letzten zehn Jahren viel schlimmer geworden."

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Anwohner und Bezirksbeiräte waren sich also einig: Stadt und Polizei müssen härter durchgreifen. "Wir brauchen mehr Kontrollen, Falschparker müssen gnadenlos abgeschleppt werden", sagte etwa Jutta Lachenauer (Die Heidelberger). Für unerlaubtes Grillen außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen solle ordentlich kassiert werden, so eine ihrer weiteren Forderungen: Anstatt 35 Euro wie bisher, sollte ein Verstoß nach ihrer Vorstellung mindestens 100 Euro kosten.

Auch mit einem zeitlich und örtlich beschränkten Alkoholverbot, das die Stadt für die Abschlussfeiern der Abiturienten und Realschüler in Erwägung zieht, liebäugelten einige der Räte. Die Kinderbeauftragte Elena Salerno sah es so: "Ich bin für ein generelles Alkoholverbot bei den Feiern - auch zum Schutz der Kinder." Und Ellen Schneider-Göbbert (SPD) findet: "Wenn das Präventive nicht mehr klappt, muss man eben zu repressiven Mitteln greifen. Die Grenze auf der Neckarwiese ist erreicht - und zwar schon lange."

Köster versprach, die Anregungen der Räte und Anwohner mit zum nächsten "Runden Tisch Neckarwiese" am 14. November zu nehmen - gegenüber der RNZ betont er aber: "Für mehr Kontrollen müssen wir die Überwachungszeiten ausweiten - und dafür brauchen wir mehr Personal." Schließlich könne man die Dienstzeiten des Kommunalen Ordnungsdienstes nicht einfach verlängern. Zudem gebe es in der Stadt auch weitere Brennpunkte - Stichwort: Altstadt. Das gleiche Problem dürfte auch die Polizei haben. Frieder Rubik (Grün-Alternative-Liste) zog aus der Diskussion seinen eigenen Schluss: "Es gibt keine Lösung. Wir wollen auch keinen Friedhof an der Neckarwiese."

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