Kinderklinik Heidelberg

Was die Versorgung der kleinsten Patienten erschwert

Die Ärzte berichten von ihrer Arbeit. Es fehlen Material und Fachkräfte.

11.02.2023 UPDATE: 11.02.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Ministerin Petra Olschowski im Gespräch mit den Eltern der kleinen Katalea. Bei ihr wurde eine Spinale Muskelatrophie diagnostiziert. Eine neue Therapie kann ihr helfen. Foto: Philipp Rothe

Von Julia Lauer

Heidelberg. Die größte Hoffnung hier ist die auf ein gesundes Leben, auch wenn der Start schwierig ist. Um die Potenziale der Kindermedizin und um die Herausforderungen, vor denen sie steht, ging es am Freitagmorgen, als Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski die Kinderklinik im Neuenheimer Feld besuchte.

In Freiburg und Ulm war die Grünen-Politikerin schon, nun kam sie nach Heidelberg, um sich mit ihrem Antrittsbesuch ein Bild von der Arbeit am hiesigen Universitätsklinikum zu machen. Die Ärzte stellten der Ministerin, die das Amt im September 2022 von Theresia Bauer übernahm, verschiedene Fachbereiche, Labore und Geräte, aber auch die kleinsten Patienten vor.

Zu ihnen gehörte Henry, der den Besuch der Politikerin und ihres Gefolges in seinem Bett in aller Seelenruhe verschlief. Kabel, Monitore und sein sichtlich erleichterter Vater wachten über seinen Schlaf.

Zehn Tage nach der Geburt musste Henry eine schwere Operation über sich ergehen lassen, denn in seinem Körper war etwas durcheinander geraten: Die Hauptschlagader kam aus der rechten Herzkammer, die Lungenschlagader aus der linken.

Auch interessant
Neujahrsbaby in Heidelberg: Alva Emilia war am schnellsten
Heidelberg: Uniklinikum kann Versorgung weiter gewährleisten
Heidelberg: Kindertumorzentrum als Geschenk der Mäzene an das Land

Normalerweise ist es andersherum. Mit dem Eingriff konnten die Ärzte sie tauschen, auch Herzkranzgefäße setzten sie um. "Jetzt hat Henry eine normale Lebenserwartung", erklärte der Kinderkardiologe Prof. Matthias Gorenflo, was die Operation für das Leben des Jungen bedeutet.

Für die Ärzte hingegen bedeuten Eingriffe an Patienten wie Henry, dass sie entsprechend kleine Ausführungen der Medizintechnik brauchen – zum Beispiel Herzkatheter. Nur noch ein Hersteller biete sie an, sagte Gorenflo. "Wir haben enorme Probleme, Material zu bekommen."

Eine neue EU-Verordnung für Medizintechnik sorgt dafür, dass Anbieter großen Aufwand betreiben müssen, um eine Zulassung für diese wenig nachgefragten Medizinprodukte für Kinder zu erhalten. Hier gab Gorenflo, dessen Fachgebiet der Kinderherzmedizin unter der Regelung besonders stark leidet, Olschowski die Bitte um Unterstützung mit auf den Weg. "Die Firmen ziehen sich zurück", machte er deutlich.

Das ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der sich die Kindermedizin konfrontiert sieht; auch der Fachkräftemangel macht ihr zu schaffen. Die Kinderintensivstation im Souterrain der Kinderklinik hat 22 Betten und könnte entsprechend viele Kinder aufnehmen. Faktisch erhalten hier aber nur 16 Kinder eine Versorgung – für mehr junge Patienten fehlt das Pflegepersonal.

"Der Beruf ist körperlich und emotional anstrengend. Ich muss nicht erklären, was es bedeutet, ein Kind zu verlieren", machte Gorenflo die schwierigen Seiten der Arbeit deutlich. Einen Eindruck davon, wie eng Hoffnung und Verzweiflung hier oftmals beieinanderliegen, erhielten die Besucher im Treppenhaus. Gerahmte Bilder auf einem Tisch erinnerten an verstorbene Kinder.

Die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung, die seit 2020 gleichermaßen dazu befähigen soll, Säuglinge wie auch alte Menschen zu pflegen, erschwert die Personalsituation allerdings zusätzlich. Das hoben gleich mehrere Klinikvertreter hervor.

"Wenn die Generalisten fertig sind, wollen sie arbeiten. Bei uns können sie aber nicht gleich anfangen, sie müssen erst noch ein, zwei Jahre weiterlernen", erklärte Prof. Georg Friedrich Hoffmann, Ärztlicher Leiter der Kinderklinik.

Auch Klinik-Chef Ingo Autenrieth knüpfte hier an: So wie die Universitätsmedizin auf Fachärzte mit Zusatzausbildungen angewiesen sei, brauche sie auch in der Pflege hochspezialisierte Kräfte. Dass das Klinikum selbst sein Pflegepersonal weiterhin nach Erwachsenen und Kindern getrennt ausbildet, reicht nicht, um dem Bedarf zu decken – auch das wurde deutlich. Die jährliche Fluktuation des Pflegepersonals liege wie an anderen Häusern auch bei sieben Prozent, erläuterte Pflegedirektor Edgar Reisch.

Bei all den Schwierigkeiten machen die Erfolge Mut. So wie auch in dem Fall der kleinen Katalea. Kurz nach der Geburt stellten die Ärzte anhand eines Tropfens Blut aus ihrer Ferse die seltene Spinale Muskelatrophie fest. Dabei bauen die Muskeln ab, bis vor kurzem verlief die Krankheit tödlich. Inzwischen gibt es neue Möglichkeiten der Behandlung in Form einer Gentherapie – eine rund zwei Millionen Euro teure Spritze. Kataleas Eltern können nun sogar hoffen, dass ihre Tochter sich motorisch sehr gut entwickelt.

Die Ministerin zeigte sich bewegt von ihrem Besuch der Kinderklinik. "Ein gesundes Kind zu haben, ist nicht selbstverständlich", sagte sie. Das Niveau von Versorgung und Forschung sei faszinierend. "Die Heidelberger Uniklinik ist in Breite und Vielfalt spitze", lobte sie. Die Strukturen des Klinikbetriebs besser zu verstehen, sei auch wichtig mit Blick auf die Fusionspläne der Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim, so die Forschungsministerin. Dazu wolle sich das Land noch im März äußern.

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.