Der Intendant plant eine Joker-Spielzeit
Theater-Spielzeit ist beendet - Neue Konzepte für die Zukunft - Kleine Formate, Abstand halten, Parallelbetrieb in zwei Sälen

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Das Heidelberger Theater beendet die aktuelle Spielzeit. Auch alle anderen geplanten Veranstaltungen im Haus werden nicht mehr stattfinden. Lediglich die virtuellen Angebote auf den Social-Media-Plattformen sowie auf der Webseite und einzelne Projekte in der Stadt halten Kontakt zu den Heidelbergern. Wie Intendant Holger Schultze die Planungen für die Zukunft vorantreibt, erzählt er im RNZ-Gespräch.
Herr Schultze, die Spielzeit ist zu Ende, drei Monate vor der üblichen Zeit. Hatten Sie bisher noch Hoffnung auf ein Ende der Krise?
Jeder wusste eigentlich, dass wir nicht mehr spielen werden, aber bis heute gab es keine klare Ansage für die kommunalen Theater in Baden-Württemberg. Jetzt sind wir dabei, die Konzepte von Betriebsärzten und Arbeitsschutzrechtlern Stück für Stück auf Theaterbedingungen, auf Probenbedingungen umzusetzen.
Eigentlich müssten jetzt die Vorproben für die neue Saison beginnen. Wird das verschoben?
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Wir proben im Augenblick nicht. Es geht ja darum, die Mitarbeiter zu schützen. Und eines ist klar: Küssen, spucken, prügeln – das geht nicht mehr auf der Bühne.
Was machen Schauspieler und Regisseure, wenn sie auf der Bühne 1,5 Meter Abstand halten müssen? Und wie könnte das mit dem Orchester für eine Oper funktionieren?
Beim Tanz zum Beispiel versucht Iván Pérez damit umzugehen, wie man in Corona-Zeiten noch proben kann. Da geht es um Abstand halten und jede Stunde muss die Probebühne desinfiziert werden. Iván macht Corona zum Thema.
Werden die Zuschauer das dann auf der Bühne sehen können?
Ja, das wird kommen. Ansonsten läuft kein Probebetrieb. Wir erarbeiten Konzepte für die anderen Sparten. Beim Schauspiel zum Beispiel kann man Lösungen finden.

Gibt es Stücke, die sich für ein Spielen mit Abstand eignen?
Ja, wir sind dabei, für die nächste Spielzeit einen Corona-Spielplan zu entwickeln, den wir Ende Mai den städtischen Gremien vorstellen werden. Wir wollten "Dantons Tod" spielen, mit vielen Personen, sogar mit einem Bürgerchor. Das ist nicht mehr möglich. Auch nicht der "Mord im Orientexpress" in einem engen Eisenbahnwaggon. Stattdessen werden wir zum Beispiel "Bunbury" von Oscar Wilde spielen. Das kriegen wir mit Abstand hin. Auch in der Oper versuchen wir, ein Alternativprogramm zu entwickeln, ein Repertoire zu aktivieren, das mit weniger Besetzung und weniger Musikern läuft. 60 bis 70 Künstler und Techniker – das geht nicht.
Was geht stattdessen?
Kleine Formate. Eine Oper mit zwei Flügeln? Eine Oper ohne Chor oder mit einem von außen einzuspielenden Chor? Und die Frage ist noch, wie wir mit den Musikern umgehen.
Das klingt, als wären Sie den ganzen Sommer sehr beschäftigt.
Intendanten lernen in dieser Krisenzeit ganz viele neue Bereiche kennen: Kurzarbeit, Gesundheitsschutz, Virologie, neue künstlerische Formate ... Ganz ehrlich: Ich habe nicht mehr geglaubt, dass wir in dieser Spielzeit noch Theater spielen können.
Und in der nächsten?
Wir hoffen, dass wir dann mehr Erfahrung im Umgang mit Sicherheit und Ansteckung haben werden.
Sie müssten auch die Zuschauer jetzt so platzieren, dass zwei von drei Plätzen leer bleiben. Geht das? Lohnt sich das wirtschaftlich?
Das Konzept erarbeiten wir gerade. Ob es sich als wirtschaftlich erweist? Wir rechnen mit Riesenausfällen bei den Einnahmen. Aber wir haben einen Kultur-Auftrag und eine Aufgabe und müssen im Herbst versuchen, diese zu erfüllen. Wir ändern jedenfalls den gesamten Spielplan für die nächste Saison und rechnen auch mit eingeschränktem Spielbetrieb mindestens bis zum Jahresende.
Haben Sie die Einnahmeausfälle für die laufende Saison schon ausgerechnet?
Wir reden von Ausfällen in Millionenhöhe. Allein bei den Schlossfestspielen haben wir Ausfälle von 700.000 Euro. Für die neue Saison überlegen wir uns ein Szenario, wie wir in beiden Sälen parallel spielen können, denn wir werden in einem Saal nicht mehr als 60 oder 70 Zuschauer unterbringen können.
Bisher hieß es doch, Parallelbetrieb gehe aus akustischen Gründen nicht?
Man kann das mit Tricks überlagern. Eventuell geht ein Parallelbetrieb zeitversetzt.
Wie machen Sie das jetzt mit den Abonnenten für die Spielzeit 20/21? Können Sie Abos verkaufen? Und jeder sitzt dann auf seinem gewohnten Platz?
Wir haben rund 6000 Abonnenten und werden uns mit allen schriftlich und telefonisch in Verbindung setzen wegen der Gutscheine, die sie bekommen haben, und wegen möglicher Ermäßigungen. Die Überlegung ist: Das perfekte Abo verschiebt sich um ein Jahr, und die Abonnenten lassen sich auf eine Joker-Spielzeit mit uns ein.
Was bedeutet das, eine Joker-Spielzeit?
Wir wissen nicht, wie lange die Corona-Krise noch geht und müssen uns eine gewisse Flexibilität erhalten. Wir können einen Spielplan also immer nur für einige Monate festlegen.



