Heidelberger Altstadt

"Eine Reminiszenz an den ehemaligen Herrengarten wäre sehr erfreulich"

Der Kunsthistoriker Wolfgang Metzger erforschte die Geschichte der kurfürstlichen Anlage

17.08.2018 UPDATE: 18.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Der Heidelberger Wolfgang Metzger forschte zum ehemaligen Herrengarten. Foto: Alex

Heidelberg. (hö) Kaum jemandem ist heute noch bekannt, dass ein Gutteil der heutigen Altstadt - der korrekte Name des Areals zwischen Grabengasse und Bismarckplatz wäre Vorstadt - erst relativ spät bebaut wurde. In einem Teil, wo heute die Landfriedstraße liegt, erstreckte sich der einstige kurfürstliche Garten, auch Herrengarten genannt. Die RNZ wollte von dem Kunsthistoriker Wolfgang Metzger wissen, wie bedeutend der Herrengarten war - und ob es sich lohnt, aus dem winzigen Areal um die Providenzkirche wieder einen Park zu machen. Der 58-Jährige wohnt in Heidelberg und beschäftigte sich eingehend mit der Geschichte des Herrengartens.

Herr Metzger, was weiß man über den ehemaligen Herrengarten?

Verhältnismäßig viel, denn in den letzten Jahren wurden recht viele Quellen erschlossen, nachdem vorher fast nichts über die Anlage bekannt war - wahrscheinlich auch, weil sie in Vergessenheit geraten war. Im Wesentlichen haben wir Informationen über die Pflanzen und die Gestaltung. Die meisten Gartenelemente waren nicht dauerhaft gebaut, sondern wandelten sich immer etwas im Laufe der Zeit. Lediglich die Gebäude gaben dem Ganzen Kontinuität, wie beispielsweise das Schießhaus, von dem erstaunlich viel erhalten geblieben ist. Bekanntlich wurden dessen Arkaden ja beim Bau der Hochschule für Jüdische Studien vor zehn Jahren freigelegt.

So stellt sich der Herrengarten (grün eingefärbte Fläche) auf dem Merian-Stich von 1620 dar. Er wird zum Gaisberg hin durch das Schießhaus begrenzt, von dem die Arkadenöffnungen noch erhalten sind. Links oben sieht man die Peterskirche, am Neckar den Marstall.

Wie sah der Herrengarten denn aus?

Er war ja relativ groß, er reichte ungefähr von der Sandgasse bis über die Märzgasse. Es war ein stattliches Areal und sehr repräsentativ. Bis zum 17. Jahrhundert hatte er eine höfische Funktion: Es gab Turniere, Hochzeiten und auch kleine Feuerwerke.

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Heute denkt man bei einem Garten an einen Park. War der Herrengarten so?

Nein, denn zu einem Park gehören Bäume und Rasen. Der Herrengarten war ein Renaissancegarten mit ornamental gestalteten Beeten, der strengen formalen Richtlinien folgte. Und er war oft auch ein botanischer Garten, in dem man Pflanzen sammelte, gern auch exotische.

War er denn ein ähnlich großes Weltwunder wie sein Nachfolger, der berühmte "Hortus Palatinus"?

Nein, er hatte auch vom Platz her nicht die Möglichkeiten, da war schon der "Hortus Palatinus" die eindeutigere Attraktion, allein schon mit der Kühnheit der Terrassen. Allerdings war der Herrengarten durchaus eine respektable Einrichtung. Der Kurfürst musste sich nicht genieren, wenn er seine Standesgenossen dorthin einlud.

Grüne Oase vor über 80 Jahren: So sah der Providenzgarten noch in den dreißiger Jahren aus. In ihm plätscherte sogar ein kleiner Zierbrunnen. Fotos: privat

Wie und wann ging es mit dem Herrengarten bergab?

Mit der Anlage des "Hortus Palatinus" büßte er an Bedeutung ein, er rückte an die zweite Stelle. Er diente aber weiterhin als Zier-, aber auch als Nutzgarten, in dem beispielsweise Artischocken für den Kurfürsten angebaut wurden. Zeitweilig hatten sogar die Studenten das Recht, die Pflanzen zu studieren. Er war also durchaus auch der Öffentlichkeit zugänglich. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde er immer stärker zum Nutzgarten.

Und wie war sein Ende?

Da sind unsere Kenntnisse im Einzelnen lückenhaft, weil nicht allzu viel überliefert ist - gerade nach der Zerstörung Heidelbergs. Man weiß allerdings, dass im 18. Jahrhundert Maulbeerbäume wegen der Seidenproduktion angepflanzt wurden. Das, was an Steinen auf dem Gelände brauchbar war, wurde wohl in anderen Gebäuden weiterverwandt. Am Ende wurde er aufgeteilt und schließlich bebaut.

Grüne Oase vor über 80 Jahren: So sah der Providenzgarten noch in den dreißiger Jahren aus. In ihm plätscherte sogar ein kleiner Zierbrunnen. Fotos: privat

Wussten Sie denn von dem Baumbestand in dem Providenzgarten?

Ja, aber ich sah den immer nur von außen. Ich habe mich manchmal gefragt, ob da noch etwas vom alten Herrengarten im Boden zu finden ist, aber letztlich war das ja Privatgelände.

Was wäre Ihr Rat, wie man mit dem Providenzgarten umgehen würde?

Eine Rekonstruktion des Herrengartens käme nicht mehr in Frage. Aber eine Art Reminiszenz an ihn wäre ja denkbar. Insofern wäre eine Grünfläche sehr erfreulich, denn so richtig viel Grün gibt es ja in der Altstadt nicht.

Wäre es ein historischer Frevel, den Providenzgarten zu bebauen?

Das wäre zu hoch gegriffen, zumal ja der größte Teil sowieso schon bebaut ist. Es ist der normale Gang der Welt, dass Gärten irgendwann einmal weichen. Ich sehe das eher unter der Fragestellung, was heute die erfreulichere Lösung wäre. Und das wäre meiner Meinung nach eine Grünfläche.

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