"Warum nicht einmal klare Ziele benennen?"
Allein in Heidelberg mittlerweile bis zu 13.000 Betroffene - Bündnis fordert mehr politische Unterstützung

Sozialpädagogin Annett Heiss-Ritter sprach zum Auftakt der "Aktionswoche Armut" in der St.-Bonifatius-Kirche. Foto: Rothe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Die deutsche Wirtschaft brummt, die Regierung brüstet sich mit stetig sinkenden Arbeitslosenzahlen - und dennoch sind bundesweit mehr Leute denn je direkt von Armut gefährdet oder gar betroffen. Allein in Heidelberg trifft das auf mittlerweile zwischen 12.000 und 13.000 Menschen zu. Um darauf aufmerksam zu machen, organisiert das Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung einmal im Jahr die "Aktionswoche Armut". Zur Eröffnung der 14. Auflage unter dem Titel "Es reicht! Bei vielen nicht!" sprachen Annett Heiss-Ritter, die Vertreterin des Bündnisses, und Oberbürgermeister Eckart Würzner, der in diesem Jahr die Schirmherrschaft der Aktion innehat, in der St. Bonifatiuskirche.
"Wir wollen hinschauen auf die Armut und deren Folgen in unserer Stadt", so Heiss-Ritter. Die Sozialpädagogin warnte in ihrer Rede vor einem "weiteren Auseinanderdriften der Gesellschaft"; davor, dass sich immer mehr Menschen von Armut bedroht sähen - "in einem Land, in dem es doch eigentlich für jeden reichen müsste". Eine Ursache dafür sieht sie in der kapitalistischen Logik des Wirtschaftens: "Der liberale Markt regelt eben nicht alles. Wir brauchen das Soziale als Bindeglied und Fundament unserer Gesellschaft."
Damit einher geht für Heiss-Ritter auch eine verantwortungsvolle Politik. So fordert sie vonseiten der lokalen Entscheidungsträger mehr Rückendeckung für die Anliegen des Bündnisses. Außerdem brauche es ein konkretes sozialpolitisches Programm: "Warum nicht einmal klare Ziele benennen? Das geht in anderen Bereichen doch auch!"
Nicht ganz so kritisch beurteilte der Oberbürgermeister die Situation, wenngleich er klarmachte: "Es gibt etliche Menschen, die zwingend unsere Unterstützung brauchen, speziell Frauen und Kinder." Besonders hervor hob Würzner in seiner Rede aber die jüngere Entwicklung der Stadt - von ökologisch und wirtschaftlich erfolgreichen Bauprojekten wie der Bahnstadt bis zur funktionierenden Schulbildung. "Wir haben in Heidelberg nachgewiesen, dass wir uns Herausforderungen zu stellen wissen." Bei der Überwindung noch immer vorhandener Probleme setzt er primär auf kommunale Investitionen in öffentlichen Nahverkehr und bezahlbaren Wohnraum. Fernab davon gehe es aber auch darum, den Menschen Würde und Respekt zu geben, ihnen zu vermitteln, Teil der Gesellschaft zu sein.
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Die Bedeutung von Wertschätzung für das gesellschaftliche Zusammenleben steht auch im Mittelpunkt der Ausstellung "ArTmut", die im Anschluss an den offiziellen Teil eröffnet wurde. Unter Leitung von Anna Delong, Künstlerin und Mitarbeiterin beim Verein zur beruflichen Integration und Qualifizierung (VbI), bringen 27 lokale Künstler verschiedener sozialer wie kultureller Herkunft dabei ihre Perspektive auf die Gesellschaft zum Ausdruck. Unter ihnen ist auch Luisa Da Costa. Die Heidelbergerin mit mosambikanischen Wurzeln hat in ihrer Familie erlebt, was es heißt, von Armut bedroht zu sein. Mit ihren Werken möchte sie auf die Vielfalt von Menschen aufmerksam machen, denn: "Kunst verbindet alle Menschen - ganz egal, ob arm oder reich."