Heidelberg: Wohnprojekt Hagebutze will im Sommer in Mark Twain Village einziehen
"Wir tun nur das, was unbedingt nötig ist" – Dezente Sanierung sichert unschlagbare Mieten

Paul Pfeiffer (links) und das Ehepaar Lisa und Florian Lepold mit den Kindern Hanna und Ronja (auf Papas Arm) vor ihrer künftigen Heimat: Das Wohnprojekt Hagebutze wird das linke Gebäude komplett, das rechte zur Hälfte kaufen. Foto: Rothe
Von Sebastian Riemer
Vier Jahre lang haben sie geplant, diskutiert, Direktkredite eingeworben und mit der Stadt verhandelt - jetzt sind sie endlich auf der Zielgeraden: Wenn alles gut geht, könnten die Mitstreiter des gemeinschaftlichen Wohnprojekts Hagebutze nächsten Sommer in ihre eineinhalb Häuser im Mark Twain Village (MTV) in der Südstadt einziehen.
"Wir wollen noch dieses Jahr von der Stadt kaufen", sagt Florian Lepold bei einem Vor-Ort-Termin. Inzwischen ist die Gruppe, die das Haus und die notwendigen Sanierungen durch ein Syndikatsmodell (siehe Hintergrund) finanziert, auf 45 Personen angewachsen, die einziehen werden. "Insgesamt wird es 23 Wohnungen geben, von der Single- über die Familienwohnung bis zur Groß-WG", so Lepold. Er selbst zieht mit seiner Frau Lisa und den beiden Kindern Ronja und Hanna ein.
Hintergrund
Die Finanzierungsmodell
Das Wohnprojekt Hagebutze finanziert sein Objekt im Mark Twain Village durch ein Syndikatsmodell. Die Mietshäuser Syndikat GmbH ist ein Verbund von 98 Hausprojekten und 25 Projektinitiativen in ganz Deutschland. Ihr Ziel ist, dauerhaft günstigen
Die Finanzierungsmodell
Das Wohnprojekt Hagebutze finanziert sein Objekt im Mark Twain Village durch ein Syndikatsmodell. Die Mietshäuser Syndikat GmbH ist ein Verbund von 98 Hausprojekten und 25 Projektinitiativen in ganz Deutschland. Ihr Ziel ist, dauerhaft günstigen Wohnraum zur Miete zu schaffen. Der Mietpreis soll dabei etwa 20 Prozent unter dem Mietspiegel des jeweiligen Ortes liegen. Das Syndikat beteiligt sich an Projekten, wodurch die Wohnobjekte dem Immobilienmarkt entzogen werden - sie können nicht weiterverkauft werden. Projekte wie Hagebutze gründen zusammen mit dem Syndikat eine GmbH, die gemeinsam Kredite aufnimmt - zum einen bei der Bank, zum anderen per Direktkredit bei Privatleuten. Der Clou an diesem Finanzierungsmodell: Wer in das Haus einziehen will, benötigt als Mieter kein eigenes Kapital - kann sich aber jederzeit als Direktkreditgeber einbringen. Weitere Infos im Internet unter www.syndikat.org.
Hagebutze sucht Kreditgeber
Hagebutze sucht weiterhin Direktkreditgeber. Laut Eigenwerbung der Gruppe erhält der Kreditgeber "eine sehr sichere Geldanlage mit konkretem Gegenwert". Kreditgeber können Höhe (ab 250 Euro) und Laufzeit ihres Kredits wählen - und sogar die Verzinsung: Hagebutze bietet zwei Prozent. Wer die Gruppe und ihre Ideale stärker unterstützen möchte, kann sich einen niedrigeren - oder auch keinen - Zins auszahlen lassen. Durch die eingenommene Miete in den Objekten in Mark Twain Village werden die Zinsen und die Tilgung der Darlehen finanziert. Infos und Kontakt unter www.hagebutze.de.
Sobald die Gebäude dem Team von Hagebutze gehören, wollen sie sofort loslegen: In manchen Räumen muss der Boden raus, weil er schadstoffbelastet ist. Auch die alten Küchen sollen raus. "Wir gehen aber nach der Devise vor: Nur das tun, was unbedingt nötig ist", sagt Paul Pfeiffer, der mit seiner Frau einziehen wird. "Dadurch wollen wir die Mieten so gering wie möglich halten, denn das ist ja der Grundgedanke unseres ganzen Projekts."
Am aufwendigsten wird die Änderung von Wohnungszuschnitten, um den Bedürfnissen von Paaren ebenso gerecht zu werden wie denen von Großfamilien. Manche Wände müssen eingerissen, andere neu hochgezogen werden. Das Erdgeschoss soll barrierefrei werden. Ziel von Hagebutze ist ein Quadratmeterpreis zwischen fünf und sieben Euro. "Das 12-Quadratmeter-WG-Zimmer kostet dann etwa 130 Euro kalt im Monat", sagt Pfeiffer. Ein unschlagbarer Preis auf dem Heidelberger Wohnungsmarkt. Kein Wunder, dass Hagebutze fast voll ist, nur noch für wenige Wohnungen werden Mieter gesucht. Und die Warteliste ist lang.
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Das Besondere bei Hagebutze ist der Gemeinschaftsgedanke: Im Erdgeschoss soll eine Art öffentliches Café entstehen, ein Treffpunkt für Bewohner und Freunde, in dem auch Konzerte oder Lesungen stattfinden können. Zudem verpflichtet sich jeder Mieter zu 105 Stunden unbezahlter Arbeit für die Gemeinschaft. "Das kann etwa Kinderbetreuung sein oder Hausmeisterdienste", sagt Pfeiffer. Zudem soll die Wohngemeinschaft über die Jahre nicht überaltern. Steht ein Neueinzug an, wird darauf geachtet, dass möglichst die Hälfte aller Mieter unter 30 Jahre alt ist.
Mittlerweile hat Hagebutze rund die Hälfte der benötigten Direktkredite eingeworben. Obwohl Kauf und Umbau damit wahrscheinlich zu stemmen sind, werden noch weitere Kreditgeber gesucht. Doch bevor die MTV-Pioniere "ihre" Gebäude von der Stadt kaufen können, muss noch eine letzte Hürde genommen werden: Zwar hat Heidelberg das komplette ehemalige US-Areal bereits von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gekauft - aber der Haushaltsausschuss des Bundestags muss dem Vertrag noch zustimmen.
Wenn alles klappt, werden in der Nachbarschaft der Hagebutze-Mieter künftig ebenfalls gemeinschaftliche Wohnprojekte unterkommen. Die Stadt hat insgesamt sechs Häuser für solche Projekte reserviert. Am 11. Oktober stellen sich beim Aktionstag Gemeinschaftliches Wohnen neben Hagebutze auch die anderen vier Projektgruppen von HD-vernetzt - Konvisionär, Woge, Horizonte und Communale - direkt auf dem Gelände vor.
Info: Aktionstag Gemeinschaftliches Wohnen in Mark Twain Village, 11. Oktober, 11 bis 16 Uhr, Zugang über Eingang Rheinstraße.