"WohnWende" will mehr Wohnprojekte und mehr Tempo bei PHV
Kommt jetzt die "Zäsur" in der Wohnungspolitik? Das Bündnis will eine aktivere Bodenpolitik. Stadträte stehen hinter den Forderungen.

Von Ludwig Spitaler
Heidelberg. Sie fordern nicht weniger als eine "Zäsur in der Wohnpolitik" der Stadt – und stoßen damit offenbar bei der Mehrheit der Gemeinderäte auf offene Ohren. Das "Bündnis WohnWende" hatte am Mittwoch zum Vernetzungstreffen eingeladen und seine Forderungen zu vier Themengebieten vorgestellt. 40 Interessierte befassten sich dabei mit aktiver Bodenpolitik, solidarischen Wohnprojekten und "Housing First" – einem Konzept für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit – sowie dem noch immer leer stehenden Patrick-Henry-Village (PHV). Ein Überblick:
Stadt soll mehr Grundstücke kaufen
Annett Heiß-Ritter vom Bündnis "WohnWende" stellte zu Beginn klar: "Boden gilt als Kapitalanlage. Das treibt den Preis in schwindelerregende Höhen." Die Stadt müsse deshalb aktiver werden, mehr Boden kaufen und im Besitz behalten und gemeinwohlorientiert denken. Als Beispiel nannte sie die Stadt Ulm. Dort gebe es einen starken politischen Willen in Kombination mit stringentem Handeln der Verwaltung. Die Preise seien dadurch weit niedriger. "In Heidelberg fließen gerade mal drei Prozent des Investitionsvolumens in den Grundstückserwerb", so Heiß-Ritter. Vom Gemeinderat fordere das Bündnis eine klare Aufstockung des Budgets.
Solidarische Wohnprojekte fördern
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Ein aktives Handeln der Stadt sei auch die Voraussetzung für solidarische Wohnprojekte nach Vorbild der "Parasol GmbH", so der Co-Vorsitzende des neuen Wohnprojekts in den Campbell Barracks, Sebastian Erhard. Ohne Unterstützung seien ähnliche Projekte häufig nicht finanzierbar. Besonders stellte Erhard den ökologischen Nutzen von gemeinschaftlichem Wohnen heraus: "Weniger Wohnraum pro Kopf ist umweltfreundlich." Hinzu komme der gesellschaftliche Nutzen. "Selbstverwaltung bedeutet Demokratie.

Solidarische Wohnprojekte sprechen soziale wie ökologische Bedürfnisse an." In Heidelberg gibt es zwar mittlerweile eine Handvoll solcher Projekte – damit es in Zukunft noch viel mehr werden, brauche es aber Beratungsstellen, Vorkaufsrechte und Solidarfonds. "Wenn Wohnraum für immer dem Markt entzogen wird, bleibt er auf Dauer auch bezahlbar", so Erhard.
"Housing First" gegen Obdachlosigkeit

Nicht minder wichtig war den Anwesenden, dass bei der angestrebten Trendwende auch die Obdachlosigkeit bekämpft werde. Thomas Zhou von der "Grünen Jugend" sprach sich für das Konzept "Housing First" aus, bei dem Betroffenen ohne Auflagen Wohnraum zur Verfügung gestellt wird: "Die Hürden, an eine Wohnung zu kommen, sind für Menschen ohne Obdach oft riesig." Neben Abstinenz müsse eine allgemeine "Wohnfähigkeit" bewiesen werden. "Das ist für jemanden, der auf der Straße lebt, nicht ohne Weiteres zu gewährleisten", so Zhou.
Der 19-Jährige, der im Moment seinen Bundesfreiwilligendienst bei der Bahnhofsmission leistet, warb stattdessen für freiwillige Unterstützungsangebote. "Studien zeigen, dass diese bereitwilliger angenommen werden." Während der Diskussion kritisierten die Teilnehmer immer wieder die Tatenlosigkeit der Stadt. Das Konzept habe keine ausreichende Lobby. Dabei würde sich das Umdenken auch finanziell lohnen, betonte Zhou. "Die Kosten für Einsätze von Polizei und Rettung in den bisherigen Notunterkünften sind um ein Vielfaches höher als Wohnraum."
Patrick-Henry-Village endlich entwickeln

Kritik an der Stadtverwaltung und OB Würzner hagelte es vor allem im Hinblick auf PHV. Im Haushalt müssten Mittel bereitgestellt werden, um endlich die Nutzung des bislang leer stehenden Wohnraums in Gang zu bringen, die bereits für 2020 versprochen worden sei. "Eine energetische Sanierung geht eindeutig vor Abriss und Neubau", sagte Dorothee Hildebrandt von der "WohnWende". Wie für die anderen Punkte auch, brauche es dazu jedoch endlich mehr Personal für die Umsetzung.
Aufnahme in den städtischen Haushalt
Bei allen vier Punkten waren sich nicht nur die meisten Anwesenden einig – auch die Vertreter der Gemeinderatsfraktionen von Grünen, SPD, Linken und Grün-Alternativer Liste stimmten in den meisten Punkten zu. Nun gehe es darum, diese Posten auch in den anstehenden Haushaltsberatungen einzubringen, wie Grünen-Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo betonte. Dabei seien sich die anwesenden Fraktionen – sowie die Bunte Linke – jedoch weitgehend einig. Bernd Zieger von der "Linken" schlug gar einen gemeinsamen Antrag vor: "Bisher gibt es keine erkennbare Strategie in der Wohnungspolitik. Das muss sich für den neuen Haushalt definitiv ändern." Mit 28 Stadträten würden die fünf Fraktionen im Gemeinderat über eine deutliche Mehrheit verfügen.