Wie kann man das Clubsterben stoppen?
Sozialdemokraten luden zur Gesprächsrunde über Feierkultur in die Tangente ein - Disco-Betreiber und Verband lieferten Ideen

Kaum ein Bild beschreibt das Problem der Heidelberger Clubszene so wie dieses: Von 1979 bis Ende 2015 lockte der Schwimmbad-Club die Menschen zum Feiern ins Neuenheimer Feld. 2017 wurde die legendäre Disco schließlich abgerissen. Foto: Philipp Rothe
Von Matthias Kehl
Heidelberg. Hinter der Eingangstür in der Tangente steht am Mittwochstagabend ein kleiner Holzbriefkasten, daneben liegen Zettel und Papier. "Was soll die Stadt tun, damit sich wieder coole Clubs in Heidelberg ansiedeln?" steht auf der Box geschrieben. Diesen dort hingestellt hat die SPD, die an diesem Abend zu einer lockeren Gesprächsrunde in den Club in der Kettenkasse 23 eingeladen hatte.
Dass die Tangente, die 1963 in der Altstadt ihre Tore öffnete, wie die gesamte Clubszene in Heidelberg ums Überleben kämpft, ist ein Umstand, dem sich die Sozialdemokraten entgegenstemmen wollen. "Der Rückgang der Szene ist ein schleichender Prozess", sagt Fraktionsvorsitzende Anke Schuster, die neben ihrem Stellvertreter Michael Rochlitz und Stadtrat Mathias Michalski etwa ein Dutzend Gäste begrüßt.

Wie bietet man musikalische Vielfalt und trotzt den Dumping-Getränkepreisen? In der Tangente regten SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster (3.v.r.) und ihre Fraktionskollegen Mathias Michalski (4.v.r.) und Michael Rochlitz (5.v.r.) zur offenen Diskussion an. Foto: Rothe
Als der 70-jährige Rochlitz von der damaligen Vielfalt der Tanzszene am Neckar erzählt, nickt Werner Schäfer zustimmend mit dem Kopf. Der Betreiber des "Club 1900" in der Hauptstraße, der es sich an der Bar gemütlich gemacht hat, kennt die heutigen Probleme der Club-Besitzer genau. Besonders Dumping-Angebote in hiesigen Gaststätten zählt er zu den Problemen. "Die Leute kommen oft billig abgefüllt her und sind kaum noch bereit, reguläre Preise für ein Getränk zu zahlen - geschweige denn Eintritt."
In dieselbe Kerbe schlägt Yusuf Topal, der seit rund einem Jahr die Tangente übernommen hat: "Wir würden gerne noch mehr anbieten. Doch für größere Veranstaltungen inklusive guter Szene-DJs muss man investieren. Schon bei Eintrittspreisen von um die fünf Euro kehren uns Leute den Rücken." Dazu kämen die verpflichtenden Lärmgutachten, die Topal und Schäfer für ihre Altstadtclubs durchführen lassen mussten. "Dafür gingen bei uns über 5000 Euro drauf", sagt Schäfer. In Topals Tangente ebenso.
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Clubsterben in Heidelberg
In den vergangenen Jahren machten gleich drei städtische Feierhochburgen dicht: der Schwimmbad-Club, das Häll (beide 2015) und die Nachtschicht (2017).
Eine Studie des Geografischen Instituts der Uni Heidelberg im
Clubsterben in Heidelberg
In den vergangenen Jahren machten gleich drei städtische Feierhochburgen dicht: der Schwimmbad-Club, das Häll (beide 2015) und die Nachtschicht (2017).
Eine Studie des Geografischen Instituts der Uni Heidelberg im Auftrag der Stadt untersuchte im letzten Jahr, was dran ist am Phänomen des "Clubsterbens". Das Ergebnis: Das Angebot an Musikveranstaltungen und Clubs in Heidelberg ist deutlich kleiner geworden. So fiel die Zahl der Veranstaltungen in den letzten zehn Jahren um circa 60 Prozent, die Zahl der Veranstalter um fast 65 Prozent. Dagegen konnten größere Clubs wie die Halle 02 und der Karlstorbahnhof ihr Angebot zuletzt ausweiten. Von einem "Clubsterben" wollten die Macher der Studie deshalb nicht sprechen. Dennoch sind sie sich einig: Heidelberg braucht mehr Clubs.
Für ein attraktiveres Nachtleben in Heidelberg fordern die Wissenschaftler mehr Unterstützung vonseiten der Verwaltung. Konkret heißt das: mehr finanzielle Förderung oder auch niedrigere Gebühren für Plakatwerbung. Außerdem empfiehlt die Studie, mehr städtische Flächen für Clubs bereit zu stellen. pne
"Wir sehen uns da als Kommunalpolitiker in der Pflicht", sagt Stadtrat Michalski. So attraktiv Heidelbergs Altstadt auch sei, bräuchte es gerade für die Jungen eine größere Vielfalt an Feiermöglichkeiten. Um Vorschläge für eine konzeptionelle Förderung war die Runde in der Tangente nicht verlegen. Allen voran die drei Vorsitzenden des Vereins Eventkultur Rhein-Neckar, Zora Brändle, Tobias Breier und Anna Blaich, brachten sich umfangreich ein.
Anstatt sich an bestehenden Modellen zu orientieren, müsse man die Förderung spezifisch an Heidelberg anpassen, findet Breier. Der 35-Jährige, der beim Karlstorbahnhof arbeitet, hat dafür eine Idee: "Die Clubszene sollte sich zusammen tun und eine Art Festival-Woche veranstalten." Dort könne man das vorhandene Potenzial sichtbar machen.
"Club 1900"-Betreiber Schäfer spricht sich für jährliche Fördergelder aus, mithilfe der er besondere Veranstaltungen attraktiver gestalten könne. "Die Gelder müssten für alle Clubs gleichermaßen fließen, damit eine Vielfalt an Musikrichtungen geboten ist", sagt Anna Blaich.
Nur 80.000 Euro stünden im Haushalt für diese Förderung zur Verfügung, so Fraktionsvorsitzende Schuster, die dafür kämpfen will, dass auch die Stadtverwaltung dem Clubsterben Einhalt gebietet.