Verkehrsplaner verteidigt die Änderungen im Straßenbahnnetz
RNV hat den Diskussionsbedarf in den Stadtteilen unterschätzt.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Das Liniennetz soll bereits nach den Pfingstferien angepasst werden. So sehen es die aktuellen Pläne der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) und der Stadt Heidelberg vor. Doch besonders der Vorschlag, die Straßenbahnlinie 23 künftig nur noch zwischen Leimen und dem Bismarckplatz pendeln zu lassen, sorgt in den südlichen Stadtteilen für Aufregung. RNV-Verkehrsplaner Edward Schneider (47) erklärt im Interview, was er sich bei diesen "Optimierungen" gedacht hat.
Herr Schneider, hat Sie der Unmut aus den südlichen Stadtteilen überrascht?
Nein, nicht wirklich. Uns ist bewusst, dass jede Liniennetzänderung auch Nachteile für einzelne Fahrgäste hat. Bei unseren Überlegungen schauen wir aber auf das Gros der Fahrgäste und wie wir mehr Menschen zum Umstieg bewegen können. Wenn wir die Gesamtheit des Netzes betrachten, überwiegen bei der jetzt geplanten Umstellung nach unserer Ansicht die Vorteile.

Besonders die Rohrbacher, aber auch die Emmertsgrunder und Boxberger haben das Gefühl, dass man Ihnen etwas wegnehmen möchte.
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Bei den Beschwerden geht es vor allem darum, dass die Linie 23 aus Richtung Leimen und Rohrbach künftig am Bismarckplatz enden soll. Wir begründen unseren Schritt mit der Fahrgastzählung aus dem Herbst 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Dabei haben wir festgestellt, dass die allermeisten Passagiere aus dem Süden spätestens am Bismarckplatz aussteigen. Nur 750 Personen am Tag fahren weiter nach Neuenheim und Handschuhsheim. Und dafür brauchen wir nicht die langen 40-Meter-Bahnen auf dieser Strecke. Hinzu kommt, dass die Verbindungen von der Innenstadt in den Norden nicht schlechter werden. Wer erst in der Kurfürsten-Anlage einsteigt, gelangt ja nach wie vor mit der Linie 5 ohne Umstieg in den Heidelberger Norden. Und selbst die Rohrbacher und die Südstädter kommen nach der Liniennetzänderung mit der 24 direkt nach Handschuhsheim. Die Fahrtzeiten zum Hans-Thoma-Platz sind genau identisch mit denen der Linie 23.
Die Linie 26 soll anstatt der 23 künftig über den Bismarckplatz auch nach Norden fahren.
Davon könnten nach unserer Berechnung schon heute 200 Fahrgäste am Tag profitieren. Die Linie 26 könnte zudem am Hauptbahnhof auch noch Passagiere der Umlandlinien 713 und 721 aufnehmen. Die Verlängerung der Linie 26, die dann künftig vom Kirchheimer Friedhof bis zur Haltestelle Burgstraße in Handschuhsheim fahren wird, hat aber auch einen Vorteil für die nördlichen Stadtteile. Dort haben wir dann künftig einen sauberen Fünf-Minuten-Takt. Dasselbe versuchen wir mit der Linie 24 und 23 in Rohrbach. Und es gibt eine weitere Verbesserung: Auch von der Bergheimer Straße kommt man mit der Linie 26 dann künftig nach Neuenheim. Es wird mit dem neuen Liniennetz also alles in allem mehr Direktverbindungen geben als bisher. Übrigens haben wir auch Verbesserungen für den Boxberg und den Emmertsgrund vorgesehen.
Welche?
Die Linie 29 wird jetzt zu allen Tageszeiten vom Boxberg bis zum Bismarckplatz durchgebunden, weil darüber ja jetzt auch das Mark-Twain-Village in der Südstadt erschlossen wird. Bisher endete sie abends schon in Rohrbach-Süd. Und die Linie 39A, die über das EMBL und den Speyerer Hof fährt, wird ab Pfingsten bis zum Technologiepark verlängert. Dadurch kommen die Bergstadtteile ohne Umstieg zum Neuenheimer Feld.
Viel Unmut aus den Stadtteilen hat auch damit zu tun, dass die geplanten Änderungen nicht vorher in den Bezirksbeiräten diskutiert wurden. Warum eigentlich nicht?
Den Gremienlauf gibt die Stadt vor. Wir wollen die Maßnahmen aber auch so zeitnah wie möglich umsetzen. Wir haben den Diskussionsbedarf vielleicht ein wenig unterschätzt.
Ein Ziel der Umstellung ist es ja auch, auf der Linie 22 künftig die langen 40-Meter-Bahnen einzusetzen, die durch die kürzere Fahrt der 23 frei werden. Können Sie das begründen?
Momentan haben wir wegen Corona relativ entspannte Fahrgastzahlen, da sind die kurzen Bahnen kein Problem. Vor der Pandemie kamen wir aber zu den Hauptverkehrszeiten auf der Linie 22 regelmäßig an unsere Kapazitätsgrenzen. Wir haben uns notdürftig mit Einsatz-Fahrten beholfen. Auf Dauer ist das aber keine Lösung. Zumal die Bahnstadt weiter wächst und parallel zur Straßenbahn fahrende Busse nicht erwünscht sind.
Warum haben Sie nicht einfach lange Bahnen beschafft und alles so gelassen?
Das geht leider nicht so schnell und wäre auch nicht wirtschaftlich. Zuletzt haben wir vor etwa zehn Jahren längere Bahnen in begrenzter Stückzahl bekommen. Sie waren eigentlich für das Neuenheimer Feld gedacht und werden jetzt auf der 23 und der 24 eingesetzt. Bei der letzten Auftragsbestellung war zudem die Entwicklung der Bahnstadt so nicht absehbar. Und es war auch noch nicht klar, dass wir die Haltestellen in Eppelheim entsprechend ausbauen können. Die Angebotsplanung ist immer ein dynamischer Prozess.
Auch einige Kirchheimer sind nicht zufrieden. Seit der letzten Linienänderung fährt die Linie 26 jetzt einen Schlenker über die Bahnstadt und die Czernybrücke, nicht mehr direkt zur Innenstadt. Hat sich dieser Linienweg bewährt?
Ja, das meine ich schon. Die Kirchheimer haben jetzt eine sehr gute Verbindung zum Hauptbahnhof und die wird rege genutzt. Wenn sie am Betriebshof umsteigen, kommen die Kirchheimer jetzt auch schneller zum Neuenheimer Feld. Insgesamt sind die Passagierzahlen auf der Linie 26 in etwa gleichgeblieben.
Nach Pfingsten sollen die jetzt vorgeschlagenen Änderungen greifen. Wie lange sollen sie dann gelten?
Was uns in den nächsten Jahren sehr beschäftigen wird, sind die Baustellen, vor allem die große Gleissanierung und der Haltestellen-Ausbau in der Dossenheimer Landstraße. Aber wir glauben, diese Herausforderung wird eher zu bewältigen sein, wenn wir den nun vorgeschlagenen Linientausch vornehmen können.
Längerfristig wird es große Veränderungen geben. Wenn der Masterplan für das Neuenheimer Feld so beschlossen wird, wird dort ein Straßenbahnring gebaut. Mit welcher Linie würden Sie den Campus erschließen?
Wir schlagen dafür nach wie vor die Linie 21 vor. Sie könnte vom Bismarckplatz über das Neuenheimer Feld nach Handschuhsheim fahren. Was sich darüber hinaus ergibt, wird man sehen. Denkbar wäre es auch, die Linie weiter nach Schriesheim fahren zu lassen.
Und wann geht es mit der Straßenbahn nach Patrick-Henry-Village los?
Noch werden dafür verschiedene Varianten diskutiert. Als Verkehrsplaner fände ich es gut, wenn wir uns bald auf eine einigen könnten. Dann können wir sie trimmen, um sie finanzierbar zu machen. Unser Wunsch wäre, die Trasse so schnell wie möglich zu bauen, um die neuen Bewohner dort von Anfang an für den Nahverkehr zu gewinnen.



