Heidelberg

Stadt droht Bußgeld, weil Stadträte Lärmaktionsplan ausbremsen

Ein Beschluss ist kaum noch fristgerecht möglich. Es ist ein Verstoß gegen eine Anordnung aus Stuttgart.

28.03.2025 UPDATE: 28.03.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
In der Rohrbacher Straße gilt nachts bereits aus Lärmschutzgründen Tempo 30. Diese Maßnahme sieht der städtische Lärmaktionsplan auch für viele weitere Straßen im Stadtgebiet vor. Der Gemeinderat muss ihn jedoch erst beschließen. Foto: Philipp Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Die Heidelberger Politik diskutiert gerade intensiv über den Haushalt. Weil viele Millionen fehlen, muss an allen Ecken und Enden gespart werden. Das Letzte, was die Stadt gerade gebrauchen könnte, wäre ein Bußgeldbescheid aus Brüssel.

Doch genau der droht, wenn Heidelberg nicht bald seinen Lärmaktionsplan umsetzt – und weil eine Mehrheit im Mobilitätsausschuss das Thema jüngst vertagte, ist ein fristgerechter Beschluss kaum noch möglich.

Dabei war die Warnung deutlich: "Das Land hat uns angemahnt, dass wir unseren Lärmaktionsplan bis spätestens 10. Mai beschließen müssen", betonte Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain zu Beginn der Sitzung am vergangenen Mittwoch. Denn eigentlich hätten Städte die EU-Umgebungslärmrichtlinie bereits bis Juli 2024 umsetzen müssen, indem sie entsprechende Konzepte erarbeiten.

Dazu muss die Verwaltung jeweils nach einem festen Verfahren berechnen, welche Gebäude wie stark von Lärm betroffen sind und im Zweifel Maßnahmen ergreifen. In der Regel sind das Geschwindigkeitsreduzierungen für Autos, da Verkehr die Hauptursache für gesundheitsbelastenden Lärm ist. Die Planung rechtzeitig zu beschließen hat Heidelberg – wie viele andere Kommunen – jedoch nicht geschafft, auch weil die Erarbeitung sehr komplex ist.

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Diese Verzögerungen sorgen jedoch für Ärger in Brüssel, wie ein Sprecher des Landesverkehrsministeriums der RNZ bestätigt: "Weil bereits in den zurückliegenden Runden nicht überall in Deutschland die erforderlichen Lärmaktionspläne erstellt wurden, hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet." Sollte der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik verurteilen, drohten hohe Strafzahlungen.

Und hier kommen Städte wie Heidelberg ins Spiel: "Aussicht auf eine Beilegung des Vertragsverletzungsverfahrens besteht durch eine flächendeckende Lärmaktionsplanung", so der Sprecher. Deshalb die Frist bis 10. Mai – dann sollen säumige Lärmaktionspläne nachgemeldet werden.

Auch deshalb habe man in Heidelberg beim Umwelt- und beim Mobilitätsamt – beide sind zuständig – auf die Tube gedrückt, um das Werk im März im Mobilitätsausschuss beraten und im April im Gemeinderat beschließen zu können.

Im September lag ein erster Vorschlag der Verwaltung vor, nach dem in vielen Straßen das Tempo ganztags oder nur nachts auf 30 Stundenkilometer reduziert werden soll. Im Anschluss konnten Bürgerinnen und Bürger Stellungnahmen abgeben – 65 Einwendungen kamen so zusammen.

Die wurden nun alle abgearbeitet und bewertet, sie führten auch zu vier kleineren Änderungen. Das dauerte jedoch so lange, dass die Verwaltung die entsprechenden Unterlagen erst zwei Tage vor der Ausschusssitzung zur Verfügung stellte – zu kurz, um sich sinnvoll einzuarbeiten, fand die SPD-Fraktion und beantragte die Vertagung.

Grüne und GAL sprangen zwar der Verwaltung bei, die warnte vor möglichen Bußgeldern. Eine Mehrheit stimmte jedoch mit der SPD – und sorgte für Sorgenfalten auf den Gesichtern der Amtsleitungen.

Denn auch wenn die EU formal Deutschland verklagt, hätte der Bund das Recht, Bußgelder an die Länder weiterzugeben, in denen die Umsetzung der Richtlinie aussteht. Und das Land wiederum könnte die Kosten den entsprechenden Kommunen aufbrummen. Ob man das auch machen würde, beantwortete der Sprecher des Stuttgarter Ministeriums auf RNZ-Anfrage nicht.

Er betont stattdessen, dass das Land 2024 seinen eigenen Lärmaktionsplan beschlossen habe und so den Druck auf die Kommunen reduziere. Dennoch appelliere man weiter an diese, "ihrer Verpflichtung zur Lärmaktionsplanung nachzukommen und durch eine möglichst ambitionierte Maßnahmenplanung vor Ort zum Schutz vor Verkehrslärm beizutragen".

Wann es in Heidelberg so weit sein wird, ist jetzt völlig offen. Der Mobilitätsausschuss tagt erst wieder Mitte Mai, ein Gemeinderatsbeschluss wäre dann im Juni möglich. Das wäre klar nach Fristende – so steht es aktuell jedoch im Ratssystem.

Ein früherer Beschluss wäre eigentlich nur mit einer Sondersitzung oder nach einer Beratung in einem fachfremden Ausschuss möglich. "Die Verwaltung ist bestrebt, den Lärmaktionsplan schnellstmöglich wieder in den Gremienlauf zu bringen", betont ein Rathaussprecher auf Nachfrage nur. Weitere Infos könne man bisher nicht geben.

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