Verein "Edugration" bietet Flüchtlingen Berufsorientierung
Sie sind froh, Hand anlegen zu können - Jeden Donnerstag wird gewerkelt

Hier wird gesägt, gebastelt und gemalt: Flüchtlinge nehmen an der "Educreation"-Reihe des Vereins "Edugration" teil. Das Projekt soll Berufsorientierung im handwerklichen Bereich bieten. Foto: Friederike Hentschel
Von Daniela Biehl
Heidelberg. In der Hand hält Ali Njie ein kleines Herz, gesägt aus Holz, bemalt in den Farben seiner Heimat Gambia. Njie ist einer von elf Migranten im Makerspace des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI). Jeden Donnerstag ist er hier, werkelt und bastelt mit dem Verein "Edugration": "Wir wollen Geflüchteten so Berufsorientierung bieten", sagt Rosemary Buch vom Verein, "gerade im handwerklichen Bereich." In angeleiteten Workshops sollen sie Arbeitsweisen und Werkstoffe kennenlernen. "Und sich am Ende fragen: Liegt mir das? Will ich das beruflich machen?", so Buch.
Schon im letzten Jahr entstand die Idee, Berufsorientierung zu bieten. Sarah Petzoldt und Rosemary Buch saßen im Marstall beieinander, sprachen über gemeinsame Bekannte, Flüchtlinge, die sie aus der Unterkunft auf den Patton Barracks kannten - und sie stellten fest, "dass viele von ihnen zwar glücklich waren, in der Freizeit etwas tun zu können. Die Fußballvereine hatten sich geöffnet, was total schön war. Aber beruflich fehlte ihnen etwas", erinnert sich Buch, "eine Perspektive." Und auch aus der Pädagogischen Hochschule hörten sie, wie schwer es war, Flüchtlinge in Vorbereitungsklassen auf ein Level zu bringen. "Das hat uns nachdenklich gemacht, und wir fingen an, uns zu überlegen, was wir tun könnten", sagt Petzoldt. Schließlich erarbeitete sie ein Buch mit einem Konzept, suchte sich Mitstreiter - ihr Verein zählt fast zehn Mitglieder -, auch finanzielle Unterstützung fand sie, etwa bei der Bürgerstiftung, dem EMBL oder DAI.
Letzte Woche fiel dann der Startschuss für die "Educreation"-Reihe. Elf Flüchtlinge waren gekommen. Es sollen aber noch mehr werden - und außerdem soll das Projekt ein integratives sein. "Wir stehen auch in Kontakt mit Italienern, die in einer ähnlichen Situation sind", meint Buch. "Da ist eine ganze Familie mit Jugendlichen ausgewandert, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, eine Ausbildung suchen, unsere Sprache noch lernen - und so gut zu uns passen."
Im Makerspace des DAI haben sie einen Stuhlkreis gestellt, den Beamer angeworfen und erzählen Njie und den anderen jetzt, was sie vorhaben. Zehn Workshops soll es geben. Die Themen heißen: Holz, Ton und Gummi. "Das letzte ist ein Up-Cycling-Projekt. Wir nehmen alte Fahrradschläuche und machen daraus etwas Neues: einen Gürtel, ein Sitzpolster", sagt Buch. Jedes Wort unterstreicht sie dabei mit Mimik und Gestik. Jeden Satz wiederholt sie zwei Mal, auf Deutsch und Englisch. Auch später, als die Flüchtlinge längst schon werkeln und sie erklärt, was eine Laubsäge ist, wechselt sie locker von Deutsch zu Englisch und nimmt hier und da ein paar gambische oder afghanische Wörter auf. "Wir machen es oft so, dass wir ihnen erklären, wie etwas heißt, und dann Rückkopplung suchen, wissen wollen, wie das Wort in ihrer Sprache wäre", sagt Buch. "Dann ist es mehr ein Spiel - und kein Du-musst-jetzt-etwas-lernen."
Im DAI wird es laut. Denn Njie und die anderen basteln Schlüsselanhänger aus Holz, mit Herz- und Afrikamotiven. Es wird wild gesägt. "Ein schönes Geräusch", meint Njie. Es erinnere ihn an Zuhause. In Gambia hatte er elf Jahre lang eine Schreinerei, machte Kommoden und Bänke. "Ich bin glücklich, wieder Hand anlegen zu können", sagt er. Und sein Kumpel Mamadou lächelt. "Das macht Spaß." Aus Guinea sei er mit seinem Bruder Abdoulay vor gut einem Jahr nach Heidelberg gekommen und wünscht sich vor allem einen Job. Dann hätte er Routine - und "etwas zu tun, feste Zeiten", sagt er.
Deshalb hat "Edugration" sich vorgenommen, den Kontakt zu Handwerksbetrieben zu festigen, in der Hoffnung, weitervermitteln zu können. "Auch eine Lernbegleitung ist geplant", sagt Buch, "um Flüchtlingen durch die Ausbildung zu helfen."