Heidelberg

Lebensmittel-Retter wühlen im Müll und zeigen sich selbst an

Aktivisten fischten am Samstag Genießbares aus dem Müll eines Supermarktes. Mehrere Teilnehmer zeigten sich selbst an und die Polizei stoppte die Aktion.

23.01.2022 UPDATE: 24.01.2022 06:01 Uhr 2 Minuten
Aktivisten suchen im Biomüll eines Supermarkts nach essbaren Abfällen und wollen so auf die Verschwendung aufmerksam machen. Foto: Rothe

Von Johanna Kober

Heidelberg. Eine Tüte mit Backwaren, abgepackte Obstteller mit Melone und Ananas, eine Tüte Feldsalat und zahlreiche vegetarische Sushipackungen – alles Lebensmittel, die eine Gruppe von knapp zehn Aktivisten am Samstagmittag aus dem Biomüll eines großen Supermarktes in Handschuhsheim fischte. Sie haben sich getroffen, um zu containern. Das Konzept ist einfach: weggeworfene und noch genießbare Produkte retten und verwerten, auch wenn das in Deutschland Diebstahl ist. Die Aktion soll nicht nur Nahrungsmittel vor der Verschwendung schützen, sondern auch ein Zeichen setzten.

"Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landet auf dem Weg auf den Teller im Müll – und das, obwohl in Deutschland gut 1,6 Millionen Menschen auf gespendete Nahrungsmittel angewiesen sind. Zusätzlich belastet die überschüssige Produktion unser Klima", erzählt die "Extinction Rebellion"-Aktivistin Pia Mang. Ähnliche Aktionen fanden am Wochenende bundesweit statt und dienen als Unterstützung der Organisation "Aufstand der letzten Generation”. Durch mediale Aufmerksamkeit wollen sie die Forderung nach einem "Essen-Retten-Gesetz" erreichen. Dieses soll große Supermärkte nach französischem Vorbild dazu verpflichten, noch genießbare Ware zu spenden.

Schnell sind Handschuhe angezogen, große Taschen bereitgestellt, die Deckel der Mülltonnen geöffnet und die Suche nach essbaren Abfällen konnte beginnen. Während die Beteiligten ihre Ausbeute begutachteten, tauchte der Marktleiter plötzlich bei den Mülltonnen auf. Ein wenig überrumpelt zeigte er Verständnis für das Anliegen der Gruppe, er wirkte offen für einen Dialog. Dennoch forderte er die Teilnehmer auf, die Produkte zurück in die Tonnen zu werfen. Doch die Demonstrierenden legen die geretteten Lebensmittel unbeirrt auf einem Biertisch aus, um sie an Passanten zu verschenken.

Zu ihnen gehört Dustin van Eßen. Er hat dankbar einige Produkte entgegengenommen. "Ich finde die Aktion super. In der westlichen Welt werfen wir so viel Essen weg, das eigentlich noch völlig in Ordnung ist, und gleichzeitig hungern Millionen Menschen auf der Welt”, sagte er.

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Knapp eine Stunde nach Beginn der Aktion war die Polizei noch nicht eingetroffen. So ergriff die Klimaaktivistin Friederike Benjes die Initiative, rief die Polizei und zeigte sich selbst wegen Diebstahls an. "Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft meiner Kinder. Mit zivilem Ungehorsam und einer Anzeige erregt man einfach mehr Aufsehen für das Thema”, erklärte sie.

Kurze Zeit später traf der erste Streifenwagen ein. Sechs Beamte verschafften sich einen Überblick, nahmen Kontaktdaten auf, sprachen mit den Geschäftsführern. Gleichzeitig baten sie die Aktivisten, die Lebensmittel nicht weiter zu verteilen. Bald stand fest, dass der Marktleiter keine Anzeige erstatten würde, er forderte jedoch die Produkte zurück – wenn die Kühlkette durchbrochen werde, könne er die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Produkte nicht garantieren. Daraufhin packten die Polizisten die Lebensmittel in einen Einkaufswagen und warfen sie zurück in die Mülltonnen.

Wie viele Selbstanzeigen bei der Polizei eingingen, vermag sie am Sonntagnachmittag auf RNZ-Nachfrage noch nicht zu sagen: Das Ermittlungsergebnis liege noch nicht vor. Die Polizei bestätigt jedoch, dass Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.

Obwohl Physikstudent Michael Salzgeber nun zu jenen gehört, denen Diebstahl und Hausfriedensbruch vorgeworfen wird, ist er zufrieden: "Ich stand ehrlich für meine Überzeugungen ein und habe nicht beim ersten Anzeichen von Widerstand aufgegeben." Und auch für Benjes steht fest: "Wir werden weiter gegen die Verschwendung kämpfen."

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