Lärm in der Heidelberger Altstadt

Drei Anwohner klagen wegen zu lascher Sperrzeiten

Die RNZ lud zum "Eckigen Tisch Lärm in der Altstadt" - Anwohner, Studenten und Wirte ziehen eine gemischte Bilanz

28.06.2017 UPDATE: 29.06.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Angesichts der drohenden längeren Sperrzeiten trugen Studenten im Dezember letzten Jahres die Kneipenkultur zu Grabe. Doch seitdem war von dem Engagement der jungen Leute nicht mehr viel zu spüren. Dieses Wochenende wollen sie ihre Infokampagne starten. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

In der Altstadt gibt es wenig Entspannung an der Lärmfront. Seit einem halben Jahr gelten in Heidelbergs Stadtteil mit der höchsten Kneipendichte nun schon die neuen Sperrzeiten. Die Gaststätten müssen seit 1. Januar nun werktags um 2 Uhr morgens schließen und dürfen in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag bis 4 Uhr öffnen. Die RNZ-Stadtredaktion lud einige der Beteiligten zum "Eckigen Tisch Lärm in der Altstadt" in die Neugasse ein - um gemeinsam eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Mit dabei waren Martin Kölle und Doris Hemler von der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda), die Wirte Daniel Wilson (Mel’s, Jinx, ZKB) und Simon Wakeling (Großer und Kleiner Mohr) sowie Marie Chavillié vom Kulturreferat des Studierendenrats der Uni Heidelberg. Das Gespräch verlief kontrovers, aber in angenehmer Atmosphäre.

Die Linda-Sprecher sind immer noch entsetzt von der Entscheidung des Gemeinderats. Immerhin hatte die Stadtverwaltung, nachdem sie Lärmmessungen in Auftrag gegeben hatte und die Richtwerte mitten in der Nacht deutlich übertroffen wurden, Sperrstunden von 1 Uhr unter der Woche und 3 Uhr am Wochenende gefordert. Doch die Stadträte setzten sich darüber hinweg. Nicht zuletzt, weil die Uni-Studenten im Vorfeld der Gemeinderatsentscheidung das Bündnis "Lebendige Altstadt für alle" geschmiedet hatten und mit einer Protestkundgebung auf dem Heumarkt für die Beibehaltung der Landesregelung (3 Uhr werktags und 5 Uhr am Wochenende) geworben hatten. "Wir hatten letzte Woche Linda-Sitzung", berichtet Kölle: "Und einige sind der Meinung, dass der Lärm so schlimm wie noch nie ist."

Eine Auswertung der Lärmbeschwerden vonseiten der Stadt und der Polizei liegt noch nicht vor. Doch Kölle und Hemler betonen, dass die Ruhestörung sehr wohl einzelnen Gaststätten zugeordnet werden könne: Seitdem das Boho in der Kettengasse wegen Umbauarbeiten und das Mel’s in der Fischergasse wegen eines Brandes geschlossen seien, könnten die Anwohner dort wieder in Ruhe schlafen.

"Wir haben nie behauptet, dass von uns keine Lärmquelle ausgeht", kontert Daniel Wilson. Doch die Wirte seien bemüht, die Belästigungen für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Simon Wakeling verweist auf die Türsteher, die die meisten Wirte eingestellt haben. "Ich habe jeden Monat 20.000 Euro Personalkosten." Junggesellenabschiede lasse er überhaupt nicht mehr in seine Kneipen. Auch Doris Hemler weiß: "Bei so vielen jungen Leuten in der Stadt wird es nie ganz ruhig sein, und das wollen wir auch gar nicht." Man müsse aber den Lärm noch viel besser eindämmen.

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Sowohl die Wirte als auch Linda sind enttäuscht von den Studenten, die direkt nach der Entscheidung des Gemeinderats angekündigt hatten, mit einer breit angelegten Informationskampagne die Nachtschwärmer für das Ruhebedürfnis der Anwohner zu sensibilisieren und den Anwohnern ein Gesprächsangebot unterbreitet hatten. Seitdem ist nichts geschehen. Marie Chavillié vom Studierendenrat bedauert, dass sie und ihre Kommilitonen sich nicht früher gemeldet hätten, begründet dies aber mit internen Abstimmungsschwierigkeiten. So habe man sehr wohl Gespräche mit den Bündnispartnern von Jugendgemeinderat und Studierendenparlament der Pädagogischen Hochschule geführt, dies aber nicht nach außen kommuniziert. Eine Kooperation mit dem Psychologischen Institut habe sich zerschlagen.

Ab diesem Wochenende wolle man aber endlich mit der Infokampagne starten. Zunächst sollen Flyer an die Fachschaften verteilt werden, die diese dann wiederum an die Studenten weitergeben. Die Kneipengänger direkt anzusprechen, ist nicht geplant. Chavillié glaubt, dass solche Gespräche mitten in der Nacht leicht eskalieren könnten.

In einem Punkt sind sich sowohl die Studenten als auch die Wirte und Linda einig: Sie wünschen sich mehr Präsenz von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst. Und zwar immer zu dem Zeitpunkt, wenn die Kneipen schließen. Wenn Gröler konsequent bestraft würden, würde sich das schnell herumsprechen, so die einhellige Meinung.

Eines ist allen klar: Die Sperrzeitdiskussion wird nicht mehr politisch, sondern juristisch entschieden. Drei Anwohner klagen gegen die in ihren Augen viel zu liberale Sperrzeitsatzung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Bis August hat die Stadtverwaltung nun Zeit für die Klageerwiderung. Wann es zur Verhandlung kommt, ist derzeit nicht absehbar.

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