"Körperwelten" in Heidelberg

Die Kirchen sind dagegen, das Rathaus ohne Meinung

Eine Frage der Würde: Die beiden Dekane fragen, ob Tote "Schauobjekte" sein sollten - RNZ-Forum am 23. Juni zu den Körperwelten im Alten Hallenbad

09.06.2017 UPDATE: 10.06.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 37 Sekunden

Seit Donnerstag ist es offiziell: Die "Körperwelten" mit ihren plastinierten Körpern ziehen im Herbst ins Alte Hallenbad. Foto: privat

hö. Die beiden christlichen Kirchen äußern sich kritisch und ablehnend zur geplanten Dauerausstellung der "Körperwelten" im Alten Hallenbad. Ihre Stellungnahme beginnen die evangelische Dekanin Marlene Schwöbel-Hug und ihr katholischer Amtskollege Joachim Dauer so: "Man traut sich kaum, Wasser in den Wein zu gießen, so glücklich scheinen sich die Umstände zusammenzufügen, dass beide sich gefunden haben: eine leer stehende Immobilie und die Ausstellung ,Körperwelten - Anatomie des Glücks‘, die eine langfristige Bleibe sucht. Wenn es sich bei den Exponaten im Alten Hallenbad eben nicht um eine ,Kollektion‘ von Körpern verstorbener Menschen handeln würde, wie es die Organisatoren nennen."

Schwöbel-Hug und Dauer fragen sich, ob sich "Show und Kommerz mit Leichen für die Wissenschaftsstadt Heidelberg als Glücksfall erweisen" werden. Und sie fragen weiter, "ob das Heidelberger Bestattungsgesetz wirklich liberaler ist als das von Berlin, wo man auf den ,Glücksfall‘ verzichtet hat?" Als Vertreter der christlichen Kirchen können die beiden Dekane "einen Umgang mit Verstorbenen als Ausstellungsstücke nicht akzeptieren und nicht gutheißen. Die Würde des Menschen ist für uns auch über den Tod hinaus unantastbar".

Hintergrund

RNZ-Forum zu "Körperwelten"

Darf man plastinierte Leichen öffentlich präsentieren,

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RNZ-Forum zu "Körperwelten"

Darf man plastinierte Leichen öffentlich präsentieren, und ist das Alte Hallenbad in Heidelberg der geeignete Ort für ein "Körperwelten"-Museum? Um diese Fragen dreht sich das RNZ-Forum am Freitag, 23. Juni, 19.30 Uhr, am Ort des Geschehens. Es diskutieren:

Prof. Rolf Verres, Diplompsychologe und ehemaliger Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie der Universität Heidelberg,

Prof. Axel W. Bauer, Leiter des Fachgebiets Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, (er war zugleich von 2008 bis 2012 Mitglied des Ethikrates),

Hans-Jörg Kraus, der Besitzer des Alten Hallenbades, in dem das Museum ab September öffnen soll, und Dr. Angelina Whalley, Geschäftsführerin des Instituts für Plastination.

Es moderieren Klaus Welzel, RNZ-Chefredakteur, und Micha Hörnle, Leiter der Stadtredaktion Heidelberg.

Anmeldung: rnz-forum@rnz.de. Am Montag ist ab 14 Uhr das Lesertelefon freigeschaltet: 06221/519-5606.

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Nach ihrer Ansicht folgten die Körperwelten einem Trend, wonach "Menschenleben viel zu oft missachtet oder wie eine Sache betrachtet werden". Sie befürchten, dass den plastinierten Menschen "ein Schicksal als Wegwerfobjekt" drohe, denn sie wüssten nicht, was mit den "Ausstellungsstücken" passiere, wenn sie ersetzt werden: "Bekommen sie eine Bestattung oder werden sie ,entsorgt‘?"

Dabei argumentieren die Dekane theologisch: "Die jüdisch-christliche Tradition bezeugt, dass Gott jeden Menschen bei seinem Namen gerufen hat (Jesaja 43,1) und er unverwechselbar ist, auch über den Tod hinaus. Die Frage muss gestellt werden: Als was gilt der Mensch in unserer Gesellschaft? Als Individuum, als Beziehungswesen oder als eine Sache, die ausgestellt und abgestellt werden kann?" Die Antwort darauf entscheide nach ihrer Überzeugung über die Menschlichkeit einer Gesellschaft und auch die Würde von Verstorbenen.

Rathaus ohne Meinung

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Im Heidelberger Rathaus will man keine inhaltliche Einschätzung zur geplanten Dauerausstellung der "Körperwelten" im Alten Hallenbad abgeben: "Wir enthalten uns da jeder Wertung", sagte gestern eine Stadtsprecherin. Und so bleibt es unklar, ob die Stadt das Projekt wirklich begrüßt, wie Besitzer Hans-Jörg Kraus eine Äußerung von OB Eckart Würzner gegenüber der RNZ wiedergegeben hatte.

Aus dem Rathaus heißt es lapidar: "Beim Alten Hallenbad handelt es sich um eine Immobilie im Privatbesitz. In den kommenden Wochen stehen Gespräche mit dem Eigentümer an, in denen das Vorhaben vorgestellt wird. Dabei ist zu prüfen, welche bau- und veranstaltungsrechtlichen Schritte unternommen werden müssen." Das Treffen soll am Donnerstag, 22. Juni, stattfinden.

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