Aus der Markthalle werden "Körperwelten"
Ab September zieht eine Dauerausstellung von plastinierten Menschen ins Alte Hallenbad ein - Vorher waren zwei Nutzungskonzepte gescheitert

Anatom Gunther von Hagens präsentiert im Januar 2009 in der Halle 02 - der bisher einzigen Heidelberger "Körperwelten"-Schau - einen seiner plastinierten menschlichen Körper. Fotos: Philipp Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Die umstrittene Wanderausstellung "Körperwelten", die plastinierte Körper zeigt, bekommt ab September einen ständigen Sitz in Heidelberg: Eine Dauerausstellung ist im Männerbad des "Alten Hallenbads" in Bergheim geplant. Dort hatte Besitzer Hans-Jörg Kraus seit April 2013 zwei Mal versucht, eine Markthalle zu etablieren: erst mit Imbissen (2013), dann mit Einzelhandel (2014 bis 2016).
Damit festigt das in Heidelberg ansässige Institut für Plastination des Anatomen Gunther von Hagens (72) - er lebt im Stadtteil Ziegelhausen - seine Bande zur Stadt. Bereits nach der europaweiten Premiere der Präparate-Schau 1997/98 im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim (heute Technoseum) hatte es Pläne für eine ständige Ausstellung in Heidelberg gegeben. Aber erst jetzt, mit der seit Ende 2016 leer stehenden Markthalle im Männerbad, gab es eine reelle Chance dafür.
Besondere Genehmigungen seitens der Behörden seien dafür nicht notwendig, sagte Kraus. Zwar gebe es für das Männerbad eine Nutzungsänderung (von einer Einzelhandelsfläche zu einem Museum), doch die sei formeller Natur. Auch Oberbürgermeister Eckart Würzner soll in einem persönlichen Gespräch positiv reagiert haben, wie Kraus berichtete. Größere Umbauten im 110 Jahre alten denkmalgeschützten Jugendstilkomplex seien nicht erforderlich, lediglich neue Fluchtwege müssten berücksichtigt werden. Eine zeitliche Befristung des Mietvertrags für das Männerbad inklusive Galerie gebe es nicht.
Der Titel für die Dauerausstellung soll laut einer Pressemitteilung "Körperwelten-Museum im Alten Hallenbad" sein; sie wird sich vor allem der "Anatomie des Glücks" widmen. Bereits im Januar 2015 hatte das Institut für Plastination eine ähnliche Dauerschau im Berliner Fernsehturm eingerichtet. Sie wurde aber mit Hinweis auf das dortige Bestattungsgesetz untersagt. Zum bisher einzigen Mal gastierte "Körperwelten" Anfang 2009 in Heidelberg, in der Halle 02. Nach Firmenangaben haben seit 1995 bereits 44 Millionen Menschen (davon zehn Millionen in Deutschland) "Körperwelten" gesehen.
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Es war ein RNZ-Artikel, der die Sache ins Rollen brachte: Am 4. November 2016 las die Geschäftsführerin des Instituts für Plastination, Angelina Whalley, dass die Markthalle im Alten Hallenbad (Bergheim) schließen wird - und dass Besitzer Hans-Jörg Kraus eine neue Nutzung für das ehemalige Männerbad sucht.
Zuvor waren zwei Versuche - einer mit einem Imbiss-, der nächste mit einem Einzelhandels- und Lebensmittelkonzept - gescheitert. Und da sie schon länger auf der Suche nach einem Ort für eine Dauerausstellung der "Körperwelten" war, rief sie bei Kraus an - und man wurde sich einig. Denn schließlich ist der Sitz des "Körperwelten"-Instituts in Heidelberg, auch der Initiator der Schau von präparierten Menschen- und Tierkörpern, Gunther von Hagens, lebt seit 40 Jahren in der Stadt, in der er einst auch die Methode der Plastination - und damit die "Körperwelten" erfand.
Die konkreten Inhalte der im Alten Hallenbad geplanten Ausstellung, die ab September dort zu sehen sein wird, will Whalley in einem späteren Gespräch mit der RNZ erläutern. In einer Pressemitteilung, die die RNZ am gestrigen Mittwoch exklusiv vorab erhielt, ist davon die Rede, dass der Schwerpunkt der Schau die "Anatomie des Glücks" sein wird. "Das Glück wohnt in uns", so Whalley, die diese Ausstellung auch kuratiert. "Der Körper ist gewissermaßen das Schaltzentrum unseres Glücks: Glücksgefühle entstehen in unserem Körper durch Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter und Hormone. Gleichzeitig nehmen wir die Glücksgefühle mit unserem Körper wahr. Zudem wirken Glück und Unglück unmittelbar auf unseren Körper zurück." Die Exponate, die auf rund 1000 Quadratmeter zu sehen sein werden, seien speziell für Heidelberg konzipiert, so Whalley.
In der Pressemitteilung wird auch ihr Ehemann, Gunther von Hagens, zitiert: "Damit geht mein lang gehegter Traum in Erfüllung, die Plastination wieder an ihre Geburtsstätte zurückzubringen. Unser Ziel ist es, dem Besucher die wunderbare Komplexität des menschlichen Körpers lebensnah aufzuzeigen und somit seine Achtsamkeit für den eigenen Körper in allen Lebenslagen und -phasen zu sensibilisieren."
Dass die "Körperwelten" seit ihrer Europapremiere vor knapp 20 Jahren in Mannheim nicht unumstritten sind, ficht Kraus nicht an: "Ich habe keinerlei ethische oder moralische Bedenken. Ich war selbst damals bei den beiden Ausstellungen in Mannheim: 1997 bei jener der Menschen im Landesmuseum und 2010 bei jener der Tiere im Herzogenriedpark. Und jedes Mal begeisterte mich dieser wissenschaftliche Ansatz der Plastination. Aber ich kann auch nachvollziehen, wenn jemand damit Probleme hat."
In seinem Umfeld habe es kaum negative Reaktionen auf den neuen Mieter im Männerbad gegeben: "Die meisten haben kurz innegehalten, nachgedacht und dann gesagt: ,Super, das passt, perfekt da rein’", so Kraus. Er geht davon aus, dass die Reaktionen in der Stadt nicht mehr so heftig sein werden wie vor 20 Jahren: "Die Einstellungen haben sich seither verändert, man geht gelassener damit um." Und er ist sich sicher, dass Heidelberg der perfekte Ort für die "Körperwelten"-Dauerschau ist: "Wenn das in eine Stadt passt, dann hier: Von Hagens lebt hier, hier gibt es die Medizin, und hier gibt es die Touristen."
Der Mietvertrag für die "Körperwelten" ist zeitlich nicht begrenzt - "solange die Ausstellung angenommen wird", sagt Kraus -, die Miete ist nach den Besucherzahlen gestaffelt. Das direkt angrenzende Frauenbad soll zudem für wissenschaftliche Vorträge des "Körperwelten"-Umfelds genutzt werden; ansonsten ist wie bisher hier der Raum für Firmenevents, Kongresse, Kultur und private Feiern - einen Diskobetrieb gibt es schon länger nicht mehr.
Befürchtet Kraus nicht, dass der Besucheransturm eventuell Bergheim überfordern könnte? "Nein, es gibt zwei Straßenbahnhaltestellen in direkter Nähe. Und in einem Umkreis von 250 Metern stehen 1000 öffentlich zugängliche Parkplätze zur Verfügung." Der Immobilienunternehmer ist "absolut davon überzeugt", dass das neue Konzept für die einstige Markthalle trägt: "Ich habe festgestellt, dass das Alte Hallenbad als solches nicht als touristischer Magnet genügt. Aber ich bin mir sicher, dass uns das mit den ,Körperwelten’ gelingen wird."
Trauert er nicht doch seiner Markthalle nach? "Ich habe alles dafür getan, zwei unterschiedliche Markthallen-Konzepte zu verwirklichen, schließlich hatte ich das immer versprochen. Und dann fliegt uns die Nutzung zu, die wirklich am besten passt. Ich kann eines ausschließen: Nämlich dass es eine dritte Markthalle geben wird."



