Heidelberger Forscher stehen vor einer Revolution der Krebsmedizin

Professor Magnus von Knebel-Doeberitz stellt Impfstoff bei erblichem Dickdarmkrebs vor

17.11.2015 UPDATE: 18.11.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 39 Sekunden

Das Deutsche Krebsforschungszentrum auf dem Heidelberger Campus im Neuenheimer Feld. Foto: dpa

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Die Krebsmedizin steht vor einer Revolution: Nicht mehr das Organ ist wichtig, das von Krebs befallen ist, sondern die molekularen Strukturen, die sich in Krebszellen verändern, sind es. Denn diese kann man eines Tages beeinflussen. Es gibt sogar schon einen ersten Impfstoff gegen erblichen Dickdarmkrebs, der an 22 Patienten getestet wurde. Dieses spannende Projekt stellte Prof. Magnus von Knebel-Doeberitz, dessen Abteilung für Angewandte Tumorbiologie sowohl im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) wie auch am Uniklinikum forscht, jetzt beim Internationalen Workshop zum Thema Innovationen in der Onkologie am DKFZ vor.

Krebspatienten erlebten die dramatische Folge einer langjährigen Entwicklung in ihrem Körper, erklärte Knebel-Doeberitz. "Krebs entsteht jeden Tag in uns, aber der Körper ist mit erheblichen Abwehrmechanismen ausgestattet." Krebs bedeutet zum Beispiel, dass Abschnitte des Erbgutes in einer Zelle mutiert sind. Das Immunsystem erkennt sie normalerweise und tötet sie ab, aber die Zellen lernen, sich dagegen zu schützen. Moderne "Checkpoint-Hemmer" verhindern, dass der Krebs das Immunsystem abschalten kann. Dabei spielt auch das den Tumor direkt umgebende Gewebe eine Rolle. Es kann durch sein spezifisches Muster an Signalmolekülen eine effektive Abwehrreaktion gegen Krebszellen begünstigen oder verhindern.

Hier sehen die Wissenschaftler die großen Chancen der Krebs-Immuntherapien. Ein Peptid-Impfstoff beispielsweise wurde vom Team von Knebel-Doeberitz an 22 Patienten mit einem speziellen Darmkrebs getestet und erwies sich als gut verträglich. Jetzt muss noch die Wirksamkeit der Impfung in Studien an vielen Patienten belegt werden. Dafür sucht Knebel-Doeberitz finanzkräftige Industriepartner. Weil Tumoren aus ganz unterschiedlichen Gendefekten entstehen können, ist der Impfstoff nur für eine gewisse Untergruppe von Krebskranken geeignet.

In zehn Jahren, prophezeite Prof. Dirk Jäger vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen, werde man sich in einer onkologisch ganz anderen Welt befinden. Dann gehe es um optimale Beratung der Patienten, um Vorsorge und darum, dass die Mediziner zu Designern von Therapien für den Einzelnen würden. "Wenn sie wirken und sich durchsetzen, werden sie auch für das Gesundheitssystem erschwinglich sein."

An Darmkrebs erkranken derzeit jährlich rund 60 000 Deutsche, 26 000 sterben daran. Früherkennung durch Darmspiegelung ist eine wichtige Waffe zur Verhinderung. Dr. Christa Maar, Präsidentin des Netzwerks gegen Darmkrebs, deren Sohn im Alter von 33 Jahren an Darmkrebs starb. Sie kämpft für Vorsorge und vor allem für eine rechtzeitige Familienanamnese bei familiärem Darmkrebs: "Die Leitlinie empfiehlt, bereits im Alter von 25 Jahren mit der Vorsorge zu beginnen."

Ähnlich Prof. Rita Schmutzler, die Direktorin des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs am Uniklinikum Köln. Sie plädierte dafür, die Hausärzte mit flächendeckender Fortbildung und präzisen Checklisten zu versorgen, damit Patientinnen mit erblichen Krebsformen rechtzeitig erkannt werden, eine Gendiagnostik bekommen und dann engmaschig kontrolliert werden.

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