Fürniß-Prozess: "Es tut mir leid, was ich alles getan habe"

Anklage-Vertreter fordert vierjährige Haftstrafe für den Ex-OB von Wiesloch. Die Verteidigerin bittet um eine milde Strafe. Der geschätzte Betrugsschaden soll bei 750.000 Euro liegen

13.04.2015 UPDATE: 14.04.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden

Wolfgang Fürniß soll enge Freunde und Bekannte um Geld angepumpt haben - mit haarsträubenden ausgedachten Geschichten. Foto: dpa

Von Holger Buchwald

Im Prozess gegen Wolfgang Fürniß forderte Staatsanwalt Markus Schmitt am Montag eine vierjährige Haftstrafe für den ehemaligen Wirtschaftsminister von Brandenburg und Ex-Oberbürgermeister von Wiesloch. 20 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs zwischen 2009 und 2014 hat der 70-Jährige gestanden. Die Anklage geht von einem Schaden von knapp 500.000 Euro aus.

Tatsächlich habe Fürniß seine Opfer wohl sogar um 750.000 Euro betrogen, schätzt Schmitt. Eine Tat über 95.000 Euro ist aber bereits verjährt, einige anderen wurden von den Geschädigten gar nicht erst angezeigt, deshalb flossen sie nicht in die Anklage ein. Spätestens seit Ende 2013 war es in Wiesloch ein offenes Geheimnis, dass Fürniß zahllose Geschäftsleute um Geld gebeten und dies niemals zurückgezahlt hatte.

"Der Angeklagte wusste genau, bei welchem Geschäftspartner er welches Knöpfchen drücken musste", betonte Schmitt. Einem ehemaligen Mitarbeiter des Energieunternehmens EnBW bot Fürniß so die Beteiligung an einem Erdwärmeprojekt an, einen Geologen von Heidelberg Cement lockte er mit der Gewinnung von seltenen Bodenschätzen, wieder anderen sagte er, er bräuchte dringend ein Darlehen für eine Heilbehandlung im Ausland oder für Medikamente, ohne die er das nächste Weihnachten nicht erleben würde.

Tatsächlich existierten aber weder die angeblich gewinnbringenden Projekte, noch gab Fürniß das Geld für seine Gesundheit aus. Er benötigte es nur, um seine finanziellen Löcher zu stopfen. Dabei, so der Staatsanwalt, habe der Angeklagte das besondere Vertrauensverhältnis zu seinen Geschäftspartnern und Freunden ausgenutzt. Und das wiege in den meisten Fällen noch viel schwerer als der finanzielle Schaden.

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Ihr Mandant habe eine schwere Zeit durchlebt, entgegnete Verteidigerin Andrea Combé. Die Taten seien auch durch ein "Konglomerat aus wirtschaftlichem Druck, körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen", unter denen ihr Mandant gelitten habe, zu erklären. In der Tat hatte die Sparkasse Heidelberg im Jahr 2009 Kredite in Höhe von 580.000 Euro fällig gestellt, hinzu kam eine Steuernachzahlung über 98.000 Euro.

Und das, obwohl Fürniß seit 2008 nur noch über eine monatliche Rente in Höhe von 1500 Euro verfügte. Das Übergangsgeld aus seiner Ministertätigkeit war bereits 2004 ausgelaufen. Und auch für die Firma seines ältesten Sohnes, in der er als Unternehmensberater gearbeitet hatte, liefen die Geschäfte schlecht. Zudem litt Fürniß in dieser Zeit auch unter massiven Schlafstörungen. Ärzte vermuteten zunächst eine Borreliose, dann eine Parkinsonerkrankung, was sich später wieder als Fehldiagnose herausstellte. "Dr. Fürniß sah für sich keine Handlungsalternative mehr, als andere um Geld zu bitten. Er glaubte aber fest daran, dass er wieder alles zum Guten wenden könne", beteuerte Combé. Die Anwältin stellte keinen konkreten Antrag, bat jedoch für den "Ersttäter im fortgeschrittenen Alter" um eine Strafe, die ihm noch eine Lebensperspektive lasse.

Fürniß war sicher ein durch seinen sozialen Abstieg getriebener Mann und stand vor den Scherben seines Lebens, davon ist auch der psychiatrische Sachverständige Hartmut Pleines überzeugt. Allerdings sei der Angeklagte voll schuldfähig und leide unter keiner seelischen Erkrankung. Vielmehr sei Fürniß eine "markante Persönlichkeit" mit "manipulativen Fähigkeiten. Als er als Wirtschaftsminister in Brandenburg seinen Hut nehmen musste, sah er sich laut Pleines vom Thron gestoßen und seines Ruhmes und Ansehens beraubt.

Die Anzeige, das Ermittlungsverfahren, die Untersuchungshaft, aber auch die mediale Begleitung des Prozesses habe ihm sein Fehlverhalten auf "sehr schmerzhafte Weise" vor Augen geführt, sagte Fürniß in seinem "letzten Wort". Er sei froh, dass gegen ihn Strafanzeige gestellt wurde und so der Teufelskreis seiner Taten durchbrochen worden sei. "Es tut mir leid, was ich alles getan habe. Und ich hoffe, dass mir noch etwas Zeit bleibt, um wenigstens etwas davon wieder gutzumachen und Vertrauen zurückzugewinnen." Besonders seiner Familie habe er viel angetan, doch diese halte immer noch zu ihm. "Schuld ist nicht das letzte Wort, sondern Liebe."

Das Urteil wird am morgigen Mittwoch um 11 Uhr im Saal 1 des Heidelberger Landgerichts verkündet.

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