Fürniß-Prozess: Manfred Lautenschläger sagte aus
Zweiter Tag im Betrugsprozess gegen Wolfgang Fürniß: Am Donnerstag sagten die Hintergangenen aus - Unter ihnen ist auch MLP-Gründer Manfred Lautenschläger

Der erste Zeuge war gleich ein Prominenter: MLP-Gründer Manfred Lautenschläger sagte aus.
Von Holger Buchwald
Wolfgang Fürniß kannte keine Grenzen, um seine Geldprobleme zu lösen. Der ehemalige Oberbürgermeister von Wiesloch und Wirtschaftsminister von Brandenburg hat selbst Jugendfreunde und langjährige Weggefährten belogen und betrogen. Laut Staatsanwalt Markus Schmitt hat der Angeklagte einen Schaden von knapp 500.000 Euro angerichtet. Tatsächlich wurden aber einige weitere Taten nicht angezeigt oder sind bereits verjährt. Schmitt wirft dem 70-Jährigen 20 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs vor. Bei großem Publikumsandrang - einige Zuhörer mussten im kleinen Saal 6 des Heidelberger Landgerichts sogar stehen - sagten gestern einige der Geschädigten aus.
Hintergrund
"Wenn Wolfgang Fürniß so etwas erzählt, muss es wahr sein", dachte sich einer der Geschädigten, als er vor drei Jahren auf den Angeklagten hereinfiel. Mehrere Zeugen bestätigten, dass der Ex-OB von Wiesloch immer sehr wortgewandt und schlagfertig gewesen sei, wenn er sie um
"Wenn Wolfgang Fürniß so etwas erzählt, muss es wahr sein", dachte sich einer der Geschädigten, als er vor drei Jahren auf den Angeklagten hereinfiel. Mehrere Zeugen bestätigten, dass der Ex-OB von Wiesloch immer sehr wortgewandt und schlagfertig gewesen sei, wenn er sie um Geld gebeten habe.
> Mit seiner Krankheitsgeschichte betrog Fürniß nicht nur Manfred Lautenschläger. Auch anderen Geschädigten berichtete er von einer angeblichen Parkinson-Erkrankung und einer unbehandelten Borreliose, die nur in einer Spezialklinik in den USA therapiert werden könne. Tatsächlich ging es ihm im Jahr 2012 sehr schlecht. Wegen massiver Schlafstörungen war er völlig entkräftet und stürzte immer wieder schwer, wobei er sich im Juni ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog. Das Geld, das er aus den Darlehen erhielt, benutzte er aber stets, um seine finanziellen Löcher zu stopfen.
> Eine Steuernachzahlung von 98.000 Euro sei der Grund, warum er Liquiditätsprobleme habe, berichtete Fürniß anderen Bekannten. Dabei handele es sich um einen Irrtum, er könne das Darlehen bald zurückzahlen.
> Mit Risikoinvestitionen lockte Fürniß langjährige Wegbegleiter und versprach ihnen für ihr Darlehen Zinssätze von bis zu 30 Prozent in anderthalb Jahren. Zwei Gläubiger investierten in ein Projekt namens "Areemec", bei dem es um die Förderung von Edelmetallen und Seltenen Erden gehen sollte. Die Firma hatte angeblich ihren Sitz in Oregon (USA), tatsächlich existierte jedoch nur eine Telefonnummer in Kalifornien. Einem Geschädigten hatte Fürniß vorgegaukelt: "Das ist eine todsichere Sache. Ich habe meine ganze Altersvorsorge darauf aufgebaut."
Er wolle sich für politisch Verfolgte aus China einsetzen, behauptete Fürniß schließlich gegenüber einem Parkinson-Patienten, den er in einer Klinik in Wolfach kennengelernt hatte. Dafür benötige er 18.000 Euro. hob
Gleich der erste Zeuge ist ein Prominenter. Der MLP-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Lautenschläger berichtet, dass er Fürniß schon seit gut 20 Jahren kenne. Als dieser 1998 als Oberbürgermeisterkandidat der CDU in Heidelberg zur Wahl angetreten sei, habe er ihn sogar finanziell unterstützt. "Ich dachte, er wäre geeignet, weil er etwas von Wirtschaft versteht", erinnert sich der Multimillionär. Danach sei aber der Kontakt abgebrochen - bis Fürniß Ende August 2013 auf ihn zugekommen sei und um ein Darlehen gebeten habe. Lautenschläger: "Er erzählte mir, dass er schwer krank sei und sich in den USA dringend einer Behandlung unterziehen müsse." 90.000 Euro sollte die lebensrettende Therapie kosten, ihm fehlten jedoch noch 25.000 Euro.
Normalerweise lehne er solche Anfragen ab, da sie nicht dem Zweck der Manfred-Lautenschläger-Stiftung entsprechen, sagt der MLP-Gründer. Weil er Fürniß persönlich gekannt habe, und weil er eine angesehene Persönlichkeit gewesen sei, habe er in diesem Fall aber eine Ausnahme gemacht. Zwar sei ihm der Zeitdruck, unter dem das Geld ausgezahlt werden sollte, um noch einen Platz in der Klinik zu bekommen, schon damals seltsam vorgekommen. Wenn er ihm das Geld aber verweigert hätte und Fürniß gestorben wäre, wäre das für ihn eine schwere Bürde gewesen. Lautenschläger selbst überstand vor 30 Jahren eine Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankung.
Das Darlehen sollte kurzfristig sein und nur den finanziellen Engpass überbrücken, bis die Krankenversicherung einspringt. Doch Fürniß versuchte Lautenschläger hinzuhalten. "Das nahm groteske Züge an", erinnert sich der Unternehmer: "Ich schwankte zwischen Lachen und Zorn." Lautenschläger blieb nichts anderes übrig, als zur Polizei zu gehen. Der Kripobeamte berichtete ihm, dass er schon der Siebte sei, der Strafanzeige stellte.
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Spätestens im Sommer 2013 wurde auch im Wieslocher Lions Club vor Fürniß gewarnt. "Gib acht!", hätten ihn die anderen damals ermahnt, wie sich ein Zeuge erinnert. Die Geldsorgen und die Betrügereien des ehemaligen OBs waren längst Stadtgespräch. Doch für einige Lions-Freunde war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät. Einer gewährte ihm ein Darlehen von 25.000 Euro, um es in ein Geschäft mit Bodenschätzen zu investieren. Ein anderer, der ihm 170.000 Euro gegeben haben soll, ist inzwischen verstorben.
Hart traf es auch einen langjährigen Freund, der Fürniß schon seit den 1960er-Jahren aus der gemeinsamen Zeit bei der Jungen Union kennt. 180.000 Euro gab er dem heute 70-Jährigen. Wenigstens er wird sein Geld wiederbekommen, denn das Haus des Ex-OB in Wiesloch wird derzeit verkauft. Ein Industriemechaniker hingegen wird noch lange an den Angeklagten denken. Er musste selbst einen Kredit aufnehmen, um Fürniß ein Darlehen von 40.000 Euro zu gewähren - und muss heute noch 375 Euro im Monat abzahlen.
Fürniß hat alle Taten gestanden und begründet sie mit gesundheitlichen Problemen. Er leide unter einer manischen Depression. Der Prozess wird am Montag, 13. April, um 8.30 Uhr fortgesetzt.



