Einzelhandel vor "Jahrhundertgeschäft"?
Die Prognosen für die Weihnachtssaison sind gut - Aber besonders stark wächst der Internethandel - Am 15. Dezember wieder lange Einkaufsnacht

Reiche Region. Die Menschen im Rhein-Neckar-Raum können sich besonders viel leisten. Das belegen die neuen IHK-Zahlen (14. September). Das verfügbare Einkommen beträgt in der Region 26,8 Milliarden Euro. Den Einzelhandel freut’s. In Heidelberg ist die Kaufkraft noch stärker als in Mannheim. Foto: dpa-Archiv
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Gebannt blickt der Einzelhandel auf das Weihnachtsgeschäft, das dieses Jahr besonders gut ausfallen soll. Mit Blick auf das gesamte Land spricht Swen Rubel vom Einzelhandelsverband Nordbaden von einem "Jahrhundertweihnachtsgeschäft", denn zum ersten Mal könnten die Umsätze im November und Dezember die 100-Milliarden-Euro-Marke reißen. Traditionell sind diese beiden Monate für die Geschäfte der Umsatzbringer, hier verdient man fast ein Fünftel des ganzen Jahres. Im Onlinehandel ist es tatsächlich ein Fünftel.
Überhaupt, das Internet: Graben Amazon & Co. gerade in der Weihnachtszeit nicht den "richtigen" Läden die Kunden ab? So hart kann man das nicht sagen, aber nach wie vor wächst der Onlinehandel rasant: Allein in dieser Weihnachtssaison sollen es zehn Prozent Plus sein, die stationären Geschäfte kommen nur auf 1,5 Prozent: "Das Plus im gesamten Handel rührt also vor allem aus dem Internet her", so Rubel.
Aber: Heidelberg hat doch ganz gute Karten, denn ein Gutteil der Käufer sind Touristen, die machen "eine Stadt ein Stück weit widerstandsfähig gegen den Onlinehandel", so Rubel. Und das ist gerade in den Zeiten des Weihnachtsmarktes so. "Seit dem letzten Montag ist die ,Schweizerdichte‘ in der Innenstadt enorm", berichtet Susanne Schaffner vom Händlerverband "Pro Heidelberg", die selbst einen Teeladen in der Hauptstraße hat. Die Eidgenossen fahren gerne auf deutsche Weihnachtsmärkte und gelten als pflegeleichte Kunden: Durch den starken Franken sitzt das Geld locker, außerdem sind sie "ganz entspannt und sehr nett", so Schaffner.
Da es zwischen Weihnachtsmarkt und Einzelhandel "durchaus Synergien" (Rubel) gäbe, nutzt "Pro Heidelberg" auch wieder die Gunst der Stunde und bietet am Samstag, 15. Dezember, eine lange Einkaufsnacht an, bei der die meisten Läden in der Innenstadt bis 22 Uhr geöffnet haben. Dazu gibt es in einigen Geschäften Rabatte oder besondere Aktionen - wie beispielsweise im gerade frisch erweiterten " Henschel" (einstmals "Mode-Kraus"), wo man sich besonders der Männer annehmen will. Bei einer "Gentlemen’s Night" können sie sich beim Kickern mit einer amtierenden Weltmeisterin messen, im Rennsimulator das Rasen üben oder mit Spielern des SV Sandhausen auf eine Torwand schießen. "Das ist ein bunt gemischtes Programm", verspricht "Pro Heidelberg"-Geschäftsführerin Nikolina Visevic, zumal die Weihnachtsmarkt-Buden an diesem Tag sogar eine Stunde länger, bis 23 Uhr, geöffnet haben.
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Das gilt vor allem für die Hauptstraße, aber wie sieht es in den schwächer besuchten Seitengassen aus? "Auch hier wollen viele mitmachen", sagt Visevic. Das hat auch Nicola Mirus vor. Ihr "Goods House" liegt zwar in der Hauptstraße, aber dann doch etwas abseits, denn schräg gegenüber vom Theaterplatz müssen Kunden erst durch einen Hof gehen, um in den Laden zu gelangen, in dem Mirus nachhaltige, aber auch bezahlbare Waren - von Kleidung über Küchenutensilien bis hin zu Möbeln - verkauft. Vor dreieinhalb Jahren eröffnete die studierte Innenarchitektin ihr "Kaufhaus für grünes Design" und wollte so auch ein Zeichen setzen, dass es auch für kleine, inhabergeführte Läden eine Nische in der Innenstadt gibt. Viele ihrer Kunden sind übrigens Touristen.
Mirus hat diesen Schritt nie bereut, berichtet aber doch von Sorgen, die sie mit vielen anderen Einzelhändlern teilt: "Es ist schwierig, auf meinen Eingang aufmerksam zu machen." Da hatte sie einen zähen Konflikt mit dem Baurechtsamt - Stichwort "Außenanlagensatzung": Ihr wurde detailreich vorgeschrieben, wie groß ihr Werbeschild sein darf, welche Farbe es bekommen muss und wie die Beleuchtung auszusehen hat. Vor allem um die Schaufensterpuppen an der Hauptstraße entspann sich "eine ewige Diskussion". Das trifft Schaffners Nerv, denn gerade hat "Pro Heidelberg" wieder einen Anlauf gestartet, die Außenanlagensatzung für die Läden etwas geschmeidiger zu gestalten. "Wir wollen ja auch nicht, dass es bei uns aussieht wie in Tokio, aber die Sichtbarkeit von Geschäften ist einfach eine existenzielle Frage."