Die Notunterkunft in Patrick Henry Village ist hoffnungslos überbelegt

Dass die Zustände in der Notunterkunft im Patrick Henry Village eigentlich unhaltbar sind, wissen selbst die Verantwortlichen vom Regierungspräsidium - aber es regiert die blanke Not. Eine Reportage von Micha Hörnle.

12.07.2015 UPDATE: 13.07.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden

Im Casino von Patrick Henry Village stehen nun 200 Feldbetten. Es gibt zwar prächtige Lüster, aber kein fließendes Wasser. Alle Fotos: Rothe

Von Micha Hörnle

Die Notunterkunft im Patrick Henry Village (PHV) platzt aus allen Nähten: Im einst so prächtigen Casino, wo es bis vor drei Jahren große Bälle gab, stehen jetzt 200 Feldbetten. Die Bewohner haben keinerlei Privatsphäre, aber am meisten klagen sie darüber, dass es hier kein fließendes Wasser und keine Duschen oder Toiletten gibt. Die stehen jetzt draußen, im Freien - so wie in den ersten Tagen dieser vor acht Monaten eingerichteten Unterkunft. Auch in vielen Zimmern der einstigen US-Army-Mannschaftsheime stehen jetzt Doppelstockbetten, jetzt wohnen sechs statt bisher vier Personen in einem Raum. Jeder der Verantwortlichen vom Regierungspräsidium weiß, dass das eigentlich unhaltbare Zustände sind, aber es regiert die blanke Not.

Hintergrund

Die Flüchtlingsnotunterkunft im Patrick Henry Village (PHV) wurde am 19. Dezember eingerichtet und sollte Platz für maximal 2000 Leute bieten. Am Donnerstag letzter Woche war sie mit 2634 Personen belegt, die hauptsächlich aus Westafrika, aber auch aus Syrien oder dem Balkan

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Die Flüchtlingsnotunterkunft im Patrick Henry Village (PHV) wurde am 19. Dezember eingerichtet und sollte Platz für maximal 2000 Leute bieten. Am Donnerstag letzter Woche war sie mit 2634 Personen belegt, die hauptsächlich aus Westafrika, aber auch aus Syrien oder dem Balkan (vor allem Albanien) kamen. Im Gegensatz zum Winter werden kaum noch Flüchtlinge aus dem Kosovo gezählt. Wegen der momentanen Überbelegung konzentriert sich das Regierungspräsidium Karlsruhe und der Betreiber der Notunterkunft, die Essener Privatfirma European Homecare, vor allem auf die Unterbringung und Verpflegung (und weniger auf die Betreuung) der Bewohner, die eigentlich nur wenige Tage bleiben sollen. Weil die Gemeinden im Land aber momentan auch nicht genügend Platz haben, müssen die Flüchtlinge in PHV - rein rechtlich handelt es sich um eine Bedarfsorientierte Erstaufnahmeeinrichtung (BEA) des Landes - mittlerweile erheblich länger hier bleiben, oft sind es vier Monate. hö

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Das sieht auch der Leiter des Polizeireviers Süd, Thorben Wille, so - und er ist auch für PHV zuständig: "Solch eine Belegung ist nicht gesund. Wir können für jeden Tag dankbar sein, an dem die Stimmung nicht kippt." Zwar bemüht sich der Betreiber der Unterkunft, European Homecare, die Zimmer einigermaßen konfliktfrei zu belegen - also so, dass möglichst nicht zu viele Nationalitäten auf engstem Raum zusammenwohnen müssen und Familien oder Alleinstehende voneinander getrennt sind -, aber im Casino kann davon keine Rede mehr sein, hier gibt es schlicht keine Belegungsstrategie mehr. Das hinterlässt auch seine Spuren, denn gelegentlich wirkt die Stimmung gereizt, wenn auch nicht aggressiv.

Da würde es schon eine Menge helfen, wenn die Bewohner etwas mehr Beschäftigung hätten. Bisher hat das Regierungspräsidium nur einen Sportraum, eine Kinderstube und eine Kleiderkammer eingerichtet. Die Teestube im alten "Burger King", die schon vor acht Monaten geplant war, lässt weiter auf sich warten. Einige Bewohner im PHV verdienen sich 1,05 Euro pro Stunde dazu, indem sie die Wege säubern oder bei der Ausgabe von Essen und Kleidung mithelfen, aber der große Wurf, wie man die mittlerweile über 2600 Personen hier halbwegs sinnvoll beschäftigen kann, steht noch aus: "Das hier ist nur eine Bedarfsorientierte Erstaufnahmeeinrichtung", sagt ein Vertreter des Regierungspräsidiums - eine elegante Umschreibung dafür, dass man den Flüchtlingen momentan nicht viel mehr bieten kann als Obdach und Essen.

Hungern muss niemand, doch am Donnerstag war die Verpflegung nicht besonders üppig: Es gab mittags - oder eben abends, für alle, die im Ramadan fasten - Ravioli mit Tomatensoße oder Nudelpfanne, für die Zeit dazwischen ein "Lunchpaket": zwei Brötchen, eine kleine Salatschale, einen Pudding, einen Apfel und einen halben Liter Wasser. Cornelia Martinez teilt die grünen Säcke an die Bewohner aus, einige Flüchtlinge helfen ihr dabei: "Mit denen macht es Spaß zu arbeiten, die sind echt motiviert." Und reicht die Verpflegung? "Ist nicht gerade viel", sagt Martinez, die für die Eppelheimer Großküche Zentsch arbeitet. Und wenn man zwischendrin Durst hat? "Dann muss man Wasser vom Hahn nehmen."