Das sind die Reaktionen zum neuen Gemeinderat
SPD erwartet Akzente der Grünen - Föhr: "Ein richtig schlechtes Ergebnis" - Fingerzeig für Bürgerbegehren?

Seit 12.30 Uhr wurden gestern die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken im neuen Sitzungssaal im Rathaus präsentiert. Richtig voll wurde es aber erst ab 17.30 Uhr, als die Parteien auf das Endergebnis hinfieberten. Foto: Philipp Rothe
Von Timo Teufert
Heidelberg. Für kurze Zeit herrschte im neuen Sitzungssaal des Rathauses gestern so etwas wie Stadion-Atmosphäre: Denn im übertragenen Sinne schoss knapp vor Spiel᠆ende - sozusagen in letzter Minute - die Heimmannschaft noch einmal ein Tor. Es war der Moment, als ein Wahlbezirk in Handschuhsheim ausgezählt wurde, dadurch ein Sitz von der AfD zu den Grünen wechselte und lauter Applaus aufbrandete.
"Ich habe am Montagabend - trotz der guten Tendenz bei der Europawahl - nicht damit gerechnet, dass wir heute auf 16 Sitze kommen", meinte der Spitzenkandidat der Grünen, Felix Grädler. Er freue sich über die hohe Wahlbeteiligung, und es sei schön, den Aufwärtstrend der AfD in Heidelberg gebrochen zu haben. Eine große Aufgabe für die neue stärkste Fraktion im Gemeinderat wird sein, die zehn neuen Stadträte zu integrieren.
Hintergrund
Stimmen zur Wahl
> Luitgard Nipp-Stolzenburg, Grüne: "Wir werden liefern: Wir setzen uns stark dafür ein, dass wir etwa Maßnahmen zum Klimaschutz und gegen Artensterben schneller und konsequenter einsetzen. Wir werden natürlich mit
Stimmen zur Wahl
> Luitgard Nipp-Stolzenburg, Grüne: "Wir werden liefern: Wir setzen uns stark dafür ein, dass wir etwa Maßnahmen zum Klimaschutz und gegen Artensterben schneller und konsequenter einsetzen. Wir werden natürlich mit den anderen Fraktionen zusammenarbeiten. Mir tut es leid, dass Kollegen zum Teil so weit abgestürzt sind. Heidelberg ist auf einem guten Weg. Daran hat der gesamte Gemeinderat mitgearbeitet."
> Michael Eckert, FDP: "Ich habe gehofft, dass wir über sechs Prozent kommen, dann hätten wir eine Chance auf einen vierten Stadtrat gehabt. Unsere jungen Kandidaten haben super mitgearbeitet und haben viel Know-how. Ich hätte mir gewünscht, dass einer von ihnen gewählt worden wäre."
> Derek Cofie-Nunoo, Grüne: "Mein erstes Gefühl ist Dankbarkeit, dass mich so viele Heidelberger nicht vergessen haben. Ich möchte in der Stadt eine gute Infrastruktur für ein gutes Altern schaffen. Dafür bin ich angetreten."
> Werner Pfisterer, CDU: "Der Bundestrend schlägt durch. Wir haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet, aber die Wähler würdigen das nicht. In der Zersplitterung des Gemeinderates sehe ich ein großes Problem für die Arbeit."
> Mathias Niebel, AfD: "Mein Kollege und ich haben zwar 33 Prozent mehr an Stimmen gewonnen, aber es reicht leider nicht für einen dritten Sitz. Der Fraktionsstatus wäre gut gewesen."
> Judith Marggraf, GAL: "Wir sind enttäuscht. Wir hatten gehofft, dass noch ein dritter Sitz dazu kommt. Als örtliche Partei schwimmen wir auf dem Bundestrend leider nicht mit."
> Karl Breer, FDP: "Ich freue mich, dass wir Fraktionsstärke erreicht haben. In der Gesamtwetterlage war das nicht sehr einfach für uns."
> Zara Kiziltas, Linke: "Es ist mir wichtig, dass Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund mehr repräsentiert werden."
> Sahra Mirow, Linke: "Wir sind nach den Grünen die zweite Mitte-Links-Partei, die zunehmen konnte."
> Björn Leuzinger, Die Partei: "Wir haben einen klaren Regierungsauftrag von nicht ganz so vielen Menschen - das werden wir jetzt umsetzen."
> Raimund Beisel, Freie Wähler: "Wir haben zwar nur einen Sitz erlangt, aber ich bin stolz auf meine Truppe. Wir haben viele neue Leute, die sich gut geschlagen haben."
> Marliese Heldner, Die Heidelberger: "Wir freuen uns über drei Sitze, auch wenn ein vierter Sitz schön gewesen wäre. Für mich ist der Tag sehr aufregend, und ich freue mich auf die Arbeit."
> Waseem Butt, Heidelberg in Bewegung: "Wir haben erst vor zwei Monaten unsere Liste aufgestellt und waren sehr erfolgreich. Ich danke unseren Wählern und verspreche, dass wir als Gruppierung weiter zusammen für Heidelberg arbeiten werden." bik/tt
Eine von ihnen ist die 27-jährige Marilena Geugjes. "Es fühlt sich schön an, gewählt worden zu sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich den dritten Platz, auf dem ich kandidiert habe, halten kann." Daran merke man aber, so Geugjes Analyse, dass viele junge Leute zur Wahl gegangen seien und eben junge Leute auf den Listen wählten. "Außerdem haben wir mit der Grünen Jugend einen starken Wahlkampf gemacht und waren auch in den Stadtteilen aktiv." Ihr persönlich liegen soziale Themen sehr am Herzen. "Und ich träume von einer autofreien Weststadt", sagt Geugjes.
Weniger euphorisch ist die Stimmung bei CDU und SPD: "Unser Ziel war, acht Sitze zu erreichen. Dafür hat es nicht gereicht", sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster. Ihre Partei kam auf sieben Sitze, schon 2009 arbeitete die Fraktion eine Legislaturperiode mit dieser Mannschaftsstärke. Man müsse aber mit dem Ergebnis bei dem nicht vorhandenen Rückenwind aus Berlin zufrieden sein.
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"Wir müssen jetzt schauen, welche Akzente die Grünen setzen", so Schuster. Sie sieht große Schnittmengen mit dem Wahlsieger, vor allem in den Bereichen Klimaschutz, Kindergartengebühren, faire Mieten und Mobilität. "Da wird man ins Zukunft Mehrheiten suchen müssen", so Schuster.
"Das ist eine bittere Stunde für uns und ein richtig schlechtes Ergebnis", erklärte CDU-Kreisvorsitzender Alexander Föhr. Seine Partei hat drei Sitze verloren. Das Ergebnis führt sein Stadtratskollege und CDU-Fraktionschef Jan Gradel darauf zurück, dass in diesem Wahlkampf bundespolitische Themen dominiert hätten. "Die Fünfte Neckarquerung oder der Betriebshof haben keine Rolle gespielt. Es ist um die Urheberrechtsreform der EU und um ,Fridays for Future’ gegangen", so Gradel. Das "unprofessionelle Agieren der Bundespartei" habe außerdem zum schlechten Ergebnis beigetragen. "Außerdem gibt es einen weiteren Trend: Die CDU und große Städte - das klappt im Moment einfach nicht", sagte Föhr. Auch wenn sich die Arbeit jetzt auf weniger Köpfe verteile: "Aufgeben gilt nicht", so der Kreisvorsitzende.
Ob der Wahlausgang auch ein Hinweis auf den Ausgang des Bürgerentscheids über die Verlagerung des Betriebshofes der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH auf den Großen Ochsenkopf am 21. Juli sei, wird unterschiedlich bewertet: Felix Grädler sieht das Wahlergebnis als politisches Zeichen: "Wir müssen abwarten, wie dann die Mobilisierung aussehen wird", gibt er sich zurückhaltend.
Hilde Stolz (Bunte Linke) ist da deutlich optimistischer: "Die Kommunalwahl ist ein gutes Zeichen für den Klimaschutz in der Stadt und damit auch für den Bürgerentscheid." Auch wenn ihre Gruppierung, die zwei Mandate bekam, auf drei Sitze gehofft habe, sei der Wahlausgang positiv zu bewerten: "Mir persönlich gefällt gut, dass die Umweltthemen jetzt noch mehr in den Mittelpunkt rücken werden."



