Europawahl in Heidelberg

Grüne sind die mit Abstand stärkste Partei

SPD und CDU deklassiert - AfD und FDP ringen um den vierten Platz - Wahlbeteiligung um 15 Prozentpunkte höher als 2014

26.05.2019 UPDATE: 27.05.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
Großer Andrang herrschte auch in der Landhausschule: Schon am Mittag zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung in der Weststadt ab, wo die Bürger zur Europa- und Kommunalwahl an die Urnen kamen. Foto: Philipp Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Stark wie nie schnitten am Sonntag die Grünen in Heidelberg bei den Europawahlen ab: Mit 36,2 Prozent holten sie über zwölf Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Damals, 2014, - stimmungsmäßig ein ausgesprochen schlechtes Jahr für diese Partei - lagen sie noch knapp hinter SPD und CDU, am Sonntag hängten sie die beiden Ex-Volksparteien klar ab - und das lässt auch Rückschlüsse auf das Ergebnis der Kommunalwahl zu, deren Stimmzettel erst am heutigen Montag ausgezählt werden.

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Es war ein Sieg, der sich früh abgezeichnet hatte: Im Rathaus waren die grünen Parteimitglieder zahlenmäßig mit Abstand am stärksten vertreten - in fast sicherer Erwartung eines überragenden Wahlsieges. Und so jubelten sie schon, als um 18 Uhr die Prognose der Forschungsgruppe Wahlen auf die Leinwand geworfen wurde und den Grünen auf Bundesebene ein sattes Plus von über zehn Prozentpunkten versprach. Die einzige Frage war: Wird man in Heidelberg den Bundestrend sogar übertreffen können? Und schon als um 18.31 Uhr der erste Heidelberger Stimmbezirk ausgezählt war - in der Grundschule Emmertsgrund, also in einem Stadtteil, in dem die Grünen bisher eher unterdurchschnittlich abgeschnitten hatten - war klar: Das wird ein Durchmarsch. Zwar erhielten die Grünen hier "nur" 16,7 Prozent, aber das war ein sattes Plus von 11,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2014. Gleichzeitig gab es herbe Verluste von je über sieben Prozentpunkten für die SPD und die CDU.

Hintergrund

Stimmen zur Europawahl in Heidelberg

> Oberbürgermeister Eckart Würzner: "Die Wahlbeteiligung ist um 15,3 Prozent auf 70,1 Prozent gestiegen. Das ist ein starkes Zeichen für eine starke, gelebte Demokratie. Dafür möchte ich mich

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Stimmen zur Europawahl in Heidelberg

> Oberbürgermeister Eckart Würzner: "Die Wahlbeteiligung ist um 15,3 Prozent auf 70,1 Prozent gestiegen. Das ist ein starkes Zeichen für eine starke, gelebte Demokratie. Dafür möchte ich mich bedanken. Die Wähler haben erkannt, dass es um unser Europa geht. Wir brauchen ein zukunftsorientiertes Europa, ein Europa der Jugend, der Innovationen und der Toleranz. Ein Europa, in dem man den Klimaschutz ernst nimmt. All das spiegelt sich im Wahlergebnis wider."

> Matthias Kutsch (Stadtrat, CDU): "Die Wahlbeteiligung in Heidelberg ist super, aber unser Ergebnis bei der Europawahl ist bitter und enttäuschend und muss schonungslos analysiert werden."

> Karl Breer (Stadtrat, FDP): "Ich würde unserem Ergebnis eine ,3+’ geben. Es ist schön, dass wir die einzige Partei neben den Grünen sind, die Zuwächse zu verzeichnen hat. Und wir hoffen, dass wir bei der Kommunalwahl noch stärkere Zuwächse bekommen."

> Björn Leuzinger (Die Partei): "Wir haben das beste Ergebnis seit Kriegsende eingefahren. Bundesweit haben wir es vervierfacht, und die 3,3 Prozent in Heidelberg sind ein gutes Omen für die Kommunalwahl. Wir rechnen fest mit allen Sitzen."

> Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne): "Ich freue mich über drei Dinge: Die hohe Wahlbeteiligung, dass die AfD in Heidelberg gegen den Bundestrend schwächer geworden ist, und natürlich das starke Abschneiden der Grünen. Unser gutes Ergebnis zeigt, dass es in Heidelberg einen starken proeuropäischen Geist gibt. In einer weltoffenen und internationalen Stadt wie Heidelberg ist das Bewusstsein da, wie wichtig Europa ist."

> Anke Schuster (Fraktionsvorsitzende, SPD): "Grundsätzlich freue ich mich über die hohe Wahlbeteiligung. Für uns ist das Ergebnis beschämend. Es gibt einen klaren Auftrag der Wähler: Der Klimaschutz hat Priorität. Die SPD erreicht die Menschen zu diesem Thema offenbar nicht. Mich bestätigt das in meiner Auffassung, dass sich die SPD bundesweit neu aufstellen muss und der Einstieg in die Große Koalition keine gute Idee war. Wir müssen uns den Zukunftsfragen zuwenden: Wie verändert sich Arbeit in einer digitalen Gesellschaft? Und das kann man am besten, wenn man nicht in der Regierungsverantwortung steht. tt

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Das Bild verfestigte sich, allerdings sollte es noch quälend lange dauern, bis 21.09 Uhr, als endlich das vorläufige Endergebnis für Heidelberg feststand - eigentlich war das bereits um 19.30 Uhr erwartet worden. Der Grund für die Verzögerung waren vor allem die vielen Briefwähler, wie Bürgeramtsleiter Bernd Köster erklärte: "Vor fünf Jahren wählten 13.000 per Brief, dieses Mal waren es 23.000. " Aber auch in manchen Wahlbezirken ließ das Ergebnis auf sich warten, weil neu ausgezählt werden musste. Am Ende hing es an der Heiligenbergschule in Handschuhsheim.

Dann war bei den meisten der rund 100 Leuten im Rathaus, die das Ergebnis tapfer abgewartet hatten, der Jubel groß - andere Parteien als die Grünen waren kaum vertreten: Für die SPD harrte ihre Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Anke Schuster, aus, die auch gleich von der Grünen Luitgard Nipp-Stolzenburg umarmt wurde ("Das habt Ihr nicht verdient"); von der CDU war nur Stadtrat Matthias Kutsch zugegen - vielleicht weil man die Klatsche in Heidelberg erwartet hatte. Dass allerdings die Grünen fast doppelt so stark werden würden, das hatte wohl niemand auf dem Zettel. Bis dahin hatte sich die politische Landkarte in Heidelberg fast flächenmäßig grün eingefärbt: In 13 von 15 Stadtteilen lagen die Grünen vorn, am stärksten in der Weststadt mit fast 44 Prozent. Die SPD verteidigte knapp ihre alte Hochburg Pfaffengrund (23,46 Prozent, Grüne: 23,31 Prozent), die CDU nur den Emmertsgrund - auch wenn sie in Ziegelhausen (27,5 Prozent) noch respektabel abschnitt

Doch das Heidelberger Ergebnis barg noch andere Überraschungen: Die Bäume der AfD wuchsen nicht in den Himmel - mit etwas über sechs Prozent schnitten die Rechtspopulisten etwas schlechter ab als 2014. Fast gleich stark, mit nur vier Stimmen weniger, war die FDP, die sich leicht verbessern konnte. Auf dem sechsten Platz, knapp dahinter mit 5,4 Prozent folgt "Die Linke". Unter den Sonstigen waren vor allem die Spaßgruppierung "Die Partei" (3,3 Prozent) und die Europapartei "Volt (2,9 Prozent) stark (und die einzigen, die mehr als ein Prozent holten).

Besonders erfreulich: Die Wahlbeteiligung machte einen Hüpfer nach oben: Mit 70,1 Prozent waren es deutlich mehr als noch 2014 (54,7 Prozent).

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