Brandstiftung in Flüchtlingsunterkunft: eine "Schnapsidee"

Mildes Urteil des Heidelberger Landgerichts - 24-Jähriger legte Feuer - Gericht verhängte Bewährungsstrafen

21.03.2016 UPDATE: 22.03.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Willi Berg

Er legte Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft und gefährdete das Leben von über 100 zumeist schlafenden Menschen. Das Heidelberger Landgericht verurteilte den Pakistaner jetzt zu einer Bewährungsstrafe von 17 Monaten. Die Strafkammer befand den 24-Jährigen der Sachbeschädigung und der versuchten Brandstiftung für schuldig. Der junge Mann hatte in der Nacht zum 11. Oktober 2015 im Flur des Gebäudes unter anderem Kinderwagen, Kartons und Wäsche angezündet. Ein mitangeklagter Landsmann sah zu, ohne einzugreifen. Der 27-Jährige wurde wegen Beihilfe zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Oberstaatsanwalt Florian Pistor forderte Haftstrafen von drei beziehungsweise zwei Jahren. Er werde nun prüfen, ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlege.

Der Hintergrund für die Tat bleibt rätselhaft. "Wir haben nicht ansatzweise ein Motiv festgestellt", sagte der Vorsitzende Richter Edgar Gramlich. Verteidiger Patrick Welke nannte die Tat eine "Schnapsidee". Und meinte das im wahrsten Sinne des Wortes. So hatten die Angeklagten in den Stunden zuvor zwei Flaschen Whiskey konsumiert. Vor allem der 24-Jährige, dessen Frau ein Kind erwartete, wollte es "noch mal richtig krachen lassen", sagte der Richter. Am Abend besuchten beide einen Bekannten in der Unterkunft im Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund. Als sie nach Mitternacht das Gebäude verließen, legte der 24-Jährige an sechs Stellen Feuer. Er behauptete bis zuletzt, sich nicht mehr erinnern zu können, bestritt die Tat aber nicht. "Es tut mir sehr leid. Ich mache nie wieder das", versicherte er in gebrochenem Deutsch. Der 27-jährige Mitangeklagte, der früher in der Unterkunft wohnte, bat um Verzeihung.

Der Vorsitzende Richter bezeichnete die Tat als "ganz erheblich fahrlässig" und als "hanebüchenen Unsinn". Die gelegten Feuer seien "nicht geeignet" gewesen, das Gebäude in Brand zu setzen. Jedoch hätte Rauchgas durch das geöffnete Fenster einer Wohnung ziehen und deren Bewohner töten können. Ob der stark betrunkene 24-Jährige sich dessen bewusst war, sei "nicht sicher zu beantworten", sagte der Richter.

Anders sieht dies Oberstaatsanwalt Florian Pistor. Der Angeklagte habe "billigend in Kauf genommen, dass der Brand auf das Gebäude übergreift". Zum Glück bemerkte ein Flüchtling den Rauch, als er gerade betete. Der 31-Jährige ging auf den Flur und sah ein Feuer vor der Nachbarwohnung. Er weckte die Schlafenden und löschte den Brand. Dann rannte er den Angeklagten nach und konnte einen von diesen stellen.

Merkwürdig ist, dass in der Unterkunft Anfang 2014 von Unbekannten schon zweimal Feuer gelegt wurde. Der 27-Jährige, der damals dort wohnte, hatte einen Brand gelöscht und sich dabei verletzt. Rätselhaft bleibt, warum er in jener Nacht im Oktober 2015 nicht eingegriffen hat, als sein jüngerer Freund Feuer legte. "Ich war betrunken. Mein Kopf hat nicht richtig funktioniert", entschuldigte er seine Passivität.

Der Oberstaatsanwalt beantragte eine dreijährige Haftstrafe für den Haupttäter wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung, für den älteren Mitangeklagten zwei Jahre ohne Bewährung.

Der Verteidiger des 27-Jährigen, Jörg Becker, forderte Freispruch für seinen Mandanten und eine Entschädigung für die erlittene U-Haft. Der Verteidiger des Haupttäters beantragte eine neunmonatige Bewährungsstrafe, unter anderem wegen Sachbeschädigung.

Zur Tatzeit hatten die Angeklagten rund zwei Promille im Blut. Vieles spreche für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit, sagte eine Rechtsmedizinerin. Dass der Brandstifter sich an die Tat nicht erinnere, sei nicht glaubhaft. Möglicherweise habe der 24-Jährige die Tat verdrängt.

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