Besetzung des neuen Nachtbürgermeisters soll wegen Corona verschoben werden
"Gerade jetzt wichtiger denn je" - Manche Fraktionen sind damit nicht einverstanden

Von Anica Edinger
Heidelberg. Am Donnerstag wäre es so soweit gewesen: Nach Mannheim hätte auch Heidelberg einen Nachtbürgermeister bekommen, der sich unter anderem um einen Interessensausgleich zwischen schlafsuchenden Anwohnern auf der einen, Wirten und Feiernden auf der anderen Seite hätte bemühen sollen. Der Gemeinderat sollte in seiner Sitzung am Donnerstagabend zwischen den drei favorisierten Kandidaten – Benjamin Punke, dem Duo Florian Schweikert und Hannes Diether sowie Alexander Beck – entscheiden.
Nur: Die Corona-Krise hat dem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht. So jedenfalls stellt es die Stadtverwaltung via Pressemitteilung von vergangener Woche dar. "Die Besetzung der Position einer Nachtbürgermeisterin oder eines Nachtbürgermeisters für die Stadt soll um ein halbes Jahr verschoben werden, also voraussichtlich ins Frühjahr 2021", heißt es darin. Mehrere Gründe machten das notwendig: der Sparhaushalt, der aufgrund der coronabedingten Sondersituation anstehe, aber auch die noch ausstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu den Sperrzeiten. Darum habe der Haupt- und Finanzausschuss die Verschiebung der Besetzung des Nachtbürgermeister-Postens beschlossen.
Nur: Tatsächlich stimmten die Stadträte nie darüber ab. Auf RNZ-Anfrage heißt es von den Grünen: "Der Gemeinderatsbeschluss vom Februar 2020 gilt. Eine Verschiebung wurde im Haupt- und Finanzausschuss weder besprochen noch beschlossen." Tatsächlich handelte es sich wohl um ein verwaltungsinternes Missverständnis. Aus der Pressestelle der Stadt hieß es gestern: "Die Gemeinderäte haben nicht im Haupt- und Finanzausschuss entschieden, dass die Besetzung der Position einer Nachtbürgermeisterin oder eines Nachtbürgermeisters verschoben wird. Vielmehr haben sich die Fraktionen im Ältestenrat verständigt, diese Verschiebung vornehmen zu wollen." Der formale Beschluss müsse noch im Gemeinderat gefällt werden. Auf der Tagesordnung der Sitzung am Donnerstag (16.30 Uhr, Neuer Rathaussaal) ist dieser Tagesordnungspunkt aber nicht zu finden.
Ohnehin ist es fraglich, ob der Gemeinderat sich wirklich mehrheitlich dafür aussprechen würden, die Besetzung des Postens zu verschieben. Die Grünen jedenfalls, mit 16 Stadträten die mit Abstand größte Fraktion, erklären: Ein Nachtbürgermeister sei gerade jetzt wichtiger denn je. Die Gastronomie bräuchte in Corona-Zeiten dringend Unterstützung, etwa auch bei der Erstellung und Umsetzung coronakonformer Konzepte. Außerdem könne ein Nachtbürgermeister dabei helfen, auftretenden Problemen in Zusammenhang mit der ausgeweiteten Außenbewirtschaftung vorzubeugen.
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Das sieht auch die FDP so. Stadtrat Karl Breer erklärt: "Der für mich gravierendste Punkt in diesem Zusammenhang, ist das laufende Gerichtsverfahren bezüglich der Sperrzeiten in Heidelberg." Zuletzt hatten klagende Altstadt-Anwohner im Streit um die Kneipenöffnungszeiten ein Mediationsangebot des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Mannheim ausgeschlagen. Nun hat der VGH die Stadt verpflichtet, ein neues Lärmgutachten in Auftrag zu geben.
So soll geklärt werden, wie stark die Belastung für die klagenden Anwohner ist, aber auch welchen Anteil die Gaststätten am nächtlichen Lärm haben. Für die FDP ein Grund mehr, gerade jetzt einen Nachtbürgermeister einzustellen. Breer: "Wir wären sehr schlecht beraten, den deeskalierenden Effekt, den ein Nachtbürgermeister unserer Meinung nach auf die Situation in der Altstadt hätte, nicht baldmöglichst zu realisieren." Es entstünde so langsam der Eindruck, dass die Besetzung des Postens zwar eine Herzensangelegenheit eines Großteils des Gemeinderates und der Wirte sei, "nicht jedoch der städtischen Verwaltung".
Frustriert ist auch Benjamin Punke. Der Nachtbürgermeister-Kandidat hält die Gründe, welche die Verwaltung für die Verschiebung angeführt hat, für vorgeschoben. Gerade in Pandemie-Zeiten sei es doch noch wichtiger, jetzt in die Nachtkultur einzugreifen und Themen anzugehen, die ohnehin längst überfällig seien. Er hofft, dass heute Abend im Gemeinderat noch einmal über die Thematik diskutiert wird.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster unterdessen äußert sich auf RNZ-Anfrage zurückhaltend. Man erkenne zwar die Notwendigkeit eines Nachtbürgermeisters weiterhin an. Aber: "Aufgrund der aktuellen Haushaltslage sowie dem vom Oberbürgermeister verhängten Einstellungsstopp und damit auch der Nichtverlängerung befristeter Stellen innerhalb der Verwaltung haben wir die Entscheidung der Stadtverwaltung zur Verschiebung um sechs Monate nicht beanstandet." CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Gradel zeigt sich zwiegespalten: "Wir sehen gute Gründe, das zu verschieben, sehen aber auch die Tatsache, dass wir was tun müssen." Insbesondere auch mit Blick auf die nahende Gerichtsentscheidung.



