Anwohner der Alten Brücke klagen über Lärm, Dreck und Randale
Begonnen habe "der Wahnsinn" mit den Neckarwiesen-Randalen im Mai, sagen Anwohner. Gebessert habe sich wenig. Die Polizei sieht das anders.

Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Lärm, Dreck, Randale: Diesem unschönen Dreiklang sehen sich Anwohner der Alten Brücke in der Altstadt seit Monaten ausgesetzt. "Jeden Freitag- und Samstagabend ist es dasselbe", sagt Hans-Peter Meinzer, der neben dem Brückentor wohnt. Ab 22 Uhr sei es unerträglich laut. Der 72-Jährige spricht von bis zu 400 jungen Leuten, die dort feiern und sich daneben benehmen würden: "Es wird getrunken und gegrölt, aus Musikanlagen wummert der Bass."
Begonnen habe "der Wahnsinn" nach den Ausschreitungen auf der Neckarwiese im Mai, auf welche die Stadt mit einem abendlichen Aufenthaltsverbot reagierte. Die jungen Leute trafen sich dann zum Feiern vermehrt an der Alten Brücke. "Und das ist bis heute so geblieben", sagt Meinzer.

Der Lärm gehe oft bis fünf Uhr morgens. Meinzers Tochter habe kürzlich vor der Haustür einen Minderjährigen "im Koma in seiner eigenen Kotze" aufgefunden. Erbrochenes, Urin, mitunter sogar Kot, dazu Essensreste, Plastikbecher und Hunderte Glasscherben säumten dann am Morgen, so Meinzer, das Areal rund um die Alte Brücke. Die Stadtreinigung komme zwar in aller Früh, doch gegen Glassplitter, die in den Ritzen des Kopfsteinpflasters stecken, könnten deren Bürsten wenig ausrichten.
Die RNZ sprach mit mehreren Anwohnern. Viele verstehen das Bedürfnis junger Leute, sich zu treffen und zu feiern. Aber alle bestätigen auch Meinzers Schilderungen. Stark betroffen ist auch das Hotel Holländer Hof direkt gegenüber vom Brückentor. "Ich habe meinen Mitarbeitern strikt untersagt, ab einer gewissen Uhrzeit rauszugehen", sagt Geschäftsführerin Nora Grohmann-Fay.
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Die Hotelgäste könnten nicht schlafen, manche seien auch verängstigt, trauten sich nicht an den Menschenmassen vorbei. "Diese Zustände schaden Heidelberg insgesamt", sagt sie, "nach so einer Nacht überlegt man sicherlich, ob man ein zweites Mal in diese Stadt kommt."
Dem Wirtshaus Zum Spreisel, das im gleichen Gebäude wie der Holländer Hof ist, wurden vor ein paar Wochen die Stühle und Tische kaputt getreten. "Das war nur die Spitze des Eisbergs", sagt Pächterin Maria Ueberle. "Die urinieren und kotzen uns in die Blumen – jedes Wochenende!" Die Musik sei laut wie in einem Stadion. "Bei diesem Lärm, bis morgens um 5, kann kein Mensch schlafen."
Alexander Beck vom Hotel Alte Brücke und Restaurant Nepomuk hat seine Terrasse jetzt mit Holz-Gittern verbarrikadiert: "Was hier abgeht, ist erschreckend, unfassbar", sagt er. Die Flaschen flögen von der Brücke auch in den Neckar – und auf die B 37. Seinen schockierten Gästen gebe er beim Einchecken Ohropax. Der Dreck ziehe immer mehr Ratten an.

Nicole Weigold, Pächterin des Restaurants Der kleine Spanier unmittelbar am Brückentor, bat im Spätsommer ihre draußen sitzenden Gäste konsequent um 21.30 Uhr ins Innere: "Ich muss sie ja schützen vor der Randale." Auch ihre Stühle und Tische wurden schon kaputt geschlagen. Kürzlich gab es auf ihrer Restaurant-Terrasse eine Schlägerei, sie muss jeden Sonntag nass wischen. Hans-Peter Meinzer bestätigt das: "Meine Frau braucht zum Putzen der zwei Stufen vor unserer Tür sechs Eimer heißes Wasser – es ist ekelerregend."
Polizei und Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdiensts (KOD) seien zwar regelmäßig vor Ort, aber das ändere nichts. Meinzer sagt: "Wenn die Polizei auftaucht, ist kurz Ruhe, sobald sie weg ist, geht der Lärm wieder los." Er und manche andere wünschen sich ein stärkeres Eingreifen. "Die Polizei sollte mal alle Ausweise kontrollieren und dann die Minderjährigen des Platzes verweisen", sagt Nepomuk-Pächter Alexander Beck. "Die sind ja alle blutjung, da sind 13- und 14-Jährige dabei."
Dem widerspricht Uwe Schrötel, der das Polizeirevier Mitte leitet und damit auch für die Altstadt zuständig ist: "An der Alten Brücke treffen sich überwiegend Erwachsene zwischen etwa 18 und 28 Jahren." Er verstehe die Sorgen der Anwohner – aber: "Die Alte Brücke ist aus polizeilicher Sicht kein Brennpunkt." Zwar gebe es dort Ordnungsstörungen – also Ruhestörung, Vermüllung und ähnliches –, aber nur selten Straftaten wie etwa Körperverletzung.
Auch träfen sich dort nicht mehr, wie noch vor einigen Wochen, Hunderte, sondern eher "zwischen 80 und 100". Insgesamt habe sich die Lage dort im Vergleich zum Sommer verbessert. Die Beamten und der KOD würden Störer ansprechen. Viele seien auch einsichtig. Sind sie es aber nicht, gehe man konsequent vor: "Wir haben auch schon laute Musikboxen konfisziert und erteilen regelmäßig Platzverweise." Aber die Alte Brücke sei eben ein öffentlicher Raum, wo es nicht verboten ist, sich zu treffen und sich zu unterhalten.

Von einem Alkoholkonsumverbot hält Schrötel wenig: "Das wäre eine sehr einschneidende Maßnahme." Sinnvoll fände er ein nächtliches Verkaufsverbot, um den Alkohol-Nachschub über die Späti-Kiosks in der Altstadt zu unterbinden. "Aber das ist eher ein Thema für das Land." Doch auch die Stadt könne helfen, meint der Revierchef: "Es braucht mehr Prävention, mehr Sozialarbeit. Ein ausschließlich repressiver Ansatz löst das Problem, wie sich junge Menschen verhalten, nicht."
Ein Stadtsprecher sagt auf RNZ-Nachfrage, dass man konsequent gegen Störer vorgehe und mit den Anwohnern "in ständigem Austausch" sei. In der Altstadt seien wochenends zwei KOD-Teams mit je drei oder vier Mitarbeitern im Einsatz, eines davon rund um die Alte Brücke bis 3 Uhr nachts. Schon Anfang 2022 könnten die sieben neuen KOD-Mitarbeiter anfangen, die im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft mit dem Land eingestellt werden. Im Zuge der von den Nachtbürgermeistern Jimmy Kneipp und Daniel Adler geplanten sogenannten Awareness-Kampagne sollen zudem Konfliktmanager zum Einsatz kommen. Und schließlich suche eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Oberbürgermeister Eckart Würzner gemeinsam mit Jugendlichen mehr Orte für Partys in Heidelberg.



