Heidelberg

Wie die Stadtreinigung mit dem Partymüll in der Altstadt kämpft

Jedes Wochenende ist Alltag für die Mitarbeiter. Sie kämpfen unter anderem mit Glasscherben, Essensresten und Urin. Bis 8 Uhr ist alles sauber.

15.08.2021 UPDATE: 16.08.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 22 Sekunden
Neben der Unteren Straße ist der Bereich rund um die Alte Brücke am Wochenende stets besonders stark vermüllt. Foto: sek

Von Sebastian Klump

Heidelberg. Essensreste, Glasscherben und Papier liegen auf dem Boden, an den Hauswänden sieht man noch Spuren von Urin, ein beißender Gestank zieht sich durch die Hauptstraße. Es ist sechs Uhr. Die Hinterlassenschaften der vergangenen Nacht werden langsam in der Morgendämmerung sichtbar. Die letzten Feiernden vom Vorabend sind noch da: Eine Gruppe kaum 20 Jahre alter Jugendlicher hört laut Musik auf der Alten Brücke. Sie machen sich nunmehr taumelnd auf den Nachhauseweg. Am Neckarstaden schläft ein Mann auf den Pflastersteinen neben einer Lache von Erbrochenem. Für die Mitarbeiter der Stadtreinigung, die gerade in der Altstadt eintreffen, ist das Alltag am Wochenende.

"Wir sind hier an einem der schönsten Orte der Stadt, dem Marktplatz, mit Blick auf das Schloss. Und das wurde daraus gemacht", kommentiert der Betriebsmeister der Stadtreinigung Jonas Koessler den vermüllten Anblick in der Innenstadt. Wie an jedem Samstag- und Sonntagmorgen kümmern sich seine Mitarbeiter um das, was von den Feiern in der Nacht am Morgen geblieben ist. Denn noch bevor die ersten Besucher in die Stadt kommen, soll wieder alles möglichst sauber sein.

Dafür treffen sie sich an diesem Samstagmorgen bereits um 5.30 Uhr beim Betriebshof der Stadtreinigung. Von hier aus geht es für die an diesem Tag insgesamt 14 Beschäftigten in die Altstadt: Drei Reinigungstrupps sowie zwei Kehrmaschinen sind für den Bereich der Innenstadt zuständig. Eines der Teams beginnt seine Tour entlang der Hauptstraße und tastet sich blockweise voran. Ein Mitarbeiter sammelt den Abfall in der Mitte des Weges mithilfe eines Blasgeräts, säubert die Nischen. Ein anderer macht sich daran, einige der über 60 Müllkörbe der Altstadt zu leeren und fährt dafür den Mülltransporter allmählich weiter vor. Die Arbeit verläuft erstaunlich effizient, die Reinigungskräfte wissen aus ihrer langjährigen Erfahrung genau, was zu tun ist.

Im Anschluss fahren die Kehrmaschinen dieselbe Strecke ab und sammeln den verbleibenden Müll ein. Die Maschinen sind mit Dampfstrahlern ausgestattet, um auch Essensreste und Erbrochenes beseitigen zu können, erläutert Koessler: "Das ist ekelhaft, gerade wenn es so warm ist." Immerhin ist die Situation an diesem Samstag gut unter Kontrolle. "Was wir heute sehen, ist der ganz normale Wahnsinn", so der 32-Jährige. Wegen des schönen Wetters sei zwar viel los gewesen in der Altstadt, insbesondere im Frühsommer habe es zum Teil aber auch deutlich schlimmer ausgesehen.

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Von der Hauptstraße geht es zur Unteren Straße und schließlich auf die Alte Brücke, zwei der am meisten vermüllten Orte an diesem Samstag – und an den allermeisten Wochenenden. Große Schwierigkeiten verursachen Glasscherben beim Reinigen, die leicht zwischen die Pflastersteine fallen und nur mit Mühe mit den Blasgeräten entfernt werden könnten. Im Extremfall müsse man den Besen nehmen, meint Koessler.

Es sei erstaunlich, wie die Partys in der Altstadt zugenommen hätten. Die Schließung von Clubs wie dem Billy Blues im Ziegler, die gesteigerte Feierlaune infolge der Pandemie und verschärfte Kontrollen auf der Neckarwiese – das seien mögliche Gründe, weshalb sich die Feiern vermehrt in die Altstadt verlagert haben. Denn die Reinigungskräfte sind sich einig: Vor der Pandemie sei es weniger aufwendig gewesen, die Altstadt zu reinigen. "Wir brauchen zurzeit vier bis fünf Leute mehr als vor Corona", erzählt Koessler.

Immer wieder macht Hausmüll – wie hier an einer Ecke der Hauptstraße – den Einsatzkräften das Leben schwer. Foto: sek

Nicht nur der Partymüll der Nacht findet sich auf der Straße, sondern immer regelmäßiger stoßen die Reinigungskräfte auch auf abgestellten Hausmüll. An einer Hausecke an der Hauptstraße wurde etwa ein Müllsack hinterlassen, an anderer Stelle auf der Straße zwei Holzpaletten. Das sei wirklich ärgerlich, meint Koessler. Schließlich sei das eine zusätzliche Belastung für seine Mitarbeiter, die absolut vermeidbar sei. "Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auch diese Hinterlassenschaften einzusammeln, denn die Altstadt muss gut aussehen, wenn die ersten Touristen hier sein werden." Immerhin konnte eine Anwohnerin, die offenbar ihren Müll auf diese Weise entsorgt hatte, durch die Adresszeile eines Pakets identifiziert werden. Sie wird deswegen eine Anzeige erhalten.

"Die Stadtreiniger sind aus hartem Holz gestrickt", erklärt Koessler. Die Tätigkeit sei nicht belastend für die Beschäftigten, viele freuten sich sogar über die zusätzliche Arbeit sowie die Überstunden, die sie damit anhäufen könnten. "Die Arbeit muss gemacht werden", meint auch Stadtreiniger Benjamin Mäule, man sei vieles gewöhnt. Dennoch hofft Koessler auf mehr Personal, da sich der Arbeitsaufwand zuletzt erhöht habe. Außerdem mangele es an gesellschaftlicher Anerkennung für die Tätigkeiten der Stadtreinigung. "Wenn wir unsere Arbeit ordentlich gemacht haben, sieht alles gut aus, wenn sich die Straßen füllen", erzählt Koessler, dann seien die Reinigungskräfte nicht sichtbar. Nur wenn einzelne Hinterlassenschaften übersehen worden seien, gebe es Beschwerden.

Gegen 7.30 Uhr ist das Gröbste geschafft. Nur noch vereinzelt liegen Glassplitter in den Ecken der Straßen. Auch auf der Neckarwiese sind die Reinigungskräfte der Heidelberger Dienste zu dieser Zeit schon weit gekommen. Im Gegensatz zu den Straßen muss der Müll auf der Wiese in mühsamer Handarbeit entfernt werden. Doch in dieser Nacht ist es hier anscheinend recht ordentlich geblieben.

Kurz nach 8 Uhr ist es so weit. Die Stadtreinigung kehrt zur Zentrale zurück, gleichzeitig füllt sich die Stadt langsam wieder, Besucher kommen an, die ersten Touristen wagen sich aus den Hotels. An diesem Morgen sei man gut vorangekommen, berichtet Koessler. Aber in Ausnahmefällen habe man an Wochenenden schon mal bis 9 oder sogar 10 Uhr gebraucht.

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