Minh-Tan hat sich bestens eingelebt und ist ganz schön frech
Rangeln, schubsen und voneinander lernen: Der kleine Bulle lernt fleißig von den drei großen Jungs.

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Wenn es Äpfel, Möhren und Zuckerrüben gibt, dann sind die vier Elefantenbullen im Heidelberger Zoo nicht mehr zu halten. Ludwig, Yadanar und Namsai stürmen aufs Gelände, schnappen sich die Leckerbissen und zermalmen sie mit sichtlichem Genuss. Auch Minh-Tan ist mittendrin und voll dabei. Seit Mitte Juli verstärkt der kleine Asiatische Elefant die Jungbullen-WG. Als Fünfjähriger kam er aus Osnabrück, hat sich in Heidelberg nun bestens eingelebt und lernt fleißig von den drei großen Jungs, was man als Elefant so fürs Leben wissen muss.
"Die Pubertät ist eine schwierige, aber lehrreiche Phase für alle mit zwei Beinen und vier Beinen", erklärt Revierleiter Stefan Geretschläger beim RNZ-Besuch am Elefantengehege. Als hätten sie es gehört, kommt es unter den Bullen prompt zu einem kleinen Gerangel. Das sei ganz normal, winkt Geretschläger ab.
Auch dass Minh-Tan eine dicke, rote Beule über dem Auge hat, scheint kein Drama zu sein. Jedenfalls ist der kleine Elefant fidel auf dem Gelände unterwegs. "Die Macke hat ihm Ludwig heute Morgen verpasst. Minh-Tan ist ziemlich frech und wenn er Ludwig im Weg steht, dann schubst er ihn eben auch mal auf die Seite. Wir haben nur etwas Jod drauf gemacht", erklärt Geretschläger.
Die Grundharmonie in der Bullen-WG wird durch solche kleinen Scharmützel nicht gestört. "Zu 90 Prozent leben die vier ausgeglichen zusammen und können auch sehr nett und liebevoll miteinander umgehen", sagt Geretschläger. Auch das ist eine Erkenntnis, die die Verantwortlichen im Zoo in den vergangenen Jahren lernen konnten. Seit zwölf Jahren gibt es hier die Jungbullen-WG und nach wie vor ist sie einzigartig in Deutschland. Minh-Tan hat sich besonders schnell eingelebt. "Eigentlich ab dem ersten Tag", sagt Geretschläger.
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Tarak war der letzte Elefant, der in der WG von Anfang an dabei war. Er hat im vergangenen Sommer im Alter von 16 Jahren Heidelberg verlassen, lebt nun in Köln und soll dort Vater werden. So wie alle Elefanten, die nach Heidelberg kommen, auch irgendwann wieder gehen, denn hier verbringen sie nur ihre Pubertät. Der Grund dafür ist, dass männliche Elefanten im Alter von etwa vier bis fünf Jahren aus ihrer Geburtsgruppe herausgedrängt werden, aber noch zu jung sind, um selber eine Herde anzuführen.
In der freien Natur schließen sie sich mit anderen Jungbullen zu losen Verbänden zusammen, bis sie alt genug sind, um sich fortzupflanzen. "In Zoos hat man die Jungbullen früher alleine eingesperrt", sagt Geretschläger. Die Idee der Jungbullen-WG war, dass die Tiere artgerecht erwachsen werden können. Und da gehörten die Rangeleien und das Geschubse eben dazu. "Um Harmonie zu haben, muss auch klar sein, wer der Boss ist", ergänzt Barbara Rumer vom Zoo. Genauso gehöre aber auch dazu, dass sich die Kleinen von den Großen allerhand abgucken.
Ludwig etwa zeige Minh-Tan, schon mal wie man seine Stoßzähne richtig einsetze. Obwohl der aktuell nur kleine Stoßzahnstummel hat und es noch eine Weile dauert, bis die Zähne so prächtig sind, wie die von Ludwig.
Etwa fünf Zentimeter pro Jahr wachsen Elefantenzähne, erklärt Gwendolyn Steubl, die seit April hier im Revier arbeitet und Geretschläger unterstützt. "Der Ludwig ist übrigens ein Rechtsstoßzahner", sagt sie lachend. Etwa so, wie Menschen Rechtshänder sind, haben auch Elefanten eine Seite, mit der sie besser arbeiten können, beispielsweise wenn sie Rinde von Bäumen abschälen. "Das erkennt man daran, dass der Stoßzahn dieser Seite stärker abgenutzt und kürzer ist", so Steubl.
Ludwig, der übrigens Patentier der RNZ ist, sei eindeutig der Dominanteste in der Gruppe, obwohl er nur der Zweitälteste nach Yadanar ist. Seine Spitznamen "Diva" oder "Luzifer" habe er nicht umsonst, betont Geretschläger. Er wiege aber auch am meisten und wenn man mit ihm kämpfe, treffe man auf Stoßzahn und nicht nur auf Rüssel. "Der war aber auch schon ein kleiner König in München und seine Mama dort die Ranghöchste", ergänzt Gwendolyn Steubl.
Vielleicht hat Ludwig den Chefposten also einfach in der Wäsche. Yadanar hingehen habe Minh-Tan unter seine Fittiche genommen. Rund 2,1 Tonnen wiege der Kleine inzwischen und entwickle sich prächtig. Einmal im Monat werden die Tiere gewogen – quasi eine Untersuchung für Elefanten – um zu überprüfen, ob sie genug fressen. Gerade wandert der nächste Apfel in Minh-Tans Maul, auch darum muss man sich also offensichtlich keine Sorgen machen.
Info: Der Zoo in der Tiergartenstraße 3 hat im Winter von 9 bis 17 Uhr geöffnet.