Einbahnstraße zum Glühweinstand?

Heidelberg will den Weihnachtsmarkt retten

Wie "Heidelberg Marketing" die Corona-Krise bewältigen will.

07.08.2020 UPDATE: 08.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Nicht immer ist noch so viel Platz auf dem Weihnachtsmarkt wie hier auf dem Universitätsplatz im Jahr 2019. Vor manchen Ständen herrscht Gedränge. Nun fragen sich die Betreiber, wie das Fest unter Corona-Bedingungen trotzdem stattfinden kann. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Mehr Gäste aus dem Inland und den Nachbarstaaten anziehen, mit den Höhepunkten der gesamten Region werben: Das ist seit Jahren die Strategie von "Heidelberg Marketing". In den Augen von Geschäftsführer Mathias Schiemer wäre das auch der Ausweg aus der Corona-Krise, zusammen mit der Rettung des Weihnachtsmarktes.

Herr Schiemer, das Crowne Plaza ist dicht. Ist das der Anfang des großen Hotelsterbens in Heidelberg?

Ich hoffe nicht. Ich finde es dramatisch, dass es dieses Hotel nun nicht mehr gibt. Zumindest in der Innenstadt steigen die Übernachtungszahlen gerade wieder. Tagungshotels haben es aber zugegebenermaßen schon schwerer: Die Firmen haben Geschäftsreisen verboten, es gibt keine Veranstaltungen, viele internationale Grenzen sind noch geschlossen.

Mathias Schiemer. Foto: Schwerdt

Rächt sich jetzt, dass es in Heidelberg zu viele Hotelbetten gibt?

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Nein. Die Planungen stammen ja aus der Vor-Corona-Zeit, in der Heidelberg immer eine der deutschen Städte war, deren Hotels am besten ausgelastet waren. Zudem bauen wir ja gerade das neue Konferenzzentrum, dafür werden wir in Zukunft auch mehr Betten benötigen. Übrigens gibt es auf dem Sektor keinen Wildwuchs. Ich weiß, dass wir als Stadt auch ein paar Hotelneubauten verhindert haben und weiter ein Auge darauf haben.

Letzte Woche hat der Tourismusverband Baden-Württemberg in Heidelberg getagt. Wie ist die Stimmung der Kollegen?

Die Stimmung ist gar nicht so schlecht. Denn wenigstens der Inland-Tourismus hat wieder angezogen. Viele machen sich aber Gedanken, ob der Weihnachtsmarkt stattfinden kann. Das ist ein immenser Wirtschaftsfaktor.

Hintergrund

Mit vielen Werbestrategien und Angeboten möchte "Heidelberg Marketing" mehr deutsche Touristen anziehen:

> Zwei Städte – ein Erlebnis: Mit dieser Kooperation wollen Heidelberg und Mannheim die Gäste länger als nur zwei Nächte in der Region halten. Für die

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Mit vielen Werbestrategien und Angeboten möchte "Heidelberg Marketing" mehr deutsche Touristen anziehen:

> Zwei Städte – ein Erlebnis: Mit dieser Kooperation wollen Heidelberg und Mannheim die Gäste länger als nur zwei Nächte in der Region halten. Für die Vermarktung geben die Städte laut Mathias Schiemer einen "sechsstelligen Betrag aus".

> Die Deutsche Bahn hat das Programm "Entdecke Deutschland mit der Bahn" und gibt dafür bundesweit 15 Millionen Euro aus. Auch Heidelberg ist hier mit einer eigenen Seite vertreten.

> Das Sommerspezial: Drei Nächte bleiben, zwei bezahlen – wurde von den Kooperationspartnern bis September verlängert.

> Die Kampagne "bwegt" startete Ende Juli. Vom Tourismusverband Baden-Württemberg kommen 500.000 Euro, hinzu kommen 400.000 Euro von den Projektpartnern. Damit sollen Ballungsräume und Städte mit mehr als 40.000 Einwohnern beworben werden.

> Die regionale Zusammenarbeit läuft auch über Bergstraße und Burgenstraße, in denen Heidelberg Mitglied ist.

> Die Zahlen gehen inzwischen nach oben. Waren zum 14. Juli nur 706 Altstadtrundgänge bis zum Ende des Jahres gebucht, sind es jetzt mehr als 1200, statt 29 Gruppenführungen sind nun weit über 400 reserviert. Zudem konnten die Mitarbeiter von "Heidelberg Marketing" auch einige Kunden zurückholen. Von den 700 Stornierungen infolge des Lockdowns wurden 600 Privatkunden persönlich angeschrieben. Dadurch haben viele schon fürs nächste Jahr gebucht. (hob)

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Und, kann er?

Wir haben ein Konzept erstellt, das auch schon mit dem Oberbürgermeister abgestimmt ist und das er nun im Städtetag vorstellen will. Wir könnten damit alle bisherigen Plätze bespielen. Mit einer Einbahnstraßenregelung könnten wir versuchen, so viele Stände wie möglich unterzubekommen und trotzdem noch die Abstandsregeln einzuhalten. Und trotzdem gäbe es ein Weihnachtsmarkt-Ambiente. Wenn ein Platz zu voll werden würde, könnten wir das zudem regulieren.

Wie spruchreif ist das Ganze?

Uns ist es damit ernst. Es muss aber noch vom Land abgesegnet werden. Wir fahren dabei auf Sicht: Wenn das generelle Verbot von Weihnachtsmärkten kommen sollte, sind wir auch machtlos.

Sie haben sich mit Mannheim zusammengetan – mit der Kampagne "Zwei Städte, ein Erlebnis". Warum?

Wir wollen die Menschen möglichst lange in der Region halten und sehen uns als Alternative zur Nord- und Ostsee und zum Schwarzwald. Jeder kennt das aus seinem Bekanntenkreis: Es gibt immer noch viele Menschen, die noch nie in Heidelberg waren. 80 Millionen Deutsche, Besucher aus Frankreich, Schweiz, Italien und den Beneluxstaaten – dieses Feld müssen wir bestellen. Das war schon unsere Strategie vor Corona. Und jetzt könnten wir davon profitieren. Die Leute wollen doch dorthin in den Urlaub fahren, wo sie unbekümmert sein können.

War es ein Fehler, in den vergangenen Jahren zu sehr nach China und in die USA zu schielen?

Nein, der internationale Tourismus ist auch wichtig. Ich habe auch nichts gegen die Flusskreuzfahrten, aber wir leben vor allem von Übernachtungsgästen aus Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten.

Angenommen, Sie wollten fünf Übernachtungen in Heidelberg buchen: Wie sieht ihr Programm aus?

Am ersten Tag checke ich mit der Familie in eines unserer wirklich tollen Hotels ein. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Heidelberg Card habe ich schon im Vorfeld bei "Heidelberg Marketing" gebucht. Dann geht es mit der Bergbahn zum Schloss und später weiter hoch zum Königstuhl. Wir besuchen das Märchenparadies und die Falknerei und haben den besten Blick auf Heidelberg. Abends essen wir typisch regional.

Am zweiten Tag fahren wir mit der Weißen Flotte, besuchen die vier Burgen und essen in Neckarsteinach. Abends schlendern wir am Ufer und genießen einen Cocktail beim Sonnenuntergang.

Am dritten Tag fahren meine Kinder mit der S-Bahn nach Sinsheim, ins größte Technikmuseum Europas und danach in die Bäderwelt. Meine Frau und ich besuchen hingegen das Kurpfälzische Museum und den Kunstverein, eine der tollen Galerien und das Verpackungsmuseum. Danach geht es noch ins Körperweltenmuseum.

Am vierten Tag shoppen wir in einer der längsten Fußgängerzonen Europas mit ihren wunderschönen Seitengassen. Abends essen wir internationale Küche in einem der tollen Restaurants. Ein Tag später ist Abreise und wir behalten Heidelberg für immer in Erinnerung.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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