Wächterpreis geht an Autorenduo der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Update)
Sebastian Riemer und Klaus Welzel hatten investigativ über einen unausgereiften Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs am Heidelberger Universitätsklinikum berichtet.

Für ihre investigativen Recherchen zum Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs am Heidelberger Universitätsklinikum wurden Sebastian Riemer (links) und Klaus Welzel nun mit dem "Wächterpreis der Tagespresse" 2020 ausgezeichnet: Repro: RNZ
Heidelberg/Bad Vilbel. (RNZ) Die gute Nachricht ging bereits am Montag raus – gehört und gelesen wurde sie jedoch erst am Dienstag: Die Rhein-Neckar-Zeitung holte den ersten Platz bei der Vergabe des 50. Wächterpreises. So entschied es die Jury der Stiftung "Freiheit der Presse" in Bad Vilbel. Wir freuen uns!
Bedacht mit der Auszeichnung werden der Chefredakteur dieser Zeitung, Dr. Klaus Welzel, sowie Sebastian Riemer, Leiter der Stadtredaktion Heidelberg. Beide recherchierten anhand zahlloser Quellen die Hintergründe des Heidelberger Bluttest-Skandals, in dessen Zentrum der Chef der Universitätsfrauenklinik, Prof. Christof Sohn, steht, der am 21. Februar 2019 via Bild-Zeitung und einer international groß angelegten Medienkampagne einen Bluttest anpries, der angeblich Brustkrebs bei Frauen in einem sehr frühen Stadium erkennen könne.
"Marktreife noch in diesem Jahr" hieß es auch auf der Homepage des Uniklinikums. Eine große Peinlichkeit, über die aufgrund der RNZ-Recherchen drei von fünf Uniklinikvorständen stolperten. In mehr als 100 Artikeln legten Welzel und Riemer offen, dass die in den Skandal verwickelten Akteure in einer Art Goldgräberstimmung die Erfolgsmeldung von der "Weltsensation" lancierten, obwohl längst klar war, dass die Ergebnisse eines ersten, offensichtlich geschassten Forscherteams um die Chinesin Rongxi Yang wissenschaftlich nicht haltbar waren.
Hinzu kam das am Klinikum nicht unumstrittene Engagement des Immobilieninvestors Jürgen Harder, der an der Bluttestvermarktungsfirma Heiscreen beteiligt war, und seinerseits Promis ins Bluttest-Spiel brachte, die mit Wissenschaft so gar nichts am Hut hatten; darunter der frühere Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, und der nach Vorwürfen zurückgetretene österreichische Finanzminister Karlheinz Grasser. Es kam zur illustren Feierrunde gemeinsam mit Klinikumsangehörigen im Berliner Hotel Adlon, Versprechungen, die Schauspielerin Angelina Jolie könne vielleicht Bluttest-Botschafterin werden – und zu viel internem Streit am Klinikum; ohne, dass der Vorstand die Notbremse zog.
Das alles deckte die RNZ auf – und so mussten erst der damalige Dekan der Medizinischen Fakultät gehen, dann die Kaufmännische Vorständin und schließlich die Vorstandsvorsitzende. Zur Trennung kam es auch zwischen Klinikjustiziar und Klinik, gegen den "Bluttesterfinder" Sohn läuft ein Disziplinarverfahren mit eher mäßigen Erfolgsaussichten für das Rektorat der Uni. Der Bericht einer externen Kommission, fast 400 Seiten dick, durfte nicht veröffentlicht werden, weil Sohn dagegen klagte.
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Derweil stellte die Staatsanwaltschaft Mannheim ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Verdächtige wegen Insiderhandels ein. Hintergrund: Den RNZ-Autoren war aufgefallen, dass die Aktie eines chinesischen Unternehmens, das von der Bluttestvermarktung in China profitiert hätte, seltsame (Gewinn-) Sprünge machte. Jedoch: Etwas strafrechtlich Relevantes wurde nicht gefunden. Somit bleibt: Die Preisverleihung an die RNZ – coronabedingt erst 2021. Große Vorfreude.
Update: Dienstag, 7. April 2020, 20.30 Uhr
Bad Vilbel/Heidelberg. (dpa) Der zum 50. Mal vergebene Wächterpreis der Tagespresse geht an zwei Redakteure der "Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg. Sebastian Riemer und Klaus Welzel hatten investigativ über einen unausgereiften Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs am Heidelberger Universitätsklinikum berichtet, wie die Stiftung Freiheit der Presse am Dienstag in Bad Vilbel nahe Frankfurt mitteilte. Die beiden Journalisten hätten damit das fragwürdige Vorgehen von Professoren, Investoren und PR-Machern in der Grauzone von Wissenschaft und wirtschaftlichen Interessen beleuchtet. Der erste Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.
Auch der zweite, mit 6000 Euro dotierte Preis geht nach Baden-Württemberg. Ausgezeichnet wird damit eine zwölfteilige Serie der "Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten" über Unterrichtsausfall. Das neunköpfige Autorenteam habe "ein bislang von Politik und Verwaltung eher stiefmütterlich behandeltes Problem" in den Brennpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt.
Michael Kasperowitsch von der Tageszeitung "Nürnberger Nachrichten" wird für seine Recherchen über Manipulation von Abrechnungen im Rettungsdienst des bayerischen Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) mit dem dritten Platz geehrt. Damit verbunden sind 4000 Euro.
Wegen der Corona-Krise wird es in diesem Jahr keine Feierstunde zur Überreichung der Wächterpreise geben. Eine öffentliche Würdigung der Preisträger ist nach Angaben der Stiftung für das kommende Jahr in Frankfurt geplant, zusammen mit der Auszeichnung der Preisträger für das Jahr 2021.



