Bahnhofsplatz Süd Heidelberg

Namensfindung wird zur Posse

Inzwischen gibt es zehn Vorschläge für den Platz in der Bahnstadt – Verwaltung empfiehlt Jean Monnet – Bezirksbeirat bleibt bei Roman Herzog

02.07.2018 UPDATE: 03.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Das Berliner Büro "Pola Landschaftsarchitekten" (Pola steht für "Poetische Landschaften") lieferte den Siegerentwurf für die Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes-Süd. Hier der Blick in Richtung Querbahnsteig (rechts) und Stadtloggia. Grafik: Pola

Von Timo Teufert

Heidelberg. Die Namensfindung für den südlichen Bahnhofsvorplatz wird langsam zur Posse: Seit über einem Jahr versuchen Stadtverwaltung und Gemeinderat, einen passenden Namen zu finden - ohne Erfolg. Den Stein ins Rollen brachte die CDU-Fraktion, die im Februar 2017 beantragt hatte, den Platz nach dem verstorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zu benennen.

Nach anfänglicher Zustimmung im Bezirksbeirat Bahnstadt stieß die Idee im Gemeinderat auf wenig Gegenliebe: Mittlerweile gibt es zehn Namensvorschläge. Sieben davon kommen aus dem Gemeinderat, drei von der Kommission für Straßenbenennungen.

Und weil die Verwaltung offenbar nicht zwischen die politischen Fronten geraten will, schlägt sie - statt Roman Herzog - nun vor, den Platz nach dem französischen Unternehmer und Gründervater der Europäischen Gemeinschaften, Jean Monnet, zu benennen.

Hintergrund

Acht Personen wurden vorgeschlagen, nach denen der Bahnhofsvorplatz-Süd benannt werden könnte.

1. Jean Monnet (1888-1979): Der von der Verwaltung

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Acht Personen wurden vorgeschlagen, nach denen der Bahnhofsvorplatz-Süd benannt werden könnte.

1. Jean Monnet (1888-1979): Der von der Verwaltung bevorzugte Prominente war Wegbereiter der Europäischen Gemeinschaften und Präsident der Montanunion.

2. Roman Herzog (1934-2017): Der von 1994 bis 1999 amtierende Bundespräsident rief den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus aus. Von 1978 bis 1983 war er Minister in Baden-Württemberg, wechselte dann ans Bundesverfassungsgericht, dessen Präsident er 1987 wurde.

3. Richard von Weizsäcker (1920-2015): Er amtierte von 1984 bis 1994 als Bundespräsident und begann seine politische Karriere als Regierender Bürgermeister von Berlin.

4. Margot Becke-Goehring (1914-2009): Die Chemikerin war die erste Rektorin einer westdeutschen Hochschule, als sie 1966 gewählt wurde. Sie wurde 1947 zur Professorin berufen.

5. Erich Maria Remarque (1898-1970): Der Schriftsteller ist bekannt für seine pazifistischen Romane, in denen er die Grausamkeit des Krieges thematisiert ("Im Westen nichts Neues").

6. Janusz Korczak (1878-1942): Der polnische Pädagoge, Kinderarzt und Schriftsteller begleitete als Arzt die Kinder seines jüdischen Waisenhauses im Warschauer Ghetto beim Transport in ein Vernichtungslager, obwohl das auch für ihn den Tod bedeutete.

7. Rosa Luxemburg (1871-1919): Die Politikerin und Publizistin galt als einflussreiche Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung, bevor sie in Berlin ermordet wurde.

8. Clara Schumann (1819-1896): Sie war eine bekannte Pianistin und Komponistin in der Romantik. (tt)

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Genau wie die Verwaltung warf auch die Kommission für Straßenbenennungen ihren ursprünglichen Vorschlag über den Haufen: Sie plädierte, nachdem die CDU Herzog vorgeschlagen hatte, für Margot Becke-Goehring, die von 1966 bis 1968 Rektorin der Uni Heidelberg und damit die erste Rektorin an einer westdeutschen Hochschule war.

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"Die Kommission hat das Bedürfnis, dass sich der neue Straßenname in die ideelle Umgebung einfügt", sagte Kommissionsmitglied Abraham de Wolf im Juni 2017. In der Bahnstadt sind die Straßen nach Personen aus Wissenschaft und Forschung benannt. Der Rechtswissenschaftler Herzog, der einige Jahre in Heidelberg lebte, passe dazu nicht.

Trotzdem sprach sich eine Mehrheit im Bezirksbeirat Bahnstadt für Roman Herzog als Namensgeber aus - weil damit auch Auswärtige etwas anfangen können und der Name einfach zu merken sei. Im Haupt- und Finanzausschuss wurden schließlich noch einmal fünf neue Vorschläge eingebracht: Neben "Europaplatz" und dem schlichten "Bahnhofsvorplatz-Süd" wurden Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, Rosa Luxemburg und der polnische Kinderarzt Janusz Korczak als Namensgeber ins Spiel gebracht. Man verständigte sich darauf, dass die Kommission diese Namen bewerten und die Stadträte sie im Ausschuss für Bildung und Kultur diskutieren sollten.

Im Februar 2018 präsentierte die Verwaltung dann eine Vorlage, bei der alle bisherigen Vorschläge unter den Tisch fielen. Die Kommission brachte stattdessen drei ganz neue Namen ins Spiel: Clara Schumann, Jean Monnet und Erich Maria Remarque.

Nach wem soll der Bahnhofsvorplatz-Süd benannt werden (im Uhrzeigersinn): Roman Herzog, Clara Schumann, Richard von Weizsäcker, Margot Becke-Goehring, Jean Monnet oder Rosa Luxemburg? Fotos: dpa

Und nun plädierte man plötzlich nicht mehr für die Uni-Rektorin Becke-Goehring, sondern schlug zur Abstimmung Monnet vor - und die Verwaltung schloss sich dem an. Doch darüber abgestimmt wurde nie: Weil die Fraktionen sich beschwerten, zog die Verwaltung die Vorlage noch vor den Ausschusssitzungen zurück.

Nun, ein halbes Jahr später, sind zwar alle vorgeschlagenen Namen von der Kommission bewertet worden, doch Jean Monnet ist und bleibt ihr Favorit - und den macht sich auch die Verwaltung erneut zu eigen. Zum Ärger der Bezirksbeiräte in der Bahnstadt, die über die Parteigrenzen hinweg mit Unverständnis reagieren: "Ich finde es frech, dass man uns diesen Beschluss noch einmal vorlegt", sagte Andreas Woerlein (SPD) in der Bezirksbeiratssitzung. Er sei zwar ganz grundsätzlich der Meinung, dass man Straßen und Plätze nicht nach Menschen benennen sollte: "Bei Monnet denke ich aber, dass die Hälfte der Menschen, die über den Platz laufen, den Namen nicht aussprechen können."

Es sei ein schlechtes Signal, sich nicht an Beschlüsse des Bezirksbeirates zu halten, fand Sebastian Werner (FDP). "Wir haben einen sehr guten Beschluss und einen guten Namen", erinnerte Oliver Driver-Polke (Die Heidelberger) an den Beschluss aus dem Juni 2017, als das Gremium mehrheitlich für Herzog stimmte. "Monnet ist denkbar ungeeignet.

Nicht nur wegen der Aussprache, auch wegen des fehlenden Heidelberg-Bezugs", meinte Till Menke (CDU). Und selbst Felix Berschin (Grüne), der bei der letzten Abstimmung nicht für Herzog gestimmt hatte, verwies auf den alten Beschluss des Bezirksbeirates. Und so lehnte man in der Bahnstadt den Monnet-Vorschlag einstimmig ab.

Nun sollen die Stadträte am Donnerstag, 5. Juli, im Ausschuss für Bildung und Kultur über den Vorschlag diskutieren.

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